This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world's books discoverable online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web
at |http : //books . google . com/
über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.
-^ / \^^ -^0^ ^ ^ '^ ^
pis^
PHILLIPS LIBRAKY
S.
HABVABD OOLLEQE OBSEBVATOBT.
SCIENCE CENTER LIBRARY
HARVARD COLLEGE
LIBRARY
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft
im Jahre 1900.
Zweiter Jahrgang.
Im Auftrage der Gesellschaft herausg^ebeu
Arthur König.
Leipzig, 1900.
Verlag von Johann Ambrosius Barth.
V
■' ia \ö&b.S7^{a)j
/
,.vs.i.rj CJLU« UIMW
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Inhaltsverzeichnis. *)
Seite
Edm. van Aubel. Sur les conductibilit^s ^lectriques et ther-
miques des m^taux 1 3
J. Elster. Ueber Becquerelstrahlen 1 5
F. GiESEL. Einiges über Radium-Baryum-Saize und deren
Strablen 1 9
H. Rubens. Demonstration der Einrichtungen seines neuen
Hörsaales unter Vorführung einiger Versuche .... 11
H. Rubens und E. Ascheinass. Vorlesungsversuch über die
magnetische Ablenkbarkeit der Becquerelstrahlen . . 11 13
E. AscHKiNASs. Ein Vorlesungsversuch mit flüssiger Luft . . 11
W. Heüse. Ueber die Glimmentladung im Helium .... 12 16
H. DU Bois und 0. Liebenecht. Moleculare Susceptibilität
der Salze seltener Erden 12 19
N. Schmidt. Eine Beobachtung an sensiblen Flammen ... 12 22
A. Gleichen. Grundzüge einer Dioptrik der Atmosphäre . . 24
W. Jäqeb und H. Diesselhobst. Bemerkung zu einer Mit-
teilung des Hm. Edm. van Aubel über Wärmeleitung 37 39
M. Thiesen. Ueber das Gesetz der schwarzen Strahlung . . 37 65
0. Lummer und E. Pbingsheim. Ueber die Strahlung des
schwarzen Körpers und des Platins für lange Wellen 37 163
M. Planck. Deduction der Strahlungsentropie aus dem zweilen
Hauptsatz der Thermodynamik 37
A. Gleichen. Eine Notiz über ein System von Wellen-
normalen 41 249
H. Boas. Verfahren und Apparate zur Erzeugung stereosko-
pischer Röntgenbilder auf dem Leuchtschirm .... 41 45
*) An den durch die fettgedruckten Seitenzahlen bezeichneten Stellen finden sich
ausfOhrlichere Mitteilungen über die betrefl'enden Gegenstände.
ly InlialtsyerzeichniB.
Seite *
Ebm. van Aübel. Reponee aux observations de Messieurs
W. Jägeb et H. DiESSELHOBST 54 77
L. Gbaetz. Ueber mechanische Bewegungen unter dem Ein-
flüsse von Kathodenstrablen und Röntgenstrahlen . . 54 58
E. Waebubg. Ueber die Wärmeleitung verdünnter Gase . . 55
6. Quincke. Gustav KAssTENf 71
0. Lehmann. Ueber Structur, System und magnetisches Ver-
halten flüssiger Krystalle 71 72
0. Lummbb. Zu einander complementäre Interferenzerschei-
nungen im reflectirten Lichte 79
0. LuMMEE und F. Kuelbaum. Ueber das Fortschreiten der
photometrischen Helligkeit mit der Temperatur ... 79 89
F. Neesen. Vorführung einer Kolben- Quecksilberluftpumpe . 81 82
0. Schönbock. Ueber die Abhängigkeit der specifischen Drehung
des Zuckers von der Temperatur 81
J. Staek. Ueber elektrische Wirkungen einer partiellen Er-
hitzung eines durchströmten Gases 81 84
H. Boas. Eine automatische Sprengelpumpe ....... 93
H. Ebebt. Die Dimensionen des dunklen Kathodenraumes bei
verschiedenen Gasen 93 99
P. Lewis (a. G.). Ueber den Einfluss kleiner Beimengungen
zu einem Gase auf dessen Spectrum 93
H. Stabke. Ueber die Reflexion der Kathodenstrahlen . . 107
F. F. Mabtens. Neuer Flammenmesser für Hefnerlampen . 107 108
E. Goldstein. Ueber Spectra von Gasgemengen und von Ent-
ladungshüllen 110
E. Waebubg. E. R. Hoppe f 113
M. Thiesen. Ueber allgemeine Naturconstanten 114 116
Gl. Schaepeb. Ueber den Einfluss der Temperatur auf die
Elaaticität der Metalle 114 122
W. Müllee-Eezbach. Der nach der Verdunstung dynamisch
gemessene relative und absolute Dampfdruck des Queck-
silbers und anderer Flüssigkeiten 114 127
Wi Kaupmann. Versuch einer Erklärung des dunklen Ka-
thodenraumes 114 137
E. Goldstein. Ueber den sogenannten dunklen Kathodenraum 114 142
B. Schwalbe. Nachruf auf G. Kaesten 145 147
E. Waebubg. Bemerkungen über den Nickelstahl 145
E. Bebgeb. Ueber stereoskopische Lupen und Brillen . . . 145 160
Inhaltsverzeichnis. v
8ette
E. Lampe. Nachruf für Professor Dr. Reinhold Hoppe . . 181 183
F. KuRLBAUH und H. Rubens. Ucber die Emission langer
Wellen durch den schwarzen Körper 181
M. Planck, üeber eine Verbesserung der WiEN'schen Spcctral-
gleichung 181 202
J. West, üeber den Telephonographen von Poülsbn . . . 205
M. Planck. Ein vermeintlicher Widerspruch des magncto-
optischen Faradayefiectes mit der Thermodynamik . . 205 206
E. Wabbusq. Üeber die Wirkung der Strahlung auf die
Funkenentladung 211 212
H. Boas. Eine Bemerkung zur Wirkung der SpBENOEL'schen
Quecksilberluftpumpe 211 246
F. Nbesen. Die während der dänischen Expedition, welche
unter Leitung von Adam Paulsen im Winter 1899/1900
nach Island zur Erforschung der Nordlichterscheinungen
entsandt war, vom Maler Grafen Moltke aufgenom-
menen Bilder und die allgemeinen vorläufigen Ergeb-
nisse 211 218
0. LüMMEB. Geschichtliches über das DRAPEK'sche Gesetz und
den schwarzen Körper . . 221
A. Gleichen. Erweiterung der LAPLACE'schen Extinctionstheorie
des Stemenlichtes 221 222
E. Warbübo. Anton Oberbeck t und Eduard KETTELERf • • 235
M. Planck, üeber das sogenannte WiEN'sche Paradoxon . . 235
M. Planck. Zur Theorie. des Gesetzes der Energieverteilung
im Normalspectrum 235 237
H. DiEssELHOBST. UebcT die bisherigen Bestimmungen der
Wärmeleitung 236
Mitteilung betreffend die ,,Annalen der Physik^^ 1
Mitteilungen betreffend die „Fortschritte der Physik" . . 11, 94 u. 181
Mitteilungen betreffend die Versammlung Deutscher Natur-
forscher und Aerzte zu Aachen, 17. bis 22. September 1900 43 u. 107
Mitteilungen betreffend den internationalen Congress für Physik
im August 1900 95, 146 u. 181
Aenderung der Statuten der Gesellschaft 113 u. 145
Aenderung der Redactionsordnung fiir die „Verhandlungen der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft" 182
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
Geschäftliches 53, 54 u. 71
Ycrmögens-Bilanz der Gesellschaft 56
Verlust und Gewinn-Conto der Gesellschaft 57
Aufnahme und Austritt von Mitgliedern 2, 12, 88, 42, 55, 80, 81, 93,
115, 205, 211, 221 u. 236
Mitgliederliste 253
Jahrg. 2. Nr. i.
Verhaudlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Diese Zeitschrift erscheint je nach Bedarf und ist zum Preise von 4 Mark jährlich
zu beziehen durch die Buchhandlungen, Postanstalten, sowie von der Verlags-
buchhandlung Johann Ambrosius Barth in Leipzig.
Sitzung vom S» Ja^nua^r lOOO.
Vorsitzender: Hr. E. Warburg.
Vor Eintritt in die Tagesordnung ertheilt der Vorsitzende
Hrn. P. Drude das Wort zu folgender Ansprache:
Meine Herren! Hr. Prof. Eilhard Wiedemann hat die
Redaction der Annalen kürzlich niedergelegt. Die Wahl als
Hauptredacteur ist auf mich gefallen. Ich habe die Wahl
angenommen, obwohl ich mir der Schwierigkeit meiner Auf-
gabe bewusst bin. Die Hauptstütze zur Erfüllung derselben
sehe ich in der weitern regen Mitarbeit der Deutschen Physi-
kalischen Gesellschaft und daher bitte ich Sie, meine Herren,
dass Sie auch mir Ihr volles Vertrauen schenken. Ich werde
nach Kräften bemüht sein, dasselbe zu rechtfertigen.
Hr. E. Warburg legt darauf eine Abhandlung des Hrn.
Edm. van Anbei vor
sur les conductibilites electriques et thermiques
des metaux.
Hr. J. Elster hält dann einen längern von vielen De-
monstrationen begleiteten Vortrag
über Becquerel-Strahlen
und berichtet dabei gleichzeitig über die neuern Arbeiten des
Hrn. F. Giesel
über Radium-Baryum-Salze und deren Strahlen.
2 VerhandliiDgen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 1.
Lebhafter Beifall wird von der ßehr zahlreich besuchten Ver-
ßammlung, zu der die Mitglieder der Deutschen Chemischen
Gesellschaft, des Electrotechnischen Vereins und des Vereins zur
Förderung des physikalischen und chemischen Unterrichts als
Gäste geladen waren, dem Vortragenden für seine interessanten
Ausführungen gespendet.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. O. Berg, Assistent am Physikalischen Institut der
Universität in Freiburg i. B.
Hr. Dr. M. Maieb in Schanfling bei Deggendorf.
Hr. Dr. ß. Donath in Charlottenburg, Stuttgarterplatz 16.
Durch ein bedauerliches Versehen ist im vorigen Jahrgang
dieser Verhandlungen die Mittheilung ausgefallen, dass auch
Hr. Dr. H. Kbüss in Hamburg, Adolfsbrücke 7
als Mitglied in die Gesellschaft aufgenommen worden ist. Sein
Name ist daher in der letzten Mitgliederliste zwischen No. 219
und 220 einzufügen.
Sur les conductibilites electriques et thertniques
des metaux;
par Mdm^ van Anbei.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 5. Januar 1900.)
(Vergl. oben Seite 1.)
J'ai lu avec gi-and interet rimportant memoire que Messieurs
le Professeur W. Jaeger et le Docteur H. Diesselhorst ont
public recemment dans Sitzungsberichte der Akademie der
Wissenschaften, Berlin, sur les conductibilites electriques et
thermiques de quelques metaux et dont ces deux savants ont
rendu compte ä la Soci^te de physique de Berlin.
Toutefois je prie la Societe de physique de Berlin do
m'autoriser ä präsenter quelques observations au sujet de cc
memoire.
I2i L'une des conclusions, ä savoir que la proportion-
nalit^ entre les conductibilites electriques et thermiques ne so
verifie pas pour les alliages, a ete dejä etablie dans un
travail public par moi, en coUaboration avec Monsieur R. Paillot,
dans le Journal de physique, 3® serie, tome 4, p. 522; 1895.
Le bronze d'aluminium, le constantan et le ferronickel a.vaient
et^ alors 6tudies. Le memoire de Monsieur L. Cellier (Wiede-
MANN, Annalen der Physik, tome 61, p. 511; 1897) a montre
qu'il en etait de meme pour les diverses especes de carbone,
et celui de F. A. Schulze (Wiedemann, Annalen der Physik,
tome 63, numero 13, p. 23; 1897) a prouve que la meme con-
clusion s'appliquait aux divers echantillons de fer.
25i Monsieur Fr. Weber a public en 1880 (G. Wiedemann,
Die Lehre von der Elektricität, 2« edition, page 521; 1893)
un travail sur la loi de G. Wiedemann et Franz, duquel il
resulte que le quotient -7— n'est pas constant, mais diminue
lorsque la chaleur specifique diminue. On aurait, d'apres ce
4 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 1.
physicien, un accord satißfaisant entre le calcul et lea experiencea
en employant la formale:
^=10* (0,0880 + 0,1365c).
II est facile de s*assurer que le r^sultat de Monsieur Fr.
Webeb n'est pas confirme par les soigneuses mesures de M. M.
W. Jaegeb et H. Diessblhobst, ainsi que le prouve le tableau
suivant dans lequel les metaux sont rang^s dans l'ordre de-
croissant du rapport j- , tandis que Ton a inscrit, ä cöte du
nom de chaque m^tal, la valeur de sa chaleur sp^cifique.
constantan 0.42
bismuth 0.12
fer 0.44
»Rothguss« 0.38
platine 0.13
palladium 0.24
6tain 0.22
or 0.13
plomb 0.13
cadmium 0.23
nickel 0.45
argent 0.24
zinc 0.38
cuivre 0.38
aluminium 0.90
3'2l On peut dire que la loi de G. Wiedemann et Fbanz ne
se verifie que pour les metaux purs bons conducteurs (voir la
conclusion de mon travail public en 1895). Je me propose
actuellement ä mon laborataire d'etudier l'influence de la tem-
perature sur la conductibilite thermique des metaux et des
alliages, par la m^thode du mur, en employant un appareil
analogue ä celui dont Monsieur A. Berget s'est servi pour la
mesure de la conductibilite calorifique du mercure.
Je ne manquerai pas de rendre compte de mes resultats
ä la Soci^te de physique de Berlin.
tJber Becquerelstrählen ; von J. Elster.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 5. Januar 1900.)
(Vergl. oben Seite 1.)
In das von mir gegebene Referat über Becquerelstrählen
waren einige bislang noch nicht veröffentlichte, von Geitel und
mir gewonnene Versuchsergebnisse eingeflochten^ über die hier kurz
berichtet werden soll.
Bekanntlich ist die magnetische Ablenkung der Becquerel-
strählen kürzlich von Giesel*) nachgewiesen. Legt man
horizontal auf die Pole eines kräftigen Elektromagneten den
Leuchtschirm und hält einige Centimeter darunter oder darüber
ein Polonium- oder Radiumpräparat, so dunkelt im Momente
des Stromschlusses die eine Hälfte des Schirmes ab, während
die andere aufhellt. Beim Stromwechsel wird die dunkle
Partie des Schirmes hell und die früher helle dunkel. Der
Sinn der Ablenkung geht in den entgegengesetzten über, wenn
das Präparat anstatt unterhalb des Schirmes über demselben
angebracht wird. Wie wir früher**) an dieser Stelle mitteilten,
war es uns nicht geglückt, eine Einwirkung magnetischer Kräfte
auf Becquerelstrählen am Leuchtschirm zu konstatieren. Der
Grund dieses Misserfolges konnte in der Versuchsanordnung,
wie auch in der Natur der strahlenden Substanz Hegen. Da
Hr. GifiSEL vor einiger Zeit eine Quantität (ca. 0,2 g) stark
aktiven Wismuths (Polonium) dargestellt hatte, so benutzten
wir diese zur Wiederholung des Versuches. Wir füllten ein
kleines Schälchen mit dieser Substanz und brachten dieses in
*) F. Giesel. Wied. Ann. 69. p. 834. 1899.
^*) J. Elster u. H. Geitel. Diese Verhandl. 1. No. 7. 5. Mai 1899.
6 VerhandlmigeD der Deutschen phyf^ikal. Gesellschaft- \St. 1.
einen eylindrischen GlBsrecipienten mit abgeschliffenem Rande.
Auf diesen kitteten wir ein Glimmerblättohen, das eben stark
genug war/ dem Luftdrucke zu widerstehen. Diesem Blättchen
lag der Leuchtschirm auf. Im Dunkeln zeigte sich, dem
Lumen des Recipienten entsprechend, ein kreisrunder, leuchten-
der Fleck von etwa 1 cm Durchmesser. Nach Herstellung eines
möglichst hohen Vacuums erraten wir ein kräftiges magnetisches
Feld, dessen Kraftlinien die etwa 4 cm langen Poloninmstrahlen
senkrecht schnitten. Im Momente des Stromschlusses dunkelte
der leuchtende Phosphorescenzfleck vollständig ab. Diese Wirkung
blieb auSy als wir das Poloniumpräparat durch das an sich
weit minder aktive Radiumpräparat ersetzten, das zu den früheren
Versuchen gedient hatte. Die von aktivem Wismuth ausgehen-
den Strahlen scheinen daher weniger steif, wie die des Radiums
zu sein. In jedem Falle ist aber die Erscheinung im freien
Räume leichter zu beobachten, als bei der beschriebenen Ver-
suchsanordnung, da in diesem Falle auch die Radiumstrahlen
eine unverkennbare Einwirkung des magnetischen Feldes
zeigten.*)
*) Hr. Dr. GlESEL hatte ffir den Vortragsabend sein nenestes
Brombarjnmpräparat, das 2.3 g Substanz enthielt, gütigst znr Verffigung
gestellt. Mit diesem, das alle fibrigen bislang von Dr. GiESEL gewonnenen
an Aktivität weit flbertrifft, gelang es Hm. Wakbubg, am folgenden
Morgen mittels passender Bleiblenden einen wohldefinierten Strahl von
10—15 cm Länge zu erzeugen nnd dessen Ablenkung im Magnetfelde
zo studieren. Das Versnchsergebnis bestätigte das Resultat der
Hrn. STEFAN Meter und E. v. SCHWEIDLER, die eine Ablenkung
der Becqnerelstrahlen im Magnetfelde im Sinne einer negativen Elektrici-
tätsbewegung feststellfen. (Phys. Ztschrft. No. 10, p. 113, 1899.) Die
von Hm. WabbüBG getroffene Anordnung war die folgende: Das Prä-
parat wurde in ein Bleikistchen von 6 mm Wandstärke gelegt, dessen
obere Öffnung durch eine Bleiplatte mit einem kreisförmigen Loche von
etwa 12 nun Durchmesser geschlossen wurde. Das Kästchen befand sich
etwa 10—12 cm vertical unterhalb der Pole eines kräftigen RhüMKORFF-
sehen Elektromagneten, die horizontal von dem Leuchtschirm überdeckt
waren. Im Moment des Stromschlusses dunkelte auch hior der Schirm
ganz ab. Beim Kippen des Schirmes in eine solche Lage, dass er nun-
mehr t^ich schräg an die Pole anlegte, fand sich der beträchtlich ver-
schobene Phosphorescenzfleck wieder. Die Verschiebung erfolgte in der
That, wie eine Polbestimmung des Elektromagneten ergab, im Sinne einer
negativen Elektricitätsbewegung im Strahle.
Nr. 1.] Sitzung vom 5. Januar 1900. 7
Versuche rait Radiumpräparaten bei höheren Temperaturen
dürften auf Schwierigkeiten führen, da diese Substanzen gegen
Erhitzung empfindlich sind und leicht einen Teil ihrer Strahlungs-
fähigkeit dauernd einbüssen. Es scheinen die Radiumpräparate
in der That einen aktiven flüchtigen Bestandteil zu enthalten.
Dies zeigt sich, sobald man im Vacuumrohr etwas aktives
Brombaryum entwässert. Ein gekühlter, in das Rohr eingeführter
Glaskörper beschlägt alsdann mit einem kaum sichtbaren Be-
fluge, der aber den Leuchtschirm zu nicht geringerem Leuchten
anregt, als die Substanz, aus der er gewonnen. Nach einigen
Tagen ist die Radioaktivität dieses Befluges, die anfänglich im
Verhältnis zur Menge der strahlenden Substanz als gross bezeich-
net werden niuss, verschwunden. Wir glaubten daher zunächst
der von den Cueie's*) entdeckten inducierten Strahlung gegenüber
zu stehn, doch erwies sich diese Voraussetzung als unzutreffend,
da Abwaschen des Befluges jede Strahlungsfähigkeit vernichtete.
Auch die von Hrn. Giesel**) dargestellten, anfänglich
äusserst wirksamen Poloniumpräparate zeigen ein derartig
schnelles Abklingen, so dass der Verdacht nahe liegt, dass die
radioaktiven Stoffe ihre Fähigkeit, Becquerelstrahlen auszusenden,
um so schneller verlieren, je weiter die Anreicherung an strah-
lender Substanz fortschreitet.
Durch andauerndes Erhitzen im Vacuum (24 Stunden im
ßchwerschmelzbaren Rohre) die Radioaktivität von Baryumbromid
zu zerstören, ist uns nicht gelungen. Die Strahlung erscheint
zwar unmittelbar nach dem Erkalten des Rohres stark herab-
gesetzt, doch erholen sich nach Ablauf einiger Tage die Präpa-
Dio vom Vortragenden ausgesprochene Vermutung, dass die von Hrn.
JAUMANN entdeckte und von Hrn. WARBURG auf ihre wahre Ursache
zurückgeführte Verspätung der Funkenentladun g unter dem Einflüsse der
ßecquerelstrahlung nicht zustande kommen würde, fand Hr. WARBURG
unter Verwendung des von ihm im 17. Jahrgange (No. 8) der Verhand-
lungen der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin beschriebenen Apparates
bestätigt. Hierbei hatten die von dem (besten) GiESEL'schen Präpa-
rate ausgehenden Becquerelstrahlen eine dicke Glaswand zu passiren, um
zu der Funkenstrecke zu gelangen.
*) P. u. S. CURIE. C. R. 129. p. 714. 1899.
**) F. GIESEL Wied, Ann. 69. p. 91. 1899.
8 Verhandlungen der Deutschen physikal Gesellschaft. [Nr. 1.
rate insoweit, als sie fast die anfängliche Intensität der Strahlung
wieder aufweisen.
Führt man derartige Erhitzungen in freier Luft aus, indem
man etwa eine Spur einer radioaktiven Substanz an einem
Platindrahte in einer Bunsenflamme verdampft, so erhöht sich
dadurch die elektrische Zerstreuung der Luft im Beobachtungs-
raume beträchtlich, wovon man sich mittels des von uns zur
Bestimmung der Elektricitätszerstreuung in der freien Atmo-
sphäre konstruierten Apparates''') überzeugen kann.
*) J. ELSTER u. H. Geitel. Physik. Ztschrft. No. 1—2. p. 11. 1899.
EitUges 'Ober Badium^Baryum'Salze und deren
Strahlen;
von JR Gieael.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 5. Januar 1900.)
(Vergl. oben S. 1.)
1. Wird eine geringe Menge einer gewöhnlichen Wismuth-
chloridlösung zu einer Lösung von stark activem Bary um- Chlorid
oder -Bromid hinzugefügt und das Wismuth durch Schwefel-
wasserstoff gefällt, so wird dieses Wismuthsulfid activ, wie
schon am Leuchtschirm zu erkennen ist. Da weder das an-
gewendete active Baryumsalz mit Schwefelwasserstoff einen fäll-
baren Stoff erkennen liess, also kein Polonium enthalten konnte,
noch in dem activ gewordenen Wismuthsulfid Baryum nach-
zuweisen war, so scheint hier eine ähnliche Uebertragung der
Radioactivität vorzuüegen, wie dieselbe kürzlich*) von Cüeie
beschrieben ist. Ausgeschlossen bleibt freilich nicht, dass doch
äusserst geringe Spuren von activen Baryum, das sich dem
chemischen Nachweis entzieht, vom Wismuthsulfid mitgerissen
wurden.
2. Ich habe früher^) ein aus activem Baryumsalz bereitetes
grüngelbes Baryumplatincyanür beschrieben, das sich durch
die Einwirkung der eigenen Strahlen zunächst gelb, dann orange
und schliesslich braunrot färbt. Diese Färbung ist aber nur an
einem Haufen solcher Krystalle zu beobachten. Ein einzelner
Krystall erscheint vielmehr in der Durchsicht hellgelb und
kaum anders gefärbt als das gewöhnliche Baryumplatincyanür.
Bei Kreuzung zweier Krystalle jedoch wird nur braunrotes Licht
hindurchgelassen. Dass wir es hier mit einer Polarisations-
erscheinung analog der am Turmalin beobachteten zu thun
haben, ergiebt die Prüfung mit dem Nicol. In einer Haupt-
lage erscheint der Krystall im durchfallenden Lichte citronen-
gelb, dreht man den Nicol um 90®, jedoch blutrot.
*) P. u. S. CüBTE, Acad^mie des Sciences. Sitzung v. 6. Nov. 1889.
«) F. GIESEL, Wied. Ann. 69. S. 91. 1899,
10 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 1.
Das gewöhnliche wie auch das frisch kristallisirte active
Baryumplatincyanür geben keine derartige Polarisation.
3. Setzt man Steinsalz oder Bromkalium der direkten Ein-
wirkung von Radiumstrahlen aus, so nehmen dieselben nach
einigen Tagen schwach dieselben Färbungen an, wie solche
durch Kathodenstrahlen oder auch durch Einwirkung von
Alkalimetalldämpfen*) erzielt werden.
Sind bei den letzteren gefärbten Salzen Spuren von
Alkahmetallen in Form einer festen Lösung die Veranlassung
der Färbung, so wäre den Radiumstrahlen eine gleiche chemische
Wirkung zuzuschreiben. Es würde hiermit auch in sehr gutem
Einklang stehen, dass, wie ich beobachtet habe^ stark actives
Baryumbromid, welches in einem geschlossenen Gefässe auf-
bewahrt wird und ebenfalls eine gelbliche Färbung angenommen
hat, beim Oeffnen einen schwachen Bromgeruch erkennen lässt.
Beim Chlorid habe ich unter gleichen Verhältnissen nur
einen schwachen Salzsäuregeruch wahrnehmen können. Ozon-
geruch, wie Herr und Frau Cübie angeben, habe ich nicht
bemerken können.
Braunschweig, Dezember 1899.
•) F. GlESEL. Ber. der deutsch, ehem. Gesellschaft. 30. p. 156. 1887.
Druck vob A. llaaok', Berlin.
Jahrg. 2. Nr. ».
Yerhandlungen
der
Deutscüen Püysikalisclien Gesellscliaft.
Sitzung- vom !&• Ja^nua.!* lOOO«*)
Vorsitzender: Hr. E. Warburö.
Der Vorsitzende theilt mit, dass die Redaction der „Fort-
schritte der Physik" Abtheilung I u. II mit dem 1. Januar d. J.
von Hrn. Prof. Dr. R. Börnstein auf Hi*n. Dr. K. Scheel
(Wilmersdorf bei Berlin, Güntzelstr. 43) übergegangen ist, ge-
denkt mit warmen Worten der grossen Verdienste des Hrn.
Börnstein um die Redaction der ,, Fortschritte** und bittet
schliesslich die Mitglieder der Gesellschaft, ihre Sonderabzüge etc.
zum Zweck des Referirens künftig an die genannte Adresse des
Hrn. Dr. K. Scheel senden zu wollen.
Hr. H. Rubens begrüsst die Anwesenden in seinen
Räumen und
demonstrirt die Einrichtungen seines neuen Hörsaales
unter Vorführung einiger Versuche,
darunter ^ auch eines gemeinsam mit Hrn. E« Aschkinass
ersonnenen
Vorlesungsversuches über die magnetische Ablenk-
barkeit der Becquerelstrahlen.
Hr. E. Aschkinass zeigt
einen Vorlesungsversuch mit flüssiger Luft.
*) Während die Sitzungea sonst regelmässig in dem Physikalischen
Institut der Universität stattfinden, hat sich diesmal die Gesellschaft auf
Einladung des Hm. Prof. Dr. H. RUBENS in dem neuerbauten physika-
lischen Hörsaale der Technischen Hochschule versammelt.
12 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
Hr. E. Wabbtjbg legt eine Mittheilung des Hrn. W. Heuse
vor
über die Glimmentladung des Helium.
Hr. H. du Bois spricht dann nach gemeinsamer Arbeit
mit Hrn. 0. Liebknecht
über moleculare Susceptibilität der Salze
seltener Erden.
Hr. M. Planck legt endlich eine Arbeit des Hrn. N. Schmidt
(München) vor betreffend
eine Beobachtung an sensiblen Flammen.
Als Mitglied wird in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. Lüdeling in Potsdam, meteorologisches Institut. i
Vorlesungsversuch über die magnetische AMenh-
barkeit der Becquerelstrahlen;
von H, Rubens und E. Aschkinass.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. Januar 1900.)
(Vergl. oben S. 11.)
Durch die Beobachtungen von Giesel^) sowie von St. Meyeb
und E. V. ScHVVTEiDLER^) ist die magnetische Ablenkbärkeit der
Becquerelstrahlen neuerdings nachgewiesen worden. Die Ver-
suchsanordnung der genannten Forscher brachte es jedoch mit
sich, dass der thatsächliche Verlauf der Strahlen nur schwer
zu übersehen war. Dieser Umstand veranlasste bereits die
Hrn. Warburö und Elsteb (wie wir durch mündliche Mit-
teilung erfuhren) die angewandte Untersuchungsmethode in der
Art zu variiren, dass die Wirkung des magnetischen Feldes in
noch eclatanterer Weise in die Erscheinung trat. Als Beobäch-
tungsmittel diente in allen diesen Fällen der Leuchtschirm oder
die photographische Platte.
Ein viel empfindlicheres Reagens für das Vorhandensein
von Becquerelstrahlen bietet jedoch ihr Einfluss auf eine Fucken-
strecke dar. Besonders geeignet schien uns nach unseren eigenen
Versuchen die folgende von Elster und Geitel^) angegebene
Beobachtungsmethode zu sein: Eine stark gekrümmte positive
Elektrode (abgerundeter Stab) steht einer negativen Elektrode
von geringer Krümmung (z. B. Kugel von 25 mm Durchmesser)
gegenüber. Dieselben sind mit einer Influenz-Elektrisirmaschine
verbunden und so weit von einander entfernt, dass — bei nicht
zu reichhcher Elektricitätszufuhr — gerade noch ein regelmässiger
Funkenübergang stattfindet. Bei Annäherung einer radioactiven
Substanz erlöschen dann die Funken und es tritt Glimment-
ladung ein. Ein Uebelstand dieser Methode besteht darin, dass
die OberflächenbeschafEenheit der Elektroden sich ziemlich schnell
*) F. GIEBEL, Wied. Ann. 69, p. 834, 1899.
«) ST. Meyer und E. v. SCHWEIDLER, Physik. Ztschr. 1, p. 113, 1899.
3) J. ELSTER und H. GEITEL, Wied. Ann. 69, j). 673, 1899.
14 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
ändert, und dies hat zur Folge, dass eine Erneuerung ihrer
Einstellung erforderlich wird und die Empfindlichkeit abnimmt.
Man ist daher gezwungen die Elektroden häufig zu putzen.
Es gelang uns indessen durch eine geringe Abänderung,
jenen Uebelstand zu beseitigen, ohne dass die Empfindlichkeit
herabgesetzt wurde. Wir schalteten nämlich parallel jener ersten
Funkenstrecke A eine zweite jB, welche beiderseits von gleich-
grossen Kugeln begrenzt wurde. Zunächst wird A so lang gemacht,
dass gerade kein Funkenübergang mehr stattfindet; die Kugeln
von B werden hierauf einander so weit genähert, dass zwischen
ihnen stetig Funken übergehen. Wird nun A von activer Sub-
stanz bestrahlt, so erlöschen die Funken auch in £, während
eine Bestrahlung von B keinen merklichen Einfluss besitzt
Mittels dieser Methode gelingt es nun leicht auch die
magnetische Ablenkbarkeit der Becquerelstrahlen einem grossen
Auditorium zu demonstrieren. Wir benutzten ein Radium-Präparat
GiESEL'scher Herkunft von mittlerer Wirksamkeit. Damit ein
einigermassen paralleles Strahl cnbündel zustande käme, befand
sich dasselbe im Innern eines starken, 5 cm weiten Bleirohres.
Die Strahllänge innerhalb des letzteren betrug 12 cm. An der
Rohrmündung waren zwei Zapfen befestigt, welche in die durch-
bohrten Polschuhe eines RuHMKORPF'schen Elektromagneten
hineingesteckt wurden, so dass das Rohr um eine horizontale,
in der Feldrichtung verlaufende Axe gedreht werden konnte.
Die Verlängerung der Axe des Bleirohres traf in 20 cm Ent-
fernung die Funkenstrecke A.
Zunächst wurde das Rohr in horizontaler Stellung festgelegt;
weder in A noch in B traten Funken auf. Wurde nun aber
der Magnet durch etwa vier Accumulatoren erregt, so entstand
ein lebhaftes Funkenspiel in B. Denn die Strahlen wurden so
stark abgelenkt, dass die Strecke A fbezw. die die letztere um-
gebende Luft) nicht mehr von ihnen getroffen wurde. (ControU-
versuche lehrten, dass es sich thatsächlich um eine Ablenkung
der Strahlen handelte und nicht etwa um einen Einfluss des
Feldes auf die in der Luft erzeugten Jonen). Indem man
nun den Strahlen, welche das Bleirohr durchsetzten, durch
Drehung des letzteren eine bestimmte, von der horizontalen
abweichende Richtung gab, konnten die Funken wieder zum
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 15
Verschwinden gebracht werden. Wurde hierauf bei dieser neuen
Stellung des Rohres der Magnetisirungsstrom geöffnet, so setzten
die Funken von neuem ein, und ein Commutiren des Stromes
machte eine Drehung des Rohres nach der entgegengesetzten
Seite wie vorher erforderlich, um ein Verschwinden der Funken
zu erzielen. Der Ablenkungssinn der Strahlen entsprach — in
Uebereinstimmung mit den Resultaten der eingangs citierten
Autoren — jedesmal der Richtung, in welchem sich negativ
geladene Teilchen unter dem Einflüsse eines magnetischen Feldes
bewegen müssen. Der Betrag der erforderlichen Drehung des
Rohres Hess in Anbetracht der ziemlich geringen Feldstärke
(200 — 300 C. G. S.) erkennen, dass die Ablenkbarkeit der
Becquerelstrahlen eine sehr beträchtliche Grösse besitzt.
Charlottenburg, Physik. Inst. d. Techn, Hochsch., Januar 1900.
Ueber die Glimmentladung im, Helium^;
von W. Heuse.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 19. Januar 1900.)
(Vergl. oben S. 12.)
§ 1. Collie und Ramsay^) haben einige Versuche über
die elektrische Entladung im Helium gemacht; nach ihnen
„zeigt eine PLÜCKEß'sche Röhre die Erscheinungen einer Vakuum-
röhre schon bei gewöhnlichem atmosphärischem Druck.**
Im folgenden teile ich einige nähere Angaben über das
Verhalten des Heliums bei der Glimmentladung mit. Das Gas
wurde durch Erhitzen fein gepulverten Cleveit's gewonnen, ge-
trocknet und durch heisses Kupferoxyd vom Wasserstoff befreit.
Das benutzte GEissLEß'sche Rohr hatte 24 mm Durchmesser,
180 mm Länge. Die Kathode war ein Stahldraht von 2 mm
Dicke.
§ 2. Ergebnisse : 1) Wenn bei Herabsetzung des Drucks in
einem GEissLEB'schen Rohr die Funkenentladung in die Glimm-
entladung übergeht, so verbindet zuerst ein schmaler leuchtender
Streifen die beiden Elektroden. Wird der Druck mehr und
mehr verringert, so tritt zunächst der FABADAY'sche dunkle
Raum deutlich auf, mehr und mehr sich verlängernd, wobei
der positive Büschel breiter und kürzer wird und sich alsdann
in hinreichend weiter Röhre auf eine Lichthaut an der Anode
zusammenzieht, um sich hierauf weiter zu verlängern und
schliesslich in helle und dunkle Schichten zu zerfallen. Die
Drucke, bei welchen die verschiedenen geschilderten Stadien der
GHmmentladung auftreten, sind verschieden für die verschiedenen
Gase, höher im Wasserstoff als im Stickstoff, höher im Hehum
als im Wasserstoff. Es wurden Photographien der Glimm-
entladung in Wasserstoff und Hehum gezeigt, aus welchen dies
hervorgeht. Bei einem Druck von 28,1 mm war der an die
Röhrenwand anschUessende positive Büschel 114 mm, der
') Ztschr. phys. Cham. J9, 701, 1896.
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 17
dunkle Raum 36 mm lang. Ungefähr dasselbe Bild zeigte Wasser-
stoff bei 3,9 mm Druck. Im Wasserstoff von 10,5 mm Druck
hatte der positive Büschel die Glaswand noch nicht erreicht
und erstreckt sich mit zugespitztem Ende beinahe bis an die
Kathode, durch einen sehr kleinen dunklen Raum von dieser
getrennt.
§ 3. 2) Hierunter folgen einige Angaben über den in der
gewöhnlichen Weise mittelst Sonden bestimmten Potential-
gradienten G in Volt per Centimeter im positiven ungeschichteten
Licht im Helium.
Stromstärke i = 0.52 • 10 "^ ^.
p 12.53 11.44 10.46 9.64 8.73 8.00 7.36 6.68 6.08 5.18
G 34.0 31.5 28.9 26.7 24.8 22.7 20.8 19.3 17.7 17.2
G/p 2.72 2.75 2.77 2.77 2.84 2.84 2.82 2.89 2.91 2.93
G/p nimmt, wie bei anderen Gasen, mit abnehmendem
Druck zu, aber verhältnismässig wenig.
Die folgende Tabelle soll zur Vergleichung des Verhaltens
verschiedener Gase dienen. Der Röhrendurchmesser 2 R, auf
welchen die Beobachtungen sich beziehen und welcher den
Gradienten zwar merklich aber nicht bedeutend beeinflusst, ist
mitverzeichnet.
P.
2R
G
G/P
Beobachter
Quecksilber
13.1
24 mm
16.9
1.29
W. Heusb')
lleUum
12.5
25 „
34.0
2.72
>»
»»
8.0
25 „
22.7
2.84
»»
Wasserstoff
8.37
15 „
242.7
29.0
a; Herz^)
Stickstoff
8.0
15 „
3135,
39.2
II
Ordnet man also die genannten Gase nach steigendem
Wert des unter den gleichen Verhältnissen genommenen Gra-
dienten, so erhält man die Reihenfolge; Quecksilber, Helium,
Wasserstoff, Stickstoff.*
§ 4. Für das Kathodengefälle im Helium ergeben sich an
der benutzten Stahlelektrode Werte, welche bei Drucken zwischen
8.17 und 12.88 zwischen 302 und 313 Volt lagen.
») Diese Verhandlungen. 1. S. 270. 1899.
«) A. HEBZ, Wied. Ann. Bd. 54, 1895.
18 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
Zu den in §§ 3 und 4 mitgeteilten Messungen diente eine
Hochspannungsbatterie von 1200 Volt.
§ 5. Es wurden auch die Spektren des Kathodenlichts
und dfes positiven Büschels aufgenommen. Die Linien, welche
siöh in jenem vorzeigten, wurden auch in diesem gefunden.
Ausserdem aber zeigte das positive Licht eine Anzahl von
Linien und Banden, welche in dem Kathodenlicht nicht ge-
sehen wurden. Es scheint daraus hervorzugehen, dass man es
hier mit zwei verschiedenen Spektren des Heliums zu thun hat.
Nähere Angaben bleiben einer späteren Mitteilung vorbehalten.
^feerlin, physikalisches Listitut, den 19. Januar 1900.
Moleculare StiscepHbilltät der Salze seltener
Erden;
von H. du Boi8 und O. Liebknecht.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. Januar 1900.)
(Vergl. oben p. 12.)
Eine gleichbetitelte vorläufige Mitteilung wurde im ersten
Bande dieser Verhandlungen (p. 236) von uns veröffentlicht/)
zu der auf p. 275 eine Bemerkung des Herrn Stefan Meyeb
erschien. Leider hatten wir damals eine ältere Arbeit der
Herren L. F. Nilson und 0. Pettersson übersehen ; auf Ver-
o
anlassung dieser Chemiker hatte Herr K. Angstböm den mag-
netischen Charakter verschiedener Oxyde bestimmt, indem er
sie in einem Glasröhrchen zwischen den Polen eines Ruhmkoeff'-
schen Elektromagnets — also in Luft — untersuchte.^)
Er fand:
Paramagnetisch: CrjOg, FcaOa, Y2O3, CeOj, DiaOj, ErjOa, Y\0^\
Diamagnetisch u. A.: Be2 O3,') SojOg, La^Os, ThOj.
Wie wir ferner a. a. O. p. 239 bemerkten, waren Messungen
an unreinen Cerium- und Didymsalzen längst von G. Wiedbmann
veröffentlicht worden; die moleculare Susceptibilität der ersteren
fand er etwa gleich derjenigen der Kupferoxydsalze, während
der von uns ermittelte Wert etwa 50 Proc. gi'össer erscheint.
Das Didym ist bekanntlich erst von Auer v. Welsbach in
Praseodym und Neodym zerlegt worden.
Betreffs der qualitativen Feststellung des Paramagnetismus
der Verbindungen der seltenen Erden gebührt demnach Hm.
') Vgl. auch fl. DU BOIS und O. LIEBKNECHT, Ann. der Physik 1.
p. 189, 1900, und Chem. Ber. 32. p. 3341, 1899. —
2) L. F. NiLSON u. O. PETTERSSON, Chem. Ber. 13. p. 1465, 1880:
o
Wied. Beibl. 4. p. 635, 1830. Wir haben diese Bestimmungen K.AngströM'S
weder im G. Wiedbmann 'sehen, noch im WiNKELMANN'schen Hand-
buch erwähnt gefunden; auch in Upsala haben wir darüber nichts erfahren,
o
wo freilich Hr. K. ANGSTBÖM seiner Zeit nicht anwesend war.
«) Neuerdings ist Beryllium als zweiwerthig erkannt worden;
A. ROSKNHEIM u. P. WOGE, Ztscbr. f. anorg. Chem. 15. p. 283, 1897.
20 Verhandlungen der Deutschen phjsikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
o
K. Angström die Priorität; denn dass die nahe verwandten
Elemente Samarium und Gadolinium sich anders verhalten
sollten, war von vornherein höchst unwahrscheinlich. Daher
kann nach nunmehr zwanzig Jahren eine Prioritätsfrage hier-
über zwischen Hm. St. Meyer und uns nicht wohl aufge-
worfen werden*).
Was nun femer die nähere quantitative Erforschung dieses
Gebietes anbelangt, so ist sie von Hrn. St. Meyer auf
trockenem, von uns auf nassem Wege in Angriff genommen
worden. Wir halten unsere Methode der unmagnetischen Lösungen
für erheblich einfacher, leichter ausführbar und genauer; überdies
haben wir uns dabei der neuesten und reinsten bisher darge-
stellten Präparate bedient.
Wir fanden, dass die »Verdünnung« der unmagnetischen
Lösung, welche ein direktes Maass für die spezifische Suscepti-
bilität des gelösten Salzes bildet, für Mangan und Eisen einer-
seits durchaus vergleichbar ist mit der für Gadolinium imd
Ii]rbium andererseits; infolge der etwa dreifach höheren Atom-
gewichte der letzteren Metalle erscheint die moleculare Suscep-
tibilität ihrer Salze dementsprechend freilich viel grösser. Unserer
Ansicht nach kann man dieses Verhalten nicht in der Weise
ausdrücken, dass man die Erbium Verbindungen cet. par. für
viermal stärker magnetisch erklärt als die Eisenverbindungen,
wie es Hr. St. Meyer thut.
Dieser Forscher stellt ferner a. a. O. p. 276 einen Ver-
gleich an zwischen den von ihm ermittelten Atommagnetismen
der in trocknen Verbindungen erhaltenen seltenen Erdmetalle
und der von uns für die gelösten Salze gefundenen molecularen
Susceptibilität; er giebt folgende relative ganze Zahlen an:
Pr ; Nd : Sa ; Gd ; Er
St. Meyer 2 : 5 : 10 : 23 : 40
DU Bois-Liebknecht 3 : 5 : 12 : 26 : 37
ßetreifs der von Hrn. St. Meyer erwähnte» Mitteilung von
O. Liebknecht und A. P. Wills, diese Verband!. 1. p. 170, 1899 ge-
statten wir uns zu bemerken, dass es sieb um ein nur drei Seiten langes
Referat über einen längeren Vortrag mit Demonstrationen der benutzten
Apparate und unmagnetiscben Lösungen bandelt.
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 21
Wie wir a. a. 0. p. 240 schon bemerkten, können diese
Resultate zwar als im Grossen und Ganzen mit einander im Ein-
klang stehend betrachtet werden; eine ȟberraschend gute Ueber-
einstimmung« vermögen wir in obiger Zusammenstellung indessen
nicht zu erkennen. •)
Schliesslich bemerkt Hr. St. Meyer dass der Paramagne-
tismus der Yttriumverbindungen wohl nur von Verunreinigungen
(hauptsächlich Erbium) herrührt; in diesem Punkte stimmen
wir ihm bei. In dem uns von Hrn. P. T. Cleve gütigst zur
Verfügung gestellten Yttriumsulfat hätte das Metall ein schein-
bares Atomgewicht 89,5; von der allerreinsten Verbindung, der
das Atomgewicht 89,0 zukommt, war leider zu wenig vorhanden.
Setzt man den Unterschied auf Rechnung von Erbium, so wird
nach unseren Ergebnissen die gefundene moleculare Suscepti-
biütät des Yttriumchlorids dadurch allein schon nahezu bedingt;
es ist also auch aus diesem Grunde wahrscheinlich, dass das
Yttrium mit seinem weit niedrigeren Atomgewicht sich in
magnetischer Beziehung anders verhält wie die übrigen sieben
seltenen Erdmetalle mit Atomgewichten zwischen 140 und 173.
Im Uebrigen haben wir uns einer Beurteilung der Reinheit des
benutzten Materiales ausdrücklich enthalten, weil es sich hier
um zu specielle, recht schwierige chemische Fragen handelt.
>) Vgl. übrigens die Bemerkungen J. KOENiGSBEEGER's Wied. Ann.
66. p. 698, 1898 und Ann. der Physik 1. p. 175, 1900, über das Verhalten
paramagnetischer Verbindungen im festen trocknen bezw wasserfreien
Zustande. Zur Entscheidung der wohl noch kaum genügend aufgeklärten
Frage, ob und wie sich hier die Susceptibilität mit der Feldstärke ändert,
schlägt Dr. KOENIGSBERGER eine nicht näher specifizirte Nullmethode
vor, die sich an das von uns ausgebildete Verfahren anlehnen dürfte.
JE}lne Beobachtung an sensiblen Mammen;
von N. Schmidt.
(Aus dem pht/sikaUschen Institut der Universität München.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 19. Januar 1900.)
(Siehe oben S. 12.)
Läset man Leuchtgas aus einer vertikalen Glasröhre, deren
oberes Ende zu einer Spitze ausgezogen oder bis auf eine
1 — 1,5 mm weite Öffnung zugeschmolzen ist, unter dem Druck
einer Wassersäule von etwa 15 cm Höhe anströmen, so erhält
man eine 40 — 60 cm lange ruhig brennende, schlanke Flamme,
die für jedes Geräusch und für Töne von einer gewissen Höhe
an empfindlich ist, wie aus einer Reihe von Arbeiten über
sensible Flammen bekannt ist.
So oft ein Geräusch oder ein hoher Ton in ihrer Nähe
erregt wird, beginnt sie zu zischen oder zu brausen, wobei sie
sich etwa um die Hälfte verkürzt und in ihrem obern Teil ent-
weder die Form eines glänzenden Lichtbüschels annimmt oder
sich in zwei schwalbenschwanzförmige Äste zerteilt, während
der untere Teil keine auffallende Veränderung zeigt. Von
einer Verstärkung des Tones durch die Flamme ist hierbei
nichts währzunehmen.
Lässt man zwei hohe Töne, etwa die Töne zweier Galton-
pfeifchen erklingen, die mit einander im Einklang stehen, so
tritt dieselbe Erscheinung auf, als wenn nur einer derselben
auf die Flamme einwirkte. * Verändert man jedoch die Ton-
höhe des einen Pfeifchens, so verliert die Flamme die Form,
die sie beim ErkHngen eines einzigen angenommen, und sie
zeigt sich zugleich als ein kräftig wirkender Resonator auf den
Differenzton der beiden.
Sind die beiden Töne nur um wenige Schwebungen ver-
schieden, so sieht man den obern Teil der Flamme im Takte
der Schläge lebhaft auf und niederhüpfen; bei allmählicher Er-
weiterung der Differenz der beiden Töne sieht man zuerst die
Flamme immer schnellere Zuckungen ausführen, später hört
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 23
man den Differenzton von der Tiefe aus rollend emporsteigen
und kann ihn mit grosser Deutlichkeit verfolgen, bis seine
Höhe 2—3000 Schwingungen beträgt.
Die Stärke der Resonanz ist hierbei wesentlich von der
Empfindlichkeit der Flamme abhängig; der tiefere Primärton
muss bereits so hoch sein, dass er, allein tönend, eine kräftige
Deformation der Flamme hervorruft, wie dies bei den Versuchs-
flammen etwa vom c^ e= 4096 Schwingungen an der Fall war.
Je nach der Anzahl der Obertöne, welche die Primärtöne
mit sich führen, d. h. je nach ihrer Klangfarbe findet eine
verschiedenartige Verstärkung der Differenztöne statt, worauf
an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll, ebenso
wenig wie auf Differenztöne höherer Ordnung.
Die empfindliche Flamme läest die Differenztöne auch da
noch deutlich erkennen, wo die Wahrnehmung derselben durch
ein normales Ohr vollständig aufgehört hat, wie dies bei den
höheren Tönen der Galtonpfeifen der Fall ist.
Bei den höchsten Tönen der Galtonpfeifen stellen sich
wegen des intensiven Blasegeräusches Schwierigkeiten bei der
Beobachtung von Differenztönen ein, bis zu einer Tönhöhe von
etwa 30 000 Schwingungen sind diese jedoch deutlich von
jedem Ohr wahrzunehmen.
Die empfindliche Flamme gibt also ein einfaches Hilfs-
mittel zur Bestimmung der Schwingungszahlen hoher Töne
mittels der Differenztonraethode an die Hand, indem sie die
Differenztöne beträchtlich verstärkt, und sie gestattet auch noch
die sichere Handhabung dieser Methode auf einen viel weiteren
Bereich, als dies bisher möglich war.
In einer demnächst erscheinenden Abhandlung werden die
Ergebnisse einer eingehenden Untersuchung dieses Phänomens
mitgeteilt werden.
Grundüfüge einer IHoptrlk der Atmosphäre;
von A. Gleichen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 1. December 1899)
(Vergl. diese Verhandlungen Jahrg. 1. S. 246.)
1. Definition des brechenden Mediums. Ausgangs-
punkt der Refraktionstheorien. Es wird vorausgesetzt,
^ass der Brechungsexponent ft der Atmosphäre nur eine Funktion
der Entfernung des betrachteten Punktes vom Mittelpunkt M
der Erde sei, dass er also constant sei in unendlich dünnen
concentrischen Schichten um diesen Mittelpunkt, Ein aus dem
Weltraum kommender Lichtstrahl durchdringt die Atmosphäre als
einfach gekrümmte Linie, indem von Schicht zu Schicht eine
Brechung nach dem Brechungsgesetz vouSnelliüs stattfindet. Con-
struiert man sich in irgend einem Punkte P dieser Strahlencurve die
Tangente, so giebt diese die Richtung des Strahls im Punkte
P an; der Winkel den sie mit der nach aussen verlängerten
Normalen MF bildet, heisst der Einfallswinkel t, der Winkel
dagegen, den sie mit der Richtung des Lichtstrahls vor der
Brechung durch die Atmosphäre bildet, wird Ablenkung oder
Refraktion C genannt. Für den beUebigen Punkt P in der
Entfernung r von M sind seit langer Zeit folgende beiden
Gleichungen bekannt*):
I. p . r sin t ^ ^ = constans
IL dC ^ "^^"^
„Die Strahlenconstante** y ist für alle Punkte des Weges eines
Lichtstrahls dieselbe und ändert sich nur, wenn mau von einem
Strahl zu einem benachbarten übergeht. Gleichung II lässt
sich integrieren, sobald /i als Funktion von r bekannt an-
genommen wird. Gleichung I und II sind der Ausgangspunkt
aller Refractionsthcoricn.
') Siehe Z.B.BRÜNS: Die astronomische Strahlenbrechung. BRONNOW,
Lehrbuch der sphärischen Astronomie.
[Nr. 2.
Sitzung vom 19. Januar 1900.
25
2. Formulierung der Aufgabe. Zweiteilung des
Problems. Wir untersuchen, welche Modifikationen ein von
einem Punkte A (Figur)
ausserhalb der Atmosphäre
ausgehendes Bündel bei
seinem Gange diu-ch die
Atmosphäre erleidet. Wir
sehen voraus, dass es eine
astigmatische Deformation
annehmen wird, dass ferner
der sogenannte sekundäre
Bildpunkt, der von den
Sagittalstrahlen gebil-
det wird, im Schnitt-
punkte A des Strahls mit
der verlängerten Geraden
AM liegt. Um den pri-
mären Bildpunkt zu finden,
haben wir nur zwei ein-
ander unendlich nahe Strah-
len im Hauptschnitt
zu verfolgen und ihren
Schnittpunkt Z>* nach der
Brechung aufzusuchen.
Haben wir auf diese Weise
die Natur der gebrochenen
Bündel erkannt, so können
wir durch Vergleich zur
Bündelaxe senkrechter
Querschnitte dielntensitäts-
verhältnisse bestimmen nnd
schliesslich durch Integra-
tion auch die Lichtwirkun-
gen ausgedehnter Flächen
feststellen.
Wir haben die beiden
Fälle zu unterscheiden, dass
das Bündel auf der einen
Seite ein-, auf der andern
26 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
Seite der Atmosphäre wieder in den Weltraum austritt, und
zweitens, dass es auf die Oberfläche unserer Erde gelangt und
hierdurch am weiteren Fortschreiten behindert wird.
3. Formeln für ein die Erdatmosphäre durch-
dringendes Bündel. In der Figur sei A der lichtaussendende
Punkt, ABC und AB^C^ zwei benachbarte Strahlen im Haupt-
Bchnitt, wobei die Strecken BC und B^C^ gekrümmte Curven
sind. D^ ist der primäre Bildpunkt, in welchem die die
Atmosphäre verlassenden Strahlen sich schneiden. Er ist dem
Falle der Natur entsprechend in der Zeichnung virtuell dar-
gestellt. Der Punkt A ist einer früheren Bemerkung zufolge
der secundäre Brennpunkt; in ihm ist der Bündelquerschnitt
eine unendliche kleine Gerade, sogenannte sekundäre Brenn-
linie, die in der Papierebene senkrecht zur Bündelrichtung liegt.
(In der Figur ist diese kleine Gerade bei Punkt D dargestellt,
den man sich wiegen der geringen Entfernung der beiden be-
nachbarten Strahlen als mit A zusammenfallend denken muss.)
Die primäre BrennUnie befindet sich im Punkte Z>* und iteht
senkrecht zur Papierebene.
In der Figur setzen wir: ^ -ff = a
BS = b
SC= b'
CD\= a'
BC = e
BM = CM =R
Wegen des symmetrischen Verlaufs der Strahlen durch
die Atmosphäre kann man noch setzen:
2(.ABN-2CACN^=^a
2CCBM=2CBCM =y5
Hierbei ist der Punkt S gewonnen durch geradlinige Verbindung
und Verlängerung der Punkte BC und B^C^.
Auf das so entstandene hypothetische Bündel (in der Figur
sind die betreffenden Geraden gestrichelt) wollen wir jetzt
die allgemeine Gesetze der Richtungsveränderungen gerad-
liniger Strahlensysteme anwenden, wie sie in den Annalen der
Physik und Chemie, Neue Folge 1888, Band 35 Seite 100 u. f.
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 27
angegeben sind, mit Berücksichtigung der in der Figiir an-
genommenen Lagen der Bildpunkte.
Für das hypothetischo Bündel ABB^ und SBB^ ist
i2cosa
(2) 5—= /
dß ^
iß
Für das zweite hypothetasche Bündel SCC und D^CQ gilt, da
für dasselbe die Grössen / und /' mit den entsprechenden
Grössen des ersten Bündels identisch sind, die Gleichungen
Ausserdem ist:
(5) 6*-6 = « = 2i2cos/9
Aus den Gleichungen (1) bis (5) ergiebt sich nach gehörigen
Umformungen durch Elimination von h und h^
(6) 1 . 1 _^(^~S.
a-fi2cosa — a*+Äcosa i2cosa
Fällt man jetzt von M liOte auf die Richtung des einfallenden
und austretenden Bündels und rechnet von deren Fusspunkten
Fund V die Entfernungen f und f * des leuchtenden Punktes
und des primären Bildpunktes, so erhält man:
f = a + jB cos a
fi=at— jfjeosa
und Gleichung (6) giebt:
(7) 1 l^^ 'V^ da ) ^^ dja-'ß) ^\
^ ^* Äcosa ^ /Jrfsina '^ f>
28 Yerhandlangen der Dentschen pbysikal. Qesellschaft. [Nr. 2.
Wegen der Symmetrie der Strahlencurve ist die Gerade
BC parallel der Tangente, die ich in dem Symmetriepunkt
d. h. in dem Punkte, wo die Curve senkrecht zum Radiusvektor
verläuft, construieren kann. Infolgedessen ist <■ SDA = a — ß
die Refraktion in diesem Symmetriepunkt, die wir gemäss der
Seeliger'schen Bezeichnung als „horizontale Refraktion" 9 be-
zeichnen wollen.
Die Gleichung I. /jl ,p sin t = ^, welche für jeden Punkt des
Strahlenweges gilt, wollen wir für den Punkt B aufschreiben,
für den i in a und // in Eins und r in 22 übergeht. Also ist
R sin = 7-.
Demnach wird Gl. (7):
Man erkennt also, dass Fund F* conjugiei-te Punkte für die
in der Hauptebene verlaufenden Strahlen sind, und die zu-
gehörige Brennweite durch die Grösse
bestimmt ist.
Ist K der Punkt, in welchem der aus und eintretende
Strahl sich schneiden, so findet man zur rechnerischen Be-
stimmung des sekundären Bildpunktes A sofort aus der Figur
(10)
Die Brennweite der Sagittalstrahlen vom Punkte K aus ge-
rechnet ergiebt sich also gleich -^^~r
Für die weiteren Entwickelungen ist es vorteilhaft, die
Entfernungen im sagittalen Teile des Bündels ebenfalls von den
Punkten V und F* aus zu rechnen. Wir setzen
AK=$+ VK
AJS:=7*-f VK
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 29
wenn A V^ = rj^ gesetzt wird. Führt man diese Werte in
10 ein und berücksichtigt, dass VK = F'Ä'=7'. tg# ist, so
erhält man
(11) f,i_^cotg2*(f+V) + r*.
woraus sich für die Brennweite, gerechnet vom Punkte V^ aus
ergiebt:
(12) ^ = rcotg2*
Durch die Gleichungen (9) und (11) ist das Bündel vollständig
bestimmt, es hängt in seinen Eigenschaften liur von den beiden
Constanten S und y ab, die jetzt näher zu bestimmen sind.
4. Bestimmung der Constanten & und y nach der
IvoEY'schen Refraktionstheorie. Um die Constanten i^
und y für Bündel zu bestimmen, die in verschiedenen Höhen
die Atmosphäre durchdringen, muss man Annahmen über die
Constitution der Atmosphäre machen hinsichtlich der Aen-
derungen des Brechungsexponenten. Jede der vorhandenen
Refraktionstheorieen kann hierzu dienen, wir schliessen uns in
Folgendem der IvoEY'schen an.
Hiernach bestehen die Gleichungen*):
^-^ = * = l--f4-f;+^/lognat^
l + 4(/^'-l)
2
Hier bedeutet h die Höhe, in welcher ein Strahl über der Erd-
oberfläche verläuft d. h. die Entfernung des Symmetriepunktes
der Strahlencurve von der Erdoberfläche gemessen in Richtung
nach dem Mittelpunkt M hin. Die Grössen/, ß, u^ (Brechunge-
exponent an der Erdoberfläche) sind Constanten und haben die
3400
Werte: f= |; loy ß = 2,888588; //, =- 33^^
*) Siehe Seeliger : Abhandlungen der Akademie der Wissenschaft
zn München II. CK XIX. Bd. II. Abth.
30 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. (Nr. 2.
Femer bedeutet X die Dichte in der Höhe ä, wobei für
Ä = 0, ^ = 1 angenommen wird-
Es zeigt sich als vorteilhaft, die Grössen y und * als
Funktionen von i darzustellen. Zu dem Zweck wenden wir
die Gleichung 1. fi R sin i=T ^-uf den Symmetriepunkt der Curve
an und müssen setzen t=90^ i2 = /> -f-A und erhalten
1+4. (ft»-l)'
y-=/i. (r + A) = ^=/>.
hierdurch erscheint y direkt als Funktion von L
Für die horizontale Refraktion d^ liefert die IvoRY'sche
Theorie direkt:
d= 1859,22;+ 178,57 yl^
wobei als Einheit die Winkelsekunde genommen ist.
Aus den beiden letzten Gleichungen kann pian nun für
jede beliebige Dichte sofort die Grösse ^ und nach vollzogener
Differentiation die Grösse ip numerisch berechnen. Aus der
Dichte kann man dann ^.uch leicht nach den angegebenen
Formeln die zugehörige Höhe finden. Die numerische Rechnung
kann man sich sehr erleichtern, wenn man die von Seeligeb
in der oben angeführten Abhandlung aufgestellte Tabelle für
die Grösse 1000. (- - l) benutzt.
Für ein Bündel, das in der Höhe ä = 0, also die Erd-
oberfläche streifend die Atmosphäre durchdringt, findet man
ip = — 0,0623 und (p = 50,8, für ein Bündel dagegen, das in der
Höhe von 7 Meilen über der Erde sich befindet^ ist ^ = — 103
und ^ = 181200, wo als Einheit immer der Erdradius an-
genommen wird.
5. Berechnung der Helligkeit an einer beliebigen
Stelle des austretenden Bündels. Querschnitt des von
A ausgehenden Strahlenkegels in der Einheit der Entfernung
sei dw, an der Eintrittsstelle in die Atmosphäre senkrecht zur
Bündelaxe da, Schnittfläche des Bündels mit der Atmosphären-
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 31
Oberfläche bei B sei dx, die analogen Grössen an der Austritts-
stelle bei C seien da^ und dx^\ Querschnitt bei Z schliesslich
werde mit d/ bezeichnet. Dann ist die Intensität des Lichtes
im Punkte Z der Grösse -^ proportional.
Wir setzen AB = a
DC = vy
ZC =z
AC = V2
und es ist: a = f — R co&a
Vi = $^'{- R cosa
172= ^*— iJcosa
'
Man erhält dann succesive:
dw 1 d(T 1 dx dx^
dy~ a^' dx a^ dx^ ' d<p
cosa =
1 dx
a} dx^
da'
'dx
Für das Verhältnis zweier zur Bündelaxe senkrechter Quer-
schnitte -7- des Bündels ergiebt sich sehr leicht
(.«^=
r"
dtü
1 dx
a» dx'
t\v^
(z^t
\) (v^ -
*;
und für das Verhältnis
dx
dx'
erhält
man aus der
Figur:
dx BB'
^1
h
sin (a -
■ ^)
dx' ~ CC
^2
""6»* 1
sin (a-\- a
-2.9>
wo n^ und 7:2 die Querschnittsdurchmesser der Sagittalstrahlen
sind für die Punkte B und C und a=^ KAM ist. Hieraus
erhält man dann leicht:
/IQ\^^ si^ Ca — <r)
Befindet sich im Punkte A ein leuchtendes Flächenelement dy
mit der Leuchtkraft J und wird durch iPle) das sogenannte
Emanationsgesetz ausgedrückt, so erhält das Flächenstück djf
io der Entfernung z die Lichtmenge
32 Verhandlungen der Deutschen phjsikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
dw
(19a) dQ = N.j/-^.W{e).dq.dx,
wo Y ^^^ den Formeln (18) und (19) zu bilden ist und JVden
Abßorptionscoefficienten darstellt. Der letztere wird nach Laplace
gleich e zu setzen sein , wo H eine Constante bedeutet,
— 2 FT 19-
die sich nach Seeliueb aus log e ^ ^ 4,5984 — 10 be-
stimmt, wo 9q die Refraktion am Horizont bedeutet. Für a= oo
wird<f=0 und man erhält für 3- den einfachen Wert:
(9(W ^^ d{cosa) ^__ ysina
l^U; -^~, = ^^(ä::r2^)) sln(a^^d)V— ^cosa)
6. Optischer Charakter der austretenden Bündel.
Ein astigmatisches Bündel sei von positivem Charakter, so
lange es im Sinne der Lichtbewegung von grösseren zu kleine-
ren Querschnitten eilt, von negativem, wenn es von kleine-
ren zu grösseren übergeht.
Fasst man in Gleichung (18) z allein als variabel auf, bewegt man
sich also längs eines bestimmten Lichtbündels, so sieht man,
dass j- ein Minimum wird für « = i(vi'*"Vi) die so charak-
terisierte Stelle des Bündels wollen wir den Pol nennen, er liegt
immer zwischen den beiden Brennpunkten und legt innerhalb
dieses Intervalls den grössten Querschnitt fest. Vom Austritt
aus der Atmosphäre bis zum Pol hat ein Bündel negativen
Charakter, zersträut also das Licht oder wirft einen Refraktions-
schatten, jenseits des Pols hat das Bündel positiven Charakter
und concentriert das Licht. Für ein einzelnes sehr entferntes
Flächenelement (Sonnenelement) Hegen die Pole sämmtlicher
Bündel auf einer Rotationsfläche, die für den Fall einer Mond-
finsternis den Mond umhüllt, indem die in der Nähe der Erd-
oberfläche passierenden Bündel ihre Pole vor, die in grösserer
Höhe passierenden hinter der Mondbahn haben. Für die bei-
den unter (4) betrachteten Bündel liegen die Pole 25,4 und 90 650
Erdradien von der Erde entfernt.
7. Brennlinien und Brennräume. Das System sämmt-
licher primären und sekundären Bildpunkte aller Bündel, die
Nr. 2.] Sitzung yom 19. Januar 1900. 33
von einem Punkte A ausgehen und durch die Atmosphäre
gebrochen werden, liegen auf zwei Flächen, von denen die
erstere virtuell ist, während die zweite, reelle, zu einer gerad-
linigen Brennstrecke degeneriert und auf der über M hinaus
verlängerten Geraden A M sich befindet. Für ein Sonnen-
element beginnt diese Strecke etwa 50 Erdradien von der Erde
und erstreckt sich, indem sie sich immer weiter von der Erde
entfernt ins Unendliche. Der Inbegriff sämmtücher Sonnen-
elemente erzeugt auf diese Weise einen reellen Brennraum von
kegelartiger Gestalt, dessen Oeffnung gleich • dem scheinbaren
Sonnendurchmesser ist und dessen Axe mit der Centrale von
Sonne und Erde zusammenfällt. Der Spitzenteil dieser Fläche
hat von der Erde ungefähr 40 Erdradien Entfernung, an der
Mondbahn ist sein Querschnitt etwa gleich dem des Vollmon-
des, doch nimmt seine Intensität von der Peripherie nach
aussen nur sehr allmählich ab. Es scheint *keinem Zweifel zu
unterliegen, dass die auffallende Helligkeit des verfinsterten
Mondes von seiner Passage durch den Sonnenbrennraum her-
rührt; die Strahlen, welche an der Stelle des Monddurchganges
den Brennraum erzeugen, nähern sich sämmtlich bei ihrem
Durchgang durch die Atmosphäre der Erdoberfläche bis auf
Entfernungen, die unterhalb einer halben Meile sind. Hier-
durch ist einerseits die rötliche Färbung, andererseits die Ab-
hängigkeit des Phänomens von meteorologischen Verhältnnisse
unseres Planeten erklärt. Der graue Schatten, in den der
Brennraum peripherisch übergeht, rührt von den die Atmos-
phäre in höheren Schichten durchsetzenden Strahlen her, deren
Pole jenseits der Mondbahn liegen, die also einen Refraktions-
schatten erzeugen, weil sie den Charakter einer Negativlinse
haben. Wäre unsere Atmosphäre frei von Absorption, so wür-
den wir bei einer Mondfinsternis den in der Mitte des geome-
trischen Erdschattens befindlichen Mond in einem Glänze sehen,
der vom Vollmondlichte nicht weit verschieden wäre. Der eben
angedeutete durch die fernpoligen Bündel erzeugte Refraktions-
schatten muss notwendig eine Vergi'össerung des sogenannten
geometrischen Erdschattens herbeiführen, wie sie ja auch that-
sächlich beobachtet wird. Das Verdienst, diesen Grund für
das betreffende Phänomen zum er^teumale in bündiger Weise
34 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
angegeben zu haben, gebührt offenbar Hrn. Dr. Plehn *.) Bei
jeder Beobachtung einer Schattengrenze, die durch ein ausge-
dehntes leuchtendes Objekt erzeugt wird, spielen natürlich phy-
siologische Momente eine Rolle, weil ja der Uebergang zur
vollen Helligkeit immer sich in continuierlicher Weise vollzieht.
Von diesen Gesichtspunkten aus hat Hr. Seeliqer das in Rede
stehende Problem behandelt.
8. Die durch die Sonne erzeugte Intensität an
einer beliebigen Stelle innerhalb des geometrischen
Sternschattens. Methode der Superposition kleiner
Intensitäten. Der Ausdruck ^r der Formel (19a) lässt sich
für den Fall, dass die Entfernung a der Sonne von der Erde
sehr gross gegen p gesetzt werden kann, mittels der Brenn-
weiten (p in folgende Form bringen:
xgjx ^ __ 9 sin«
dx a 2 sin (a — 2i?) . (^ - licos a—z)
Für die Brennweiten ^, die als virtuell negativ in Rech-
nung gebracht werden müssen, kann man leicht gemäss § 4
eine Tabelle aufstellen. Nimmt man dann für die Hölie der
Atmosphäre einen Wert — etwa 9 Meilen — an, so ist da-
durch die Constante jR bestimmt und a ergiebt sich aus
sin« = -^ Auf diese Weise kann man leicht für beliebig viele
Punkte einer Ebene, die in der Entfernung des Mondes senk-
recht auf der Centrale von Sonne und Erde ist, die Grösse -j-
berechnen und hat damit eine Lichtverteilung gewonnen ^ welche
der Lichtverteilung proportional ist, die ein sehr entferntes auf
der Centrale liegendes leuchtendes Flächenelement dq erzeugt.
Anstatt nun die durch Formel (19 a) angedeutete schwierige In-
tegration, die von der besonderen Annahme eines Emanations-
gesetzes abhängt, auszuführen, kann man sich des folgenden
leicht zu beweisenden Satzes bedienen:
*) Ueber die Höhe der Atmosphäre und ihren Einfluss auf den Erd-
schatten. Prometheus VIII. Jahrgang 1897, Seite 705 u. flf.
Neue Beiträge zur Theorie der Mondfinsternisse. Prometheus.
X. Jalirgang 1898, Seite 1 u. ff.
/
Nr. 2.] Sitzung vom 19. Januar 1900. 35
„Ist für eine Ebene im obigen Sinne eine von dem Flächen-
element dq erzeugte elementare Inten sitäts Verteilung bekannt,
so erhält man die wahre, von der ausgedehnten Sonne erzeugte
Intensität an einer beliebigen Stelle L dieser Ebene, indem
man um L einen Kreis mit dem scheinbaren Sonnen-
radius (von der Erde aus gesehen) schlägt und das Integral
^ . e • rfa ausgedehnt über diese Kreisfläche auswertet.«
Dieser Satz hat zur Voraussetzung, dass man den Sinus des
scheinbaren Sonnend urchmessers mit dem Bogen vertauschen
kann.
9. Fall, dass das Strahlenbündel aus dem leeren
Raum auf die Erde gelangt. Correktionsfaktor für die
Helligkeitsmessungen der Fixsterne. In diesem Falle
hat das letzte Medium einen andern Brechungsexponenten als
das erste. Wir beschränken uns hier auf die Mitteilungen
zweier Formeln, von denen die Lösung dieses allgemeineren
Problemes abhängt.
1. Sowohl für den primären wie für den sekundären Bild-
TJ IT
punkt besteht eine Gleichung von der Form ^ 4- — = 1 , wo
Hl und H^ Constanten und x und y die Entfernungen des Ob-
jektes und des Bildes von conjugierten Punkten sind.
2. Für zwei Punkte P und P^ eines Strahlenbündels seien
die Einfallswinkel 1 und i| , die Brechungsexponenten fx und ji^ ,
die Refraktionen d und ^j, und endlich die zur Bündelaxe
senkrechten Querschnitte dq und dq^ , dann besteht folgende Be-
ziehung für den Fall, dass der leuchtende Punkt sehr weit
entfernt ist,
/£ * <f cos i dx //j'rf cos i\ rfxi
d cos(i + »>) d cos (i\ -f ?9i)
Lassen wir die mit dem Index Eins versehenen Grössen
für die Eintrittsstelle in die Atmosphäre, die andern für die
Erdoberfläche gelten, so ist: //j = 1, d^ = 0, /m =;/(, (Brechungs-
exponent an der Erdoberfläche) zu setzen; t geht in die schein-
bare Zenithdistanz z über und ?!^ ist die zu z gehörige Refrak-
tion, die aus den Tabellen entnommen werden kann. Die letzte
Formel giebt unter diesen Umständen:
36 Verhandlungen der Deutschen physikal Gesellschaft. [Nr. 2.
dxi fjL^ aivLz
sm(z + ^9)(l+^jl)
Ist alßo nach irgend einer der bekannten Absorptionsformeln
(von Laplace oder Bouget) die Helligkeit eines Fixsternes bei
der Zenithdistanz z festgestellt, so müsste strenggenommen die-
ser Wert noch mit c^ multipliziert werden. Für den Horizont
wird hierdurch die Intensität um ca. 20 Va verringert (— = 1,207)
c
Für kleinere Zenithdistanzen nähert sich c sehr schnell der Eins
(für 88« ist i = 1,075; für 80° ist ^= 1,007).
Für z = 59* ist c = 1 also dx = dx^, d. h.: Ein unter
diesem Winkel in ein Fernrohr von der Objektivöffnung dx
einfallendes Bündel hatte vor der Brechung durch die Atmos-
phäre denselben Querschnitt dx. Ein Stern erleidet also unter
diesem Winkel, abgesehen von der Absorption keinen Licht-
verlust. Für den Zenith hat man— =0,99 910.
Druck TOB A. Haack, Berlin.
Jahrg. 2. Nr. 3.
Yerhandlungen
der
Deutschen Püysikallsclieii Gesellscüaft.
Sitacungr vom S. Februar lOOO«
Vorsitzender: Hr. E. Warbükö.
Hr. H. Diesselhorst macht zugleich im Namen von Hrn.
W. Jäger
eine Bemerkung zu einer Mitteilung des Herrn
Emd. van Aubel über Wärmeleitung.
Hr. M. Thiesen spricht dann
über das Gesetz der schwarzen Strahlung.
Hr. E. Fringsheim berichtet nach gemeinsam mit Hrn.
0. Luminer ausgeführten Versuchen
über die Strahlung des schwarzen Körpers und des
Platins für lange Wellen.
Hr. M. Planck bespricht darauf im Anschluss an die
beiden vorangegangenen Vorträge ausführlich die Voraussetzungen,
welche der von ihm entwickelten Strahlungstheorie zu Grunde
liegen, und berichtet über eine neuerdings von ihm gefundene
direkte
Deduktion der Strahlungs-Entropie aus dem zweiten
Hauptsatz der Thermodynamik,
welche demnächst zur Veröffentlichung kommen wird.
38 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 3.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. R. Luyken, Berlin N., Oranienburgerstr. 54.
Hr. Dr. A. Kobn, Privatdocent an der Universität München,
Hohenzollernstrasse la.
Hr. Prof. Dr. Schubebt in Eberswalde, Forstakademie.
Hr. Prof. R. Heyne, Berlin W., Zietenstrasse 3.
Bemerkung zu einer Mitteilung des Herrn Edm.
van Aubel über Wärmeleitung ;
von W. Jäger und H. Diesselhvrsf.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 2. Februar 1900.)
(Vergl. oben S. 37.)
Die am 5. Jan. d. J. der physikalischen Gesellschaft vorge-
legte interessante Mitteilung des Hrn. van Aubel über Wärme-
und Elektricitätsleitung^) kann leicht den Anschein erwecken,
als läge unsererseits ein Prioritätsanspruch vor auf ein Resultat,
welches Hr. van Aubel, anknüpfend an seine im Jahre 1895
veröffentlichten Untersuchungen folgendermassen ausgesprochen
hat^):
„La loi de G. Wiedemann et Franz ne se verifie donc
en aucune fagon pour les alliages ä grande resistance electrique.
Cette loi n'est probablement exacte que pour les metaux purs
et bons conducteurs."
Indessen enthält unsere Veröffentlichung') einen solchen
Anspruch nicht, und es war uns wohl bekannt, dass L. Lobenz
schon 1881 in seiner auch von uns citierten Abhandlung, in
welcher er auf die Proportionalität des Leitungsverhältnisses
mit der absoluten Temperatur aufmerksam macht, Nachstehen-
des aus seinen Beobachtungen folgert*):
„Für die besser leitenden Metalle eine Bestätigung des
Gesetzes von Wiedemann und Feanz,- indem für diese Metalle
das Verhältnis der beiden Leitungsvermögen für Wärme und
Elektricität sowohl bei 0® als bei 100* nahezu constant ist.
Dagegen wächst dieses Verhältnis für die schlechteren Leiter
der Metalle stark mit abnehmendem Leitungsvermögen, wo-
') Diese Verhandlungen S. 3 des vorliegenden Jahrganges.
«) EDM. van aubel, Journal de physique (3 s6r.) 4. p. 522. 1895.
») W. JÄGEB und H. DIESSELHOBST, Sitzungsber. d. Ak. d. Wiss.
zu Berlin, p. 719. 1899.
*) L. LOBENZ, Wied. Ann. 13. p. 599. 1881.
40 Verhandlaiigen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 2.
durch anscheinend der Übergang zu den nicht metallifichen
Leitern, bei welchen bekanntlich das erwähnte Verhältnis noch
weit grösser ist, vermittelt wird."
In Betreff der von Hm. van Aubbl angestellten Prüfung
einer (übrigens schon von Kibchhoff und Hansemann, L. Lo-
BBNZ und anderen beanstandeten) Beziehung, die H. F. Wbbbb
zwischen dem Leitverhältnis und dem Produkt aus Dichte und
specifischer Wärme vermutete, sei hier bemerkt, dass die unserer
Arbeit entnommenen Zahlen, welche Hr. van Aubel auf S. 4
seiner oben citierten Mitteilung anführt, nur die specifische
Wärme darstellen, also mit den betreffenden Dichten zu multi-
plicieren sind.
Druck von A. Haack, Berlin.
Jahrg. 2. Nr. 4.
Yerliaiidlungeii
der
Deutscüen Püysikalisclien Gesellscüaft
SitzuLiigr vom 16. JPebruar lOOO*
Vorsitzender i. V.: Hr. M. Planck.
Vor Eintritt in die Tagesordnung verliest der Vorsitzende
eine Einladung zur Anmeldung von Vorträgen für die Physi-
kalische Section der im September dieses Jahres zu
Aachen tagenden 72. Versammlung Deutscher Natur-
forscher und Ärzte.
Hr. A. Gleichen trägt dann vor
eine Notiz über ein System von Wellennormalen.
Hr. H. Boas spricht in ausführlichem Vortrage
über Verfahren und Apparate zur Erzeugung
sterieoskopischer Röntgenbilder auf dem Leuchtschirm
und demonstriert nach Schluss der Sitzung den einzelnen Mit-
gliedern die stereoskopische Wirkung der Köntgenbilder.
42 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 4
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. M. Ikl^, Berlin W., Kurfürstenstr. 147.
Hr. Dr. A. W. Hoffmann, Köln-Ehrenfeld.
Hr. W. BiEGON VON CzuDNOCHOWSKi, Berlin W., Klopstock-
ßtrasse 38.
Hr. Dr. Jon. Stark, Assistent am Physikal. Institut in Mün-
chen, Arcisstr. 59.
Hr. Prof. Dr. E. Leoher, Prag H. 1594. Physikal. Institut.
Einladung
zur 72. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Aerzte zu Aachen 1900.
(Vergl. oben S. 41.)
Der Vorstand der
Abteilung f&r Physik
und der Vorstand der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft
geben sich die Ehre, die Herren Fachgenossen zu der vom
17. bis 22. September in Aachen stattfindenden Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte ergebenst einzuladen.
Da den allgemeinen Einladungen, die anfangs Juni zur
Versendung gelangen, bereits ein vorläufiges Programm der
Versammlung beigefügt werden soll, so bitten wir, Vorträge
und vor allem Demonstrationen, welche besondere Vor-
bereitungen im hiesigen Institut erforderlich machen, spätestens
bis Ende April bei dem unterzeichneten Einführenden der
Abteilung für Physik anzumelden. Nach den Beschlüssen auf
der Münchener Versammlung soll der Abteilung s vorstand und
der wissenschafthche Ausschuss der Deutschen Physikalischen
Gesellschaft in Gemeinschaft eine Gruppierung der Vorträge
derart bewirken, dass Zusammengehöriges thunlichst in einer
Sitzung behandelt wird. Innerhalb der Gruppen ist für die
Reihenfolge der Vorträge die Zeit ihrer Anmeldung massgebend.
Es kann jedoch nicht dafür garantiert werden, dass Vorträge,
die bis zum 10. September nicht angemeldet waren, auf die
Tagesordnung kommen.
Ferner bitten wir uns Wünsche inbezug auf gemeinsame
Sitzungen einzelner Abteilungen (Physik mit Mathematik,
Chemie u. s. w.) übermitteln und Beratungsgegenstände für
diese Sitzungen bezeichnen zu wollen.
44 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 4.
Gemäss einer in der letzten Vorstandssitzung der Gesell-
schaft getroffenen Verabredung soll einstweilen Mittwoch, der
19. September, für gemeinsame Sitzungen der beiden
Hauptgruppen freigehalten werden. Die für diese Verhand-
lungen in Aussicht genommenen Gegenstände hofft die Geschäfts-
führung in kurzem bekannt geben zU können.
Der Vorstand der Abteilung f&r Physik.
Einführender :
Professor Dr. Max Wien,
Physikalisches Institut der Technischen Hochschule.
Schriftführer:
Dr. A. Denizot. SoschinskL
Aachen, im Februar 1900.
Für den •
Vorstand der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
E. Warburg, z, Zt. Vorsitzender.
Berlin, im Februar 1900.
Verfahren und Ai^parate
^nr lEr»eugtinff stereoskopiscJier Röntgenhilder
auf dem Leuchtschirm;
von H. Boas,
Mitteilung aus der Allgemeinen Elektricitäts-Ges. Fabrik Schlegelstrasse^
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. Februar 1900.)
(Vergl. oben S. 41.)
Der Arzt, der seinen Röntgenapparat zu diagnostischen
Zwecken benutzt, um durch ihn Anomalien des Wachstums,
Brüche oder Fremdkörper festzustellen, befand sich stets in der
Zwangslage, die Tiefendimensionen des wahrgenommenen Bildes
nach der Wahrscheinlichkeit sich geistig konstruieren zu müssen.
Die Erfahrung und Übung kam ihm dabei zu Hülfe, sofern es
sich um die Deutung von Fehlern im Aufbau der Knochen oder
um Brüche derselben handelte. Sie versagte dagegen fast stets
vollständig, sobald der geometrische Ort eines Fremdkörpers mit
Sicherheit von ihm angegeben werden sollte. Und doch ist
gerade in dem letztgenannten Falle der Erfolg der weiteren Be-
handlung oder gar eines operativen Eingriffes von der richtigen
Erkenntnis der Tiefenlage abhängig. Als die Röntgentechnik noch
in ihren ersten Anfängen war, wurde von einem Berliner Arzte,
Herrn Dr. Levt-Dobn, ein Mittel vorgeschlagen, das der rich-
tigen Deutung des auf dem Leuchtschirm gesehenen Schatten-
bildes in Bezug auf Tiefendimensionen zu Hülfe kommen sollte.
Nehmen wir an, im Unterarm sei ein Fremdkörper, z. B.
eine Kugel, und wir halten den verletzten Arm derart vor den
Leuchtschirai, dass wir Elle und Speiche in ihrem maximalen
Abstände voneinander sehen, d. h. so, dass die Ebene, die
durch die Axen der Knochen gelegt ist, der Schirmebene pa-
rallel ist, und wir sehen beispielsweise bei dieser Stellung die
Kugel genau in der Mitte .zwischen den Knochen.
46 Verhandinngen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 4.
Wird jetzt der Arm um seine Längsaxe gedreht, 00 wird
die Kugel ihre relative Lage zu den Knochen in irgend einer
Weise verändern. Aus dieser Veränderung ist es dem Geübten
unschwer, einen ungefähren Anhalt über ihre wahre Lage zu
erhalten. Die Methode ist einfach und leistet gute Dienste.
Sie versagt ihre Hülfe aber in vielen dringenden Fällen, wo es
nach den Umständen, sei es mit Rücksicht auf den Patienten,
sei es aus technischen Gründen, nicht statthaft ist, die gefor-
derte Lagenänderung vorzunehmen. Photographische Methoden
wurden angegeben und angewandt, welche zwar an Genauigkeit
nichts zu wünschen übrig lassen, weil am photographischen
Bilde rechnerisch die gesuchten Daten mit beliebiger Genauig-
keit gefunden werden können, aber diese Methoden sind um-
ständlich, kostspielig und für den Arzt im allgemeinen unaus-
führbar.
In neuester Zeit wurden sogar mehrfach Aufnahmen aus
zwei verschiedenen Röhrenstellungen, die um die ungefähre Augen-
weite difEerierten, gemacht, die Bilder durch photographische
Reproduktion verkleinert und dann die so erzeugten Positive
im Stereoskop betrachtet.
Aus diesem allen ersieht man, dass d«as Streben nach
Mitteln, die die Wahrnehmung der lUefendimension ermöglichen,
so alt ist, wie die ganze Technik der Beobachtung mit Rönt-
genstrahlen. .
Der einfachste und sicherste Weg, das Erkennen der
Tiefendimension zu gestatten, ist jedenfalls der Weg, der dazu
führt, das flache Bild auf dem Schirm so zu verändern, dass
es bei binokularer Betrachtung dem Beobachter körperlich er-
scheint. Die Theorie des stereoskopischen Sehens verlangt, dass
die Bilder, welche auf der Netzhaut des Auges vom beob-
achteten Objekt entstehen, unter sich verschieden sind, d. h.
zwei Centralprojektionen von zwei differenten Fluchtpunkten dar-
stellen. Auf den hier vorliegenden besonderen Fall angewandt,
ergiebt diese Theorie ohne weiteres die nötigen Konstruktions-
prinzipien.
Die geforderten zwei verschiedenen Bilder können zwar nicht,
wie sonst von den Augen selbst erzeugt werden.
Die Stelle der Augen mit ihrem gegenseitigen Abstände
Nr. 4.] Sitzung vom 16. Februar 1900. 47
muss hier die Röntgenröhre vei-treten, die das Bild zuerst mittel-
bar hervorbringt und zwar derart, dass statt der üblichen einen
Röhre deren zwei benutzt werden, oder aber auch eine, die be-
sonders zu diesem Zweck mit zwei gesonderten Antikathoden kon-
struiert ist. Die Einrichtung muss weiter derart getroffen
werden, dass die Röhren nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd
leuchten, um die Wahrnehmung jedes der sich teilweise über-
deckenden Bilder durch je ein Auge zu ermöglichen. Diese
beiden Röhren müssen durch zwei Funken- Induktoren in Thätig-
keit gesetzt werden, da die Umschaltung des hochgespannten
Sekundärstromes nicht wohl ausführbar ist.
Endlich muss noch ein Apparat vorhanden sein, der syn-
chron mit den leuchtenden Röhren jedem Auge im richtigen
Zeitpunkte den Durchblick gestattet oder verschliesst. Alle
wesentlichen Konstruktionsgrundsätze sind damit gegeben, die
sich auf alle Apparate, welche intermittierende Bilder erzeugen,
anwenden lassen. So z. B. wäre es nach dieser Methode ein
leichtes, die bekannten Kinematographenbilder körperlich er-
scheinen zu lassen, wenn die Aufnahme und Projektion durch
zwei mit Phasenverschiebung, aber synchron laufende Apparate
erfolgte, und die Bilder durch ein gleichfalls synchrones Stro-
boskop betrachtet würden. Thatsächlich ist ein solcher Vor-
schlag auch bereits von Rateau*) gemacht worden. Auch die
Anwendung auf das Röntgenverfahren ist bereits erwähnt und
zwar in einem Brief, den ein Herr Roullies im April 1898 in
der französischen Akademie niederlegen und am 16. Januar 1899
verlesen liess.*) Der Brief enthält in kurzer Zusammenfassung
die Prinzipien, nach denen die Ausführung der Methode möglich
wäre. Apparate, die die Richtigkeit der Methode beweisen und
die Theorie in die Praxis umsetzen, hat der Verfasser aber
nicht angefertigt, noch hat irgend jemand anders sich damit
befasst. Und thatsächlich stellten sich auch früher eine Reihe
von technischen Schwierigkeiten in den Weg, die erst über-
wunden werden liiussten, ehe man mit Erfolg den Gegen-
stand verfolgen konnte.
Die Hauptschwierigkeit lag am Unterbrecher. Weder war
») RATEAU, Comptes rendus. 1898. p. 139.
2) ROULLIES, Comptes rendus. 1899. p. 190.
48 Verhandlungen der Deutschen physikal Gesellschaft. [Nr. 4.
die Aufeinanderfolge der einzelnen Unterbrechungen schnell
genug, noch ihre Phasenverschiebung genau genug. Im No-
vember 1897 konstruierte ich den bekannten Turbinen- Unter-
brecher. Durch passende Abänderung der Konstruktion war es
möglich, die genügende Anzahl, sowie die geforderte Regel-
mässigkeit der Stromstösse mit ihm zu erhalten. Im Herbst 1898
liess ich einige besondere Segmentringe zu dem Unterbrecher
herstellen, die aber zum Teil anderweite Verwendung finden
mussten. Im Frühjahr 1899 sandte ein Herr Dr. Destot aus
Lyon, der dort ein Röntgeninstitut besitzt, eine Skizze von
einem besonderen Segmentring an die Gesellschaft und bat um
Ausführung. Die Skizze war technisch unausführbar. Die Ge-
sellschaft bot ihm dagegen einen jener Ringe zum Kauf an.
Im weiteren Verlauf der Verhandlungen offerierte er ihr eine
Erfindung auf stereoskopische Röntgenapparate, die sie im Hin-
blick auf die von ihr bereits in Angriff genommenen Konstruk-
tionen ablehnte. Die Veröffentlichung Roüllies war mir un-
bekannt geblieben, und erßt vor kurzer Zeit wurde ich von be-
freundeter Seite darauf aufmerksam gemacht. In diesem Herbst
nahm ich die Weiterführung der Arbeiten wieder auf und bin
heute in der Lage, Ihnen einen vollständigen Apparat im Be-
triebe vorführen zu können.
Der Apparat, der die Schattenbilder auf dein Leuchtschirm
körperlich wahrnehmen lässt, besteht im wesentlichen aus fol-
genden Teilen:
1. aus zwei Funkeninduktoren hier von 30 cm Funkenlänge,
die auf einer gemeinsamen Marmorplatte montiert zur
Befestigung an die Wand eingerichtet sind.
2. Einem Turbinen - Unterbrecher mit zwei voneinander
isolierten Segmentringen zum wechselweisen Betriebe der
beiden Funkeninduktoren und einer Einrichtung zum
Anschluss und zur Phasen Verstellung des Stroboskopes.
3. Einem besonderen Binokularstroboskop mit grossem
Gesichtsfeld, welches mittelst biegsainer Welle mit dem
Unterbrecher verbunden ist und in weiten Grenzen
nach Belieben bewegt werden kann.
Der Schwerpunkt dieser ganzen Einrichtung liegt im Unter-
brecher mit seinem Stroboskop. Das Gehäuse des Unterbrechers
• Nr 4.]
Sitzung vom 16. Februar 1900.
49
ist das gleiche, wie bei dem normalen Apparate der Allge-
meinen Elektricitäts-Gesellschaft, nur der Topf ist etwas grösser
und die Montirung des Deckels ist eine abweichende. An Stelle
des üblichen kupfernen Zwischenringes, der den Deckel mit dem
eigentlichen Segmentring verbindet, um den Segmentring tief
in die Flüssigkeit einzutauchen, ist hier ein Hartgummiring
angesetzt. Dieser RiEg trägt, durch Druckschrauben innen und
aussen gehalten, zwei von einander isolierte konzentrische Segment-
ringe, deren Zähne aber auf demselben Kreise liegen. Jeder
Ring besitzt zwei Zähne. Die Zahnbreite ist so gehalten, daas
die Zähne des einen Ringes, in der Aussparung des anderen
liegend, noch weit genug voneinander abstehen, um eine gute
Unterbrechung zu sichern. Bei jeder vollen Umdrehung der
Tm'bine werden also an beiden Ringen je zwei Stromschlüsse und
Unterbrechungen stattfinden. Bezeichnet man die Zeit von einer
Unterbrechung bis zur nächstfolgenden am selben Ringe als
eine Periode, so liegen die entsprechenden Unterbrechungen
am anderen Ringe gegen jene Zeit um eine halbe Periode ver-
schoben.
w
-A
6i
r'
y:
H
s7
Die beifolgende Figur, die den abgewickelten Ring und
die Schaltung darstellt, wird dies verdeutlichen. Jeder der
Ringe besitzt eine gesonderte isolierte Ableitung. Verfolgt man
den Strom von seiner Eintrittsstelle, die beispielsweise den po-
sitiven Pol bildet, so teilt er sich in zwei Zweige» Der eine
geht durch den Widerstand (i?i) zum Stromwender {W^ in
50
Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 4.
die Primärspule des Induktors (/i) von diesem durch den Seg-
mentring (Si) zum gemeinsamen Quecksilberpol des Unter-
brechers und zur Leitung zurück. Der andere Zweig geht durch
den Widerstand (-^2) ^^^ Stromwender ( IV2) zum Induktor (J2)
von diesem zum Segmentring {S2) und Quecksilber zur Leitung-
Man sieht, dass bei dieser Anordnung beim Betriebe des Unter-
brechers die beiden Induktoren wechselweise Stromstösse er-
halten, deren Richtung in der Primärspule mittelst der Strom-
wender eingestellt werden kann.
^^=^^
An der Welle des Unterbrechers (siehe Figur) sitzt ein
Kegelzahnrad (ä), das in ein zweites Kegelrad (6) mit gleicher
Zahnzahl, welches an horizontaler Welle gelagert ist, eingreift.
Die Lagerung dieser Welle ist auf dem Unterbrecherdeckel be-
festigt. Die Horizontalwelle wird mit gleicher Geschwindigkeit
wie die Hauptwelle rotieren. Diese Übertragung dient lediglich
zur horizontalen Abführung der weiter angeschlossenen bieg-
samen Welle. Zwischen der biegsamen Welle und jener Hori-
zontalwelle ist ein aus drei Kegelrädern bestehendes Differential-
getriebe angeordnet, das ebenfalls im Verhältnis 1 : 1 überträgt
und dessen Zwischenlaufrad um die Axen der Horizontal welle
drehbar ist und an beliebigen Stellen festgeklemmt werden
kann. Das DifEerentialgetriebe ermöglicht, die biegsame Welle
gegen die Hauptwelle während des Laufes um beliebige Winkel
bis zu 200 Grad zu drehen. Es kann somit dem Stroboskop
jede beliebige Phasenstellung zur Unterbrechung gegeben werden.
Das Stroboskop bestellt aus einem Rohr, das um seine
Nr. 4.1 Sitzung vom 16. Februar 1900. 51
Axe drehbar gelagert ißt und in der Mitte eine Einschnürung
besitzt, sodass seine Peripherie dicht an die Augen herange-
bracht werden kann, ohne dass der Naseürücken störte. Es ist
eingeschlossen in ein Gehäuse, das an der Augenseite mit
schlitzförmigen Diaphragmen versehen ist. An der Vorderseite
ist es durch eine Platte mit zwei Öffnungen und aufgeschraubten
Deckeln verschlossen, in die eventuell für die Augen des Beob-
achters passende Linsen eingesetzt werden können. Das Stro-
boskop Rohr, ist in der Entfernung der Augenaxen derart mit
Durchbohrungen versehen, dass die Axen 'der Bohrungen auf-
einander senkrecht stehen. Rotiert die Trommel vor den Augen,
80 wird wechselweise dem rechten oder dem linken Auge der
Durchblick gestattet. Aus leicht ersichtlichen Gründen tritt der
stereoskopische Effekt bei der Beobachtung eines Röntgenbildes
dann ein, wenn das von der rechten Röhre entworfene Bild
mit dem linken Auge, das von der linken Röhre entworfene
Bild mit dem rechten Auge beobachtet wird.
Setzt man die Apparate in Thätigkeit, sodass beide Röhren
leuchten, bringt ein Objekt vor den Schirm, so gewahrt man
mit unbewaffnetem Auge ein Bild mit Doppelkonturen und
Kern und Halbschatten. Mit dem Stroboskop beobachtet, tritt
bei richtiger Stellung eine scheinbare Verkleinerung ein und
die Gegenstände zeigen sofort Tiefenausdehnung, während die
nicht ganz fehlerfreie Schirmfläche wie ein Schleier aus der
Bildebene herausritt. Die Methode eignet sich vorzüglich,
namentlich um mit Hülfe geeignet angebrachter Kontrollmarken
die Lage von Fremdkörpern festzustellen. Bei starken, schwer
durchdringbaren Objekten tritt der Effekt nicht so klar ein,
weil am Bilde meistens die nötigen Details, die zur Hervor-
bringung des Effectes natürlich notwendig sind, fehlen. Durch
Vervollkommnung der Röhren wird man auch hier weiterkommen.
Nachteilig und für den Ungeübten störend wirkt die natür-
lich unrichtige, weil umgekehrte Perspektive. Bei der gewöhn-
lichen Beobachtung erscheinen gleichgrosse Gegenstände um so
kleiner, je welter sie vom Beobachter entfernt sind. Bei dieser
Methode erscheinen dagegen die vom Beobachter entfernten
Gegenstände vergrössert, da sie sich ja näher an den Röhren
befinden und vom Schirm weiter abliegen. Im allgemeinen
52 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 4.
tritt eine wesentliche Störung hierdurch in der Praxiis nicht
ein, da es dem Beobachter an der Kenntnis der wahren Grösse
mangelt. Betrachtet man aber Gegenstände, die vor dem Schirm
senkrecht zu seiner Ebene hin und her bewegt werden, so ist
es doch schwer, aus dem stereoskopischen Effekte die Bewe-
gungsrichtung festzustellen. Zum Glück für die Methode kommen
derartige Fälle in der Praxis nicht vor. Dem Arzte wird in
den Apparaten ein Hilfsmittel geboten, dass ihm in manchen
schwierigen Fällen von grossem Nutzen sein wird. Aber auch
physikalisch besitzt das Synchronstroboskop Interesse, da es
über viele Vorgänge im Inneren der Röntgenröhre Aufschluss
zu geben vermag, sodass es beim Studium der Erscheinungen
des Funkens und der Entladung in gasverdünnten Räumen wohl
häufig eine vorteilhafte Anwendung finden wird.
Druck von A. llaack, Berlin.
Jahrg. 2. Nr. ».
Verhandlungen
der
Deutschen Püysikalisctien Gesellschart
Sitzung^ vom 2. IMarz lOOO.
Vorsitzender: Hr. E. Warbueg.
Der bisherige Rechnungsführer Hr. H. Planck berichtet
über die Einnahmen und Ausgaben des abgelaufenen Geschäfts-
jahres und legt die weiter unten abgedruckte Vermögensbilanz,
sowie die Übersicht des Gewinn- und Verlustcontos der Gesell-
schaft vor.
Hr. E. Lampe beantragt, dem Rechnungsführer zugleich
mit dem Danke für seine Mühewaltung die Entlastung für das
abgelaufene Geschäftsjahr zu erteilen, da die von ihm in Gemein-
schaft mit Hrn. J. Lange vorgenommene Revision der Rech-
nungen, Bücher u. s. w. alles in bester Ordnung ergeben habe.
Die vorgenommenen Wahlen geben dem Vorstand nun-
mehr folgende Zusammensetzung:
Hr. G. Quincke, Vorsitzender.
Hr. E. Warburg, Stellvertretender geschäftsführender Vor-
sitzender.
Hr. W. v. Bezold,
Hr. F. Kohlrausch, \ Stellvertretende Vorsitzende.
Hr. 0. Lummer,
54 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Nr. 5.
Hr. M. Planck, Rechnungsführer.
Hr. E. Lampe,
a, I
TT T T ( Revisoren
Hr. J. Lange
Hr. B. Schwalbe, Schriftführer.
Hr. U. Behn, ]
TT IT T» ( Stellvertretende Schriftführer.
Hr. H. DU Bois, (
Hr. H. Staeke, Bibliothekar.
Hr. R. Defbegger, Stellvertretender Bibliothekar.
Durch . Cooptation treten in den Vorstand ein:
Hr. A. König als Herausgeber der Verhandlungen der Gesell-
schaft.
Hr. K. Scheel | als Redakteure der
Hr. R. Assmann | »Fortschritte der Physik«.
Als Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses werden
dann gewählt:
Hr. E. Warbueg; Stellvertreter: Hr. E. Lampe.
Hr. W. V. Bezold; „ Hr. M. Planck.
Hr. F. Kohlrausch; ,, Hr. 0. Lummer.
Hr. G. Quincke; „ Hr. E. Wiedemann.
Hr. L. Boltzmann; „ Hr. E. Riecke.
Hr. A. Wüllner; „ Hr. M. Wien.
Der von dem Rechnungsführer Hrn. M. Planck darauf
vorgelegte Voranschlag für die Einnahmen und Ausgaben der
Gesellschaft in dem neuen Geschäftsjahr wird einstimmig an-
genommen.
Hr. E. Warburg legt der Gesellschaft vor
1. ein Manuskript des Hrn. Ed. van Aubel.
Reponse aux observations de Messieurs W. Jäger et
H. DiESSELHORST.
2. eine Mitteilung des Hrn. L. Grätz
über mechanische Bewegungen unter dem Einfluss
von Kathodenstrahlen und Röntgenstrahlen,
Nr. 5.] Sitzung vom 2. März 1900. • 55
Hr. E. Warburg spricht dann nach Versuchen von
Miss M. Keith, Hrn. Dr. G. Wendbll und Hrn. Gehecke
über die Wärmeleitung verdünnter Gase.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr, Prof. Dr. F. Auerbach in Jena.
Die Versuchsabteilung der Verkehrstruppen, vertreten durch
Hrn. Major Zielfelder, Berlin W., Wilhelmstr. 101.
56
Verhandlaagen der Deutschen physikaL Gesellschaft. (Nr. 5.
00
er
<o
g
o
er
er.
IT«
I ^
e
1
b^
•«:
^ '
—
S •
—
'
•n
1
% ^
3; :
g
r;
X o
1
a
2.
,
ff or;
s
a
B
^
^ ^
^
S
3
3
-i
X
oc •
^
i-i
t-^
o
x'
3
c
=
3
^
er
o
}
OQ
6" '
1
g
1
1 •
X
C9
^__
■
!
tc
1^
cn
:^
^ '
Cm
t(^
•f^
i^
O
^
?
tc
c.
CO
:^
Ci
*
95*
tc
o
»*^
*"
^
X
M
j
c;«
s
1
tc
a-.
OC
CA
1
*t;
oc
1
^
o
Ji
w«
1
S
Q
00
►5EJ
O
;
©
;^
•^
p
<
^'
o* 'S.
3
O'
rh
p
^
P
\
? c
Q
H-
>
^
^
»
;fi
Q
k
o
\
p
x
§*
3
\
O'
et-
•
^
o
s-
\
<:
o
aq
^
i
«
o
V
^
p
e*
%
c^
\
^
o
GC
\
ci-
o
P-
\
Q
P
\
o
\
p
1
e-t-
\
O
\
w
:>:)
tc
M
o
^
w
05
_L
05
o
?
'J^
OC
-a
^
tc
^
-^
CO
J5
g
g
S£
=?
^
I
p
o
o»
5
cr
00
CO
b
a>
00
o
er
CD
^tJ
tr
*<!
00
00
o
CD
p
OB
%■
p
5
Os
3^
Q
CD
CO
CD
>— •
K- '
CO
o
^4
Nr. 5] Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft.
57
bd
CO
8
I
CK5
CD
er
8-
O
13
&.
•-<
CD
CO
CD
B
<j H |T) ö <1 t^ g]
<!
w
w
td
W
V li
oXOi-j<t)&3 Scns-*
p p: o p
et) O SJ- "^
3- tJ- P CD
othek, .
andlunj
schritte
ende A
icherun
ksachei
5^«b|
Ig'!!
1
2.
P
GQ P S
SS
^1
2 CD
»^
1
er
5-' . g- S2.
p .
p
i
S . S^ td td W
• 2. -• c^ Ci. Ci. CL
^ P • • • -
^- . ^ tfi. üi Ol
2 g- QC W CO
. . s ; '3'^
&« n
'!'..' 11
*■ ' o* ^"^
p
1
... . • v_^ •
Üi
^ fe;
h-^
(X)M05tO Ü^MtOW
t» M (Ol to »
00
oa5a:o5Müios>4^Ma^co
ssss ^
►;>-
S
oa^MQo;ooo^^*i»(»J5H^
^ggl 1 gg^gl g
1 äSS^
"n ^.
^ <
DO CO
2 . S
CD et) ~
i^ PO
* ■ " cw'* cS
\ <i ^
\ o o
<4
\ cc «
M M M C_i 1
\ *n hi
tS Ol Üi M 1
ihre 1
6 Bei
8
2 Ana
\ S^ 2
1' i'i
\ 2 ^
3- ^
>v s ^ g- II
21- #. '
Ä* " CD •
■ OQ &- II
tr' CD •
\
l -3 .
(D M M
\
B |S-
H-i CO Cß
i u hH '.
c:n
"mm ^
h^
Ol
^ <^ 2? :^^ n
^0
S8SS^
S
8
1
1
1
1
;i^
c^
CD
:s
H^»
:=5
i
1
03
Mt
PS
t-1
13
P-
o
B
^
S^
CD
^
»-j
^.^
Ml
P!
CO
OD
CO
«rt-
o
o
ö
9
CD
IJber mecfuinische Bewegungen
unter dem Einflüsse von Kat/iodenstrahlen
und jRihUgenstraMen;
von i. Oraet».
(Vorgelegt in der Sitzung vom 2. März 1900.)
(Vergl. oben S. 5K)
1 . Die in evakuierten Röhren auftretenden Rotationen von
leicht beweglichen Körpern unter dem Einflüsse von Kathoden-
fttrahlen werden vielfach als Beweis für die Hypothese der ge-
schleuderten Teilchen angesehen. Bei Röntgenstrahlen Hessen
sich solche Rotationen bisher nicht erzeugen, was zuweilen als
Beweis dagegen angesehen wird, dass auch diese aus ge-
schleuderten Teilchen bestehen. Indes beobachtet man in
CROOKESSchen Röhren beim allmählichen Evakuieren, dass die
Rotation von passend aufgesetzten Körpern schon sehr bald
anfängt, lange ehe noch merkliche Kathoden strahlen auftr.eten.
In den käuflichen Röhren sind auf die beweglichen Glas-
glocken etc. häufig Figuren aus phosphorescierender Masse
aufgetragen. Man findet nun, dass die Glocke bereits rotiert,
ehe noch diese Figuren phosphorescieren, so dass also danach
die Kathodenstrahlen nicht unbedingt zur Rotation notwendig
sind. Mit der Ausbildung kräftiger Kathodenstrahlen wird
allerdings die Rotation bedeutend lebhafter. Evakuiert man
aber weiter, so beobachtet man, dass, wenn das Vakuum sehr
hoch getrieben wird, die Rotationen aufhören, obwohl immer
noch kräftige Kathodenstrahlen vorhanden sind, die das Glas
und die gemalten Figuren zu lebhafter Phosphorescenz bringen.
Es ergiebt sich daraus, dass diese mechanischen Bewegungen
schon eintreten, ehe merkliche Kathodenstrahlen vorhanden
sind und wieder aufhören, während noch starke Kathoden-
strahlen existieren, so dass also die Erklärung dieser Rotationen
No. 5.] Sitzung vom 2. März 1900. 59
jedenfalls nicht eine so einfache sein kann, dass der Stoss
der bewegten Teile der Kathodenstrahlen die Rotation hervor-
bringt.
2. Es lassen sich nun aber auch durch passende Anord-
nungen bei Röntgenstrahlen sehr leicht derartige Rotationen
hervorbringen und der Mechanismus, durch welchen diese zu-
stande kommen, lässt sich hierbei vollständig aufklären, so
dass man dadurch, da in evakuierten Röhren dieselben Be-
dingxmgen herrschen, auch die Erklärung für die Bewegungen
unter Kathodenstrahlen gewinnt. Bisherige Versuche, etwaige
Bewegungen unter dem Einfluss von Röntgenstrahlen zu finden,
verliefen negativ. Es wurden Radiometer den Strahlen aus-
gesetzt^) und die Flügel rotierten nicht nur nicht, sondern es
fand sogar eine Hemmung schon voi'haiidener Bewegungen
statt, was* offenbar auf elektrostatischer Anziehung beruht und
auch so gedeutet würde ^). Bei den Versuchen, über die hier
berichtet wird, wurden leichte Körper aus dielektrischer Sub-
stanz, Paraffin, Schwefel, Ebonit, drehbar auf Spitzen aufgesetzt.
Sie wurden zum Teil in der Form von Kugeln angewendet,
wobei die Kugel in der Richtung des vertikalen Durchmessers
durchbohrt, und die Bohrung oben durch ein Achathütchen zu-
geschlossen wurde. Es wurden ferner glockenförmige Körper
benutzt, dann Körper, die aus zwei parallel-vertikal hängenden
runden Scheiben aus dem Dielektrikum bestanden, die an einem
Querstück aus Ebonit befestigt waren, in dessen Mitte ein Achat
sass, oder'endlich Körper, die eine Reihe von Scheiben speichen-
förmig an einem Mittelstück trugen, welches durch den Achat
auf die Spitze gesetzt wurde. Die letzteren Formen der
Körper eignen sich zur Demonstration der Bewegungen durch
Projektion, welche bei Kugeln und Glocken nicht ohne weiteres
möglich ist. Man kann auch metallische Scheiben, an einem
isolierenden Querstück angebracht, aufsetzen. Diese verhalten
sich im wesentlichen ebenso, wie die dielektrischen. Dagegen
mit ganz metallischen Körpern (ohne Isolation zwischen den
einzelnen Teilen) gelingen die Versuche nicht.
•) GOSSART und Chevallier. C. R. 122. p.31G. 1896.
2) RYDBERG. C. R 122. p. 715 1896. FONTANA undUMANi Rendic,
Acc. Lincei (5) 5. p 170. 1896.
60 Vorhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [Xo. 5.
Bringt man diese Körper, auf eine Nadelspitze aufgesetzt,
zwischen zwei Condensatorplatten und bringt zwischen den
Platten durch eine Hochspannungsbatterie oder eine Influenz-
maschine ein constantes elektrisches Feld hervor, so bleiben
die Körper in Ruhe. Sobald man aber durch eine Röntgen-
röhre (Voltohmröhre) Strahlen in dieses Feld hineinwirft, be^
ginnen die Körper zu rotieren und drehen sich so lange, als
die Bestrahlung dauert. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob die
Strahlen von der Seite, oder von oben, oder von unten in das Feld
hineingeworfen werden. Der Sinn der Rotation ist unbestimmt
und hängt von der Anfangstendenz ab. Die Körper können
sowohl in dem einen Sinne wie im anderen rotieren. Am ein-
fachsten wird der Versuch so angestellt, dass man den Induktions-
apparat selbst, mit dem man die Röntgenröhre betreibt, zur Erzeu-
gung des Constanten Feldes in der Weise benützt, dass man die
Röntgenröhre mit den Condensatorplatten verbindet. Dann über-
wiegt die Spannung des Öffnungsstromes auch an denCondensator-
platten,und das Feld verhält sich wie ein constantes. Bei diesem
Versuche waren Condensatorplatten von der Grösse, wie sie die
KoHLRAUSCH'Schen Condensatoren besitzen , angewendet. Die
Röntgenröhre hatte dabei also immer einen nicht kleinen Ab-
stand von dem drehbaren Körper. Die Erscheinung erweist
sich als ein Analogon zu den von Quincke *) entdeckten Rota-
tionen von Körpern in dielektrischen Flüssigkeiten. Diese be-
ruhen, wie Heydweiller zuerst^) dargelegt hat, auf der ge-
ringen Leitung der Flüssigkeiten, und sie erklären sich durch
die elektrostatische Abstossung, welche jede geladene Conden-
satorplatte auf die durch Leitung gleichnamig geladene, ihr
gegenüberliegende Stelle des drehbaren Körpers ausübt. Die
Rotation hat ihr vollkommenes Analogon in dem bekannten
Versuch der Kraftübertragung durch Influenzmaschinen, welche
ebenfalls auf der Abstossung der geladenen Scheibe durch die
Elektrode und der periodischen Neutralisierung der Ladung
bei der Rotation beruht. Dass der Sinn der Rotation dabei
kein bestimmter ist, ist ebenfalls aus den QuiNCKESchen Ver-
») QUINCKE , Wied. Ann. 59. p. 417. 1896.
2) HEYDWEILLEE , Verh. phys. Ges. 16, p. 32. 1896. Wied. Ann.
p. 531. 1899.
No. 5 ] Sitzung vom 2. März 1900. 61
suchen bekannt. Da die Luft durch Röntgenstrahlen ionisiert,
etwas leitend wird, so verhält sie sich also ganz wie eine der
Flüssigkeiten bei den QuiNCKESchen Versuchen.
3. Wenn man aber die Condensatorplatten kleiner nimmt,
etwa von 5 cm Durchmesser, so beobachtet man zwar an den
ganz dielektrischen Körpern immer noch, dass der Sinn der
Rotation ein beliebiger ist, aber wenn man den Körper, der
aus zwei vertikalen Kupferscheiben mit verbindendem, isolieren-
dem Querstück in das Feld bringt und die Strahlen von der
Seite in das Feld dringen lässt, so kehrt sich die Richtung
der Rotation um mit der Umkehrung des Feldes. Man findet
leicht, dass auf die Richtung der Rotation die Stellung der
Röntgem'öhre einen Einfluss hat. Bezeichnet man eine von
den beiden gleichen Condensatorplatten als 1, die andere als
2, und sieht man von 1 nach 2 hin, so kann die Röntgenröhre
rechts oder links stehen. Steht sie rechts, so ergiebt sich,
wenn 1 positiv, 2 negativ geladen ist, eine Drehung entgegen-
gesetzt dem Uhrzeiger, bei Umkehrung des Feldes dreht sich
die Richtung der Rotation um. Bringt man die Röntgenröhre
links an, so findet bei der ersten Richtung des Feldes Rotation
im Uhrzeigersinn, bei der zweiten gegen den Uhrzeiger statt.
Die verschiedenefi Fälle lassen sich in der Weise zusammen-
fassen, dass die Rotation immer von der positiv geladenen
Platte über die Röntgenröhre zur negativ geladenen Platte geht.
Lässt man die Röntgenstrahlen nicht von der Seite, sondern
von oben in das Feld fallen, so bleibt der Sinn der Drehung
wieder unbestimmt, wenn die ebene Antikathode genau senk-
recht über der Mitte des drehbaren Körpers liegt; ist sie etwas
nach rechts oder links gestellt, so findet wieder die Drehung
in dem oben fesgestellten Sinne statt.
Dass die Lage der Röntgenröhre einen Einfluss auf die
Rotation hat, führt naturgemäss dazu, anzunehmen, dass die
Ladung, die die Wand der Röntgenrc)hre besitzt, den Rotations-
sinn bestimmt. Diese Wand ist immer negativ geladen, und
sie nmss also die positiv geladenen Teile des drehbaren Körpers,
welche der positiv geladenen Condensatorplatte gegenüberliegen,
anziehen. Dadurch erklärt sich die Richtung der Rotation in
jedem Falle. Dass dieser Einfluss nur auf den metallischen
62 Verhandlungen der Deutscnen physikal. Gesellschaft. [No. 5.
Körper, nicht auch auf die dielektrischen stattfindet, kann dann,
nur daher rühren, dass, wenn die durch Leitung positiv ge-
ladene Scheibe der Röntgenröhre sich zudreht, sie noch durch
Influenz stärker positiv wird. Die Ladung wird dann bei der
Weiterbewegung durch die Leitung neutralisiert und die Rotation
dauert an. Bei den dielektrischen Körpern ist die Influenz-
wirkung geringer, und daher bleibt der Sinn der Rotation unbe-
stimmt. Wenn das richtig ist, so muss man aber auch bei
dielektrischen Körpern einen bestimmten Sinn der Rotation
erzwingen können, wenn man nur die Röntgenröhre näher an
dieselben bringt. Das ist in der 'l'hat der Fall, und die Er-
scheinungen sind, wenn man sie allein, ohne die vorhergehen-
den Erklärungen betrachtet, sehr auffallend. Es wurde zu dem
Zweck die eine Platte des KoHLBAUSCHschen Condensators ent-
fernt und an ihre Stelle eine kleine Kugel angebracht. Der
drehbare Körper befand sich zwischen Kugel und Platte. Man
kann nun die Röntgenröhre nahe an den Körper heranbringen,
und es lässt sich nun bei allen drehbaren Körpern, den leiten-
den sowohl wie den dielektrischen, der Sinn der Rotation durch
Umkehiamg des Feldes umkehren. Die Rotation geht auch
hierbei immer von dem positiv geladenen Teil des Condensators
über die Röntgenröhre zum negativ geladenen.
4. Indes sind hiermit die Erscheinungen noch nicht auf
die einfachste Form gebracht. Man braucht nämlich schliess-
lich gar keinen geladenen Condensator, um die Rotation her-
vorzubringen, sondern es genügt, wenn man die drehbaren
Körper einfach in der Luft in der Nähe der Röntgenröhre so
aufstellt, dass sie bestrahlt werden. Die Rotation findet dann
in sehr lebhafter Weise statt und zwar zunächst so, dass der
Sinn der Drehung völlig unbestimmt bleibt, dass die Körper
sowohl in dem einen Sinne als in dem anderen rotieren. Wenn
man will, hat man hierin das vollständige Analogen zur
Rotation von Körpern unter dem Einflüsse der Kathoden-
strahlen, nur dass letztere eben bloss in der evakuierten Röhre,
diese aber in freier Luft vor sich gehen. Wollte man auch
hieraus auf direkten Stoss von geschleuderten Teilchen schliessen,
so würde man irren. Es zeigt sich nämlich, dass die Rotation
aufhört, wenn man beliebige Substanzen, durch welche die
No. 5] Sitzung vom 2. März 1900. 63
Strahlen hindurchgehen, zwischen die Röntgenröhre und den
drehbaren Körper bringt. Stellt man eine Ebonitscheibe
oder eine Aluminiumplatte dazwischen, so ist es nicht möglich,
die Rotation zu erzeugen. Es beweist das, dass die Rotationen
hierbei noch auf demselben Grunde beruhen wie vorher. Durch
die Strahlen wird die Luft in der Nahe des drehbaren Körpers
leitend gemacht. Das Glas der Röntgenröhre ist selbst negativ
elektrisch. Dadurch wird nun ein Teil der Elektricität durch
Leitung auf den Körper übertragen und durch die Abstössung
der gleichnamigen Elektricitäten beginnt die Rotation. Sie wird
dauernd aufrecht erhalten dadurch, dass die Ladungen des
Körpers auf der enfgegengesetzten Seite wieder durch Leitung
fortgeführt werden.
Man kann auch bei diesen freien Rotationen den Sinn
der Drehung nach Belieben bestimmen und ändern, wenn man
in der Nähe der Röhre, seitlich von dem drehbaren Körper
einen Metallstab, isoliert oder nicht isoliei-t, aufstellt. Schon
ein eisernes Stativ, durch welches man den Stab, der die
Spitze trägt, hält, genügt zu diesem Zweck. Es dreht sich
dann der Körper immer in der Richtung von dem Stab zur
Rönti^enröhre, so dass man durch Umstellen des Stabes auch
die Rotationsrichtung ändert. Der Stab wird hierbei durch
Influenz von der Röntgenröhre zunächst positiv elektrisch, und
man hat daher denselben Fall, der oben bei dem Condensator
erörtert wurde.
5. Weitere Konsequenzen dieser -Erscheinungen hier über-
gehend, möchte ich zum Schluss nochmals auf die Ev-
scheinungen in CROOKESSchen Röhren zurückkommen. Es
ist die Ansicht kaum abzuweisen, dass auch dort die
Rotationen einfach auf elektrostatische Abstössung der ge-
ladenen Teile des Körpers und der Zerstreuung dieser Ladung
durch Leitung beruhen. Die Kathodenstrahlen führen ihre
negative Elektricität dem Körper zu und laden dessen zu-
zunächst liegende Teile. Diese w^erden von der Kathode ab-
gestossen, und durch die Leitung des Gases in der evakuierten
Röhre verlieren sie dann ihre Ladung, so dass die Rotation
nicht zum Stillstand kommt, Tondern dauernd fortgeht. Da-
durch, dass man die Kathodenstrahlen durch Magnete auf
64 Verhandlungen der Deutschen phjsikal. Gesellschaft. [Xo 5'
gewisse Partieen des Körpers bringen kann, kann man die
Richtung der Rotation beeinflussen. Die Rotationen treten aber
bei passender Anbringung des rotierenden Körpers scbon auf,
noch bevor Kathodenstrahlen sich merklich entwickeln. Man
hat dann eben auch schon von der Kathode ausgehend, negative
Teile, nur mit geringerer Geschwindigkeit, von der Anode aus-
gehend, positive, welche die gegenüberliegenden Teile laden
und damit die Abstossung hervorbringen. Wird das Vakuum
in der CEOOKBSSchen Röhre sehr hoch, so dass die Leitung
des Gases in derselben sehr gering wird, so wird die auf dem
drehbaren Köi*per erzeugte Ladung nicht mehr zerstreut und
Rotationen finden dann nicht mehr statt.
Bisherige Versuche, ebensolche Rotationen, wie unter dem
Einfluss der Röntgenstrahlen auch durch ultraviolettes Licht
oder durch Radiumstrahlen hervorgerufen, haben keinen Erfolg
gehabt. In letzterem Falle war das mir zur Verfügung
stehende Präparat allerdings ein sehr wenig kräftiges.
München, Phys. Inst. d. Universität,
Febr. 1900.
tJher das Gesetz der schwarzen Strahlung;
von M. Thiesen.
. . (Vorgetragen in der Sitzung vom 2* Februar 1900.)
(Vergl. oben S. 37.)
Den Begriff des (vollkommen) schwarzen Körpers gebraucht
KiECHHOFF 1862; gleichzeitig zeigte er, wie sich die von
einem solchen Körper ausgesandte Strahlung unabhängig von
der Existenz eines wirklich schwarzen Körpers verwirklichen
lasse.*) Seitdem ist man gewohnt geworden, Strahlungen un-
abhängig von dem sie aussendenden Körper zu betrachten, und
es empfiehlt sich daher, die Strahlung, welche die Eigenschaften
der von einem schwarzen Körper ausgesandten hat, selbst mit
einem besondern Namen, am einfachsten als schwarze Strah-
lung zu bezeichnen; das Paradoxe des Ausdrucks verschwindet
bei näherer Überlegung, da sich der triviale und der wissen-
schaftliche Begriff der Schwärze doch nicht zur Deckung bringen
lassen.^
Kirchhofe zeigte, dass die Energie der schwarzen Strah-
lung bei gegebener absoluter Temperatm* T eine ganz bestimmte
Funktion der Wellenlänge i sei; wir werden mit Edi die
Strahlungsenergie bezeichnen, welche die Wellenlängen zwischen
X und ^ + rf^ umfasst. Das Gesetz der schwarzen Strahlung
ist bekannt, sobald E als Funktion von T und ^ gegeben ist.
Einen ersten wichtigen Schritt zur theoretischen Ableitung
dieses Gesetzes machte Hr. Boltzmann,') indem er nachwies,
«) G. KIRCHHOFF, Ges. Abhandl. S. 597.
*) Man kann z. B. behaupten, dass in einem dunkeln Räume schwarze
Körper heller sind als weisse oder farbige.
3) L. BOLTZMANN, Wied. Ann. 22. S. 31 u. 291. 1881.
66 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [No. 5
00
dasß die Gesamtstrahlung, also die Grösse / JSd?^, der vierten
Potenz der absoluten Temperatur proportional sei.
Weiter ging Hr. W. Wien/) welcher die Änderung be-
stimmte, welche jede Wellenlänge durch einen bestimmten Zu-
wachs der Gesamtenergie erfährt; in Verbindung mit dem Ge-
setze Boltzmann's führt das Wien 'sehe Gesetz auf den Ausdruck
1, E = T^ipiXT],
wo (p das Zeichen einer noch unbekannten Funktion ist. Aller-
dings ist die von Hrn. Wien gegebene Herleitung dieses Ge-
setzes nicht einwandfrei;^) doch lassen sich die Bedenken da-
gegen durch eine andere weiterhin gegebene Formulierung leicht
beseitigen.
Dies WiEN'sche Gesetz ist von grosser Bedeutung. Zunächst
wird dadurch die Funktion E von zwei Variabein auf die
Funktion (/f von nur einer Variable zurückgeführt; die Strah-
lung ist demnach vollständig bekannt, wenn sie beispielsweise
für eine bestimmte Temperatur aber für alle Wellenlängen, oder
für alle Temperaturen bei einer Wellenlänge gegeben ist. Ausser-
dem aber zeigt das Gesetz das Vorhandensein zweier Natur-
conetanten an, welche nur von der Einheit der Temperatur
und von den drei mechanischen Einheiten abhängen; in Ver-
bindung mit der Lichtgeschwindigkeit und der Constante des
Anziehungßgesetzes erhält man also ein natürliches, von der
Natur eines besonderen Körpers unabhängiges Mass für die
Temperatur und die mechanischen Einheiten. Dies ist von
>) W. Wien, Berl. Sitzungsber. S. 55. 1893 u. Wied. Ann. 52*
S. 132. 18'J4 Die hier gegebene Formulierung des Gesetzes fehlt bei
Wien.
') Hr. Wien adoptiert die hier nicht ohne weiteres zulässige Ver-
einfachung der Betrachtung durch Zerlegung der Strahlung in drei auf-
einander rechtwinklige Richtungen. Wie mir scheint, wird eine hierdurch
eingeführte Ungenauigkeit compensiert durch eine eigentümliche Be-
trachtung, welche von der nicht näher begründeten Annahme ausgeht,
dass eine Grösse, welche ihrer Natur nach, als Verhältnis zweier vonein-
ander unabhängig unendlich klein zu setzenden Grössen, unbestimmt bleiben
muss, als unendlich gross anzunehmen sei.
Ko, 5 ] Sitzung vom 2 März 1900. 67
Hrn. Planck*) für eine speciellere, sogleich zu erwähnende
Form des Strahlungsgesetzes ausgeführt worden, gilt aber auch
schon für die allgemeine Form. Dann da ^, wie leicht zu
sehen, keine einfache Potenz sein kann, so muss eine Natur-
constante von den Dimensionen des Arguments ^T existieren;
die zweite Constante ist schon durch das BoLTZMANN'sche Geset
gegeben.
Die Funktion ^ muss gewissen Bedingungen genügen,
welche sich formell am einfachsten erfüllen lassen, wenn man
setzt; (^'^ und x^ sind die beiden Naturconstanten, gleichzeitig
bezeichnet (p^ den grössten Wert, welchen die Funktion für
X = x^^ erreicht. Diese Formel mit dem speciellen Wert a = 5
ist von Hrn. Wien^) zu begründen versucht worden; eine
andere Ableitung, welche ebenfalls zu « = 5 führt, wurde von
Hrn. Planck.') gegeben. Die allgemeinere Formel würde aus
einer empirischen für die (nicht schwarze) Strahlung verschiedener
Körper von Hrn. Paschen*) aufgestellten Formel durch Ver-
bindung mit dem WiEN'schen Gesetze folgen; doch hat
Hr. Paschen « durchschnittlich merklich grösser als 5 ge-
funden.
Wie die Hm. Lummer und Pringsheim^) mitteilten, haben
ihre Versuche zwar das durch 1. gegebene WiEN'sche Ver-
schiebungsgesetz durchaus bestätigt, zeigen aber systematische
Abweichungen von dem WiEN-PLANCK'scher. Verteilungsgesetz
(Formel 2. für a = 5). Ich fand nun gelegentlich, zunächst
mittels des veröffentlichten Diagramms und dann genauer aus
^) M. PLANCK, SitzuDgsber. d. Berl. Ak. S. 440. 1899 u. Ann. d.
Phys. 1 S. G9, 1900.
2) W. WIEN, Wied. Ann. 58 S. 662, 1896.
*) M. PLANCK a, a. O. Hr. PLANCK hat inzwischen eine Ergänzung
seines zunächst nicht lückenlosen Beweises in Aussicht gestellt.
*) F. Paschen. Wied. Ann. 58 S 487. Formel D. 1896.
3) O. LUMMER iind E. PßiNGSHEIM Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 1.
S. 215. 1899.
68 Verhandlungen der Deutschen physikal. Gesellschaft. [No* 5.
den von den Herren mir freundlichst mitgeteilten Original-
zahlen, dass die Versuche durch Formel 2. sehr gut wieder-
gegeben werden, sobald man « = 4,5 setzt. Dies Resultat
wurde bestätigt durch die von Hrn. Rubens *) discutierten Ver-
suche des Hrn. Beckmann und ist dann nachträglich noch
wahrscheinlicher geworden durch die von den Hrn. Lummer
und Pringsheim für grosse Wellenlängen angestellten Versuche ^).
Es bleibt mir noch übrig, die Modification des Beweises
für das WiEN'sche Verschiebungsgesetz zu geben, auf welches
ich oben hinwies.
Im Räume v sei durch geeignete Wände eine Strahlung
von der Dichte S eingeschlossen, davon komme auf die Wellen-
länge k (genauer: auf die zwischen ). und X-\- dX liegende
Wellenlänge) der Teil E[)] dk Die Strahlung soll vollständig
zerstreut sein und, falls irgend welche Ungleichheiten in ihr
entstehn, alsbald durch die Wände vollständig zerstreut ge-
macht werden.
In dem Räume bewege sich in Richtung ihrer Normale
die Platte / mit der Geschwindigkeit y '=/?/>; hier sei y' die
Lichtgeschwindigkeit, ß eine kleine Grösse.
Wir greifen nun einen Wellenzug von bestimmter Richtung
heraus. Diese Richtung soll mit der Bewegungsrichtung der
Platte den Winkel d bilden und ausserdem durch den
Azimuthalwinkel <p bestimmt sein. Wir führen ausserdem noch
^1 und 0^ ein, welche die scheinbare Richtung und die schein-
bare Geschwindigkeit der Wellenbewegung zm- Platte bezeichnen
und setzen zur Abkürzung (; = cos^; Ci=cos^. Dann ist
die Dichte der Energie des so specialisierten Wellenzuges
— — E [X] dX de d<p und das Volumen, welches die Strahlung
solcher Art enthält, die im Zeitelement auf die Fläche / der
Platte fällt, 4^ 0^ q dt. Wir erhalten also für die auf die Platte
treffende Energie dieser Art ^ j— fu^dtE\}\dlc^dcd(p,o^^\,
wenn wir in Bezug auf (p summieren ~j^ \ f u^ dt E [X] dX c^ de.
1) H. RUBENS, Wied. Ann. 69. S. 576. 1899.
2) In der Sitzung vom 2. Februar dieses Jahres vorgetragen.
No. 5.] Sitzung vom 2. März 1900. 69
Diese Energie erleidet nun folgende Änderungen. Nach dem
DopPLER'schen Princip wird die Wellenlänge der Strahlung
durch Reflexion an der Platte, die wir uns der -etwas einfacheren
Rechnung wegen als regelmässig spiegelnd vorstellen, aus X
in X ^ v! — verwandelt. Ausserdem erfährt die Platte einen
1 — ß c
Druck, der nach Maxwell in Richtung der Strahlung gleich der
reflektierter Strahlung aber das Doppelte beträgt. Die durch
Strahlungsdichte ist, wenn die Strahlung absorbiert wird, bei
Bewegung der Platte geleistete Arbeit vermehrt daher die
Energie wenigstens in erster Näherung um -^ fy' dt. c^,E[X\ dk de.
Wir nehmen jetzt an, dass die bewegte Platte den Raum
abschliesst und vernachlässigen höhere Potenzen von ß\ ferner
nehmen wir Cx als positiv an. Es wird dann dv=fydt.
Wir können nun zusammenfassend sagen: Von der ursprüng-
lich vorhandenen Energie
V E [X] dX hat der Teü i^-^^ [^] dX c, de,
seine Wellenlänge um ißle^ vergrössert, die durchschnittliche
Vergrösserung der Wellenlänge beträgt daher
1
dv ,
[ = — / j ei^dc4 =
" J
dX- .. .„, __g^
Gleichzeitig wurde die Dichte der Energie geändert und
zwar durch Zuführung von Energie verhältnissmässig um
1
dv f ^ , __ .dv
/^t ^^1 — — ^ ~Z\ ausserdem aber noch durch die
V
Änderung des Volumens um , zusammen also um
V
dS ^ dv
'S~—~'^~v'
Fügen wir noch das auf den gewonnenen Grundlagen ohne
weiteres abzuleitende Gesetz Boltzmann's hinzu:
dS_.dr
S ~ T'
70 VerhandlunereD der Deutschen physikal. Gesellschaft. [No. 5*
BO erhält man in der Beziehung
= ^ + ^
X ^ T
das WiEN'sche Verschiebungsgesetz.
Wenn die Platte den Raum nicht abschliesst oder sich
um gleiche Grössen hin und her bewegt, so erhält man (in
erster Näherung ohne Änderung der Energie) eine Zerstreuung
der Wellenlängen. Dabei bleibt aber in erster Näherung jede
Strahlung ungeändert, für welche E [)] eine stetige Funktion
ist; eine neue Bedingung für die Form der schwarzen Strahlung
gewinnt man auf diesem Wege nicht.
Druck von A. Haack, Berlin
Jahrg. 2. Wr. o.
Terhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft
Sitzung vom le. IMCarz lOOO.
Vorsitzender: Herr G. Quincke.
Der Vorsitzende theilt mit, dass gestern der letzte
der sechs Stifter der Gesellschaft
Gustav Karsten
Professor der Physik an der Universität in Kiel
gestorben ist. Im Auftrage der Gesellschaft wird der
Vorstand ein Telegramm an die Hinterbliebenen abgehen
lassen, das die herzlichste Antheilnahme ausspricht.
Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Ver-
storbenen.
Der Vorsitzende macht dann davon Mittheilung, dass das
vor kurzem verstorbene frühere Mitglied, der Ethnologe Hr.
Dr. F. Jagor, der Gesellschaft tausend Mark testamentarisch
vermacht hat.
Hr. 0. Lehmann -Karlsruhe (als Gast) spricht darauf
über die Struktur, das System und das magnetische
Verhalten flüssiger Krystalle.
Dem von vielen interessanten Demonstrationen begleiteten
Vortrage wird von der zahlreich besuchten Versammlung, zu
der auch die Mitglieder befreundeter Gesellschaften eingeladen
waren, lebhafter Beifall gespendet.
Heber Struktur, System und magnetisches
Verhalten flüssiger Krystalle;
van O. Lehmann.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. März 1900,)
(Vergl. oben S. 71.)
Auf die Existenz flüssiger Krystalle d. h. Körper mit ge-
gesetzmässiger innerer Struktur wie Krystalle, welche aber fliessen
und Tropfen bilden können wie Wasser, wurde zuerst von dem
Vortragenden im Jahre 1890 hingewiesen.
Bedenken, welche von Quincke geltend gemacht wurden,
dürfen als widerlegt gelten, theils durch die Untersuchungen
von Reinitzer und Gattermann, welche zeigten, dass die in
Frage stehenden Substanzen chemisch einheitlich sind, theils
durch die Versuche von Schenk, Schenk u. Schneider, A^Eaa
und Seitz und von Hulett, aus welchen mit Sicherheit her-
vorgeht, dass die Stoffe, nicht wie Quincke angenommen hatte,
breiartige Struktur haben, sondern als vollkommen reine Flüssig-
keiten aufzufassen sind.
Ob dieselben als Krystalle bezeichnet werden dürfen oder
müssen, hängt davon ab, welche Definition des Krystallbegriffs
gewählt wird.
Mit Retgers einen Kry stall zu definiren als „ein von
natürlichen ebenen Flächen umgrenztes festes Individium" ist
unzulässig, denn einestheils sind Krystalle keine Individuen,
sondern theilbare Dinge, anderntheils würden durch diese De-
finition alle durch Abschleifen oder Abspalten mehr oder min-
der verletzten Krystalle ausgeschlossen, während es doch keine
Grenze zwischen vollkommenen und solchen beschädigten
Krystallen geben kann.
Mit Groth einen Krystall zu definiren als „homogenen
anisotropen festen Körper*' geht ebenfalls nicht an, da ver-
bogene oder durch fremde Zusätze (z, B. eingelagerte Farbstoffe)
No. 6.] Sitzung vom 16. März 1900. 73
chemisch und physikalisch inhomogen gemachte Krystalle
(z. B. Sphärokry stalle) durch eine lückenlose Reihe von Ueber-
gängen mit den vollkommenen Krystallen verbunden sind.
Einfach das Attribut „homogen" aus der Definition weg-
zukissen, ist auch unmöglich, da es viele anisotrope feste Körper
gibt, welche kein« Krystalle sind. Eine brauchbare Definition
erhält man aber, wenn man die Wachsthumsfähigkeit der
Krystalle berücksichtigt.
Einwendungen, welche hiergegen von Ostwald, Retgers
und Schaum gemacht wurden, kommen ausser Betracht, wenn
man berücksichtigt, dass Krystalle derart wachsen, dass die
neu sich ansetzenden Schichten regelmässig orientirt sind gegen
die vorhandenen d. h. dieselbe Art Anisotropie wie diese aufweisen.
Man kann sich als Ursache eine besondere molekulare Kraft,
die „molekulare Richtkraft" genannt werden mag, denken.
In sofern sich beim Verbiegen eines Krystalls der Wider-
stand der Elasticität geltend macht, könnte man vermuthen,
• dass die molekulare Richtkraft identisch sei mit Elasticität.
Dann wäre aber jeder anisotrope feste Körper ein Krystall, denn
jeder feste Körper ist elastisch. Es lässt sich auch zeigen, dass die
molekulare Richtkraft mechanische Wirkungen hervorzubringen
vermag (z. B. bei Umwandlung von Protokatechusäure oder
beim Zusammenfliessen der Krystalle von ölsaurem Ammoniak),
welche deren Grösse abschätzen und erkennen lassen, dass die-
selbe viel beträchtlicher sein kann, als die Elasticität. Die
Beobachtungen bei Azoxyanisol und Azoxyphenetol lehren, dass
sie sogar dann auftreten kann, wenn Elasticität vollkommen
fehlt. Die molekulare Richtkraft ist also nicht identisch mit
der Elasticität.
Durch genaue Analyse des optischen Verhaltens der flüs-
sigen Krystalle lassen sich gewisse Gesetzmässigkeiten bezüg-
hch der Wirkung der molekularen Richtkraft finden. Die Mole-
küle suchen sich bei Krystalltropfen möglichst der Oberfläche
parallel zu richten. Bei den betrachteten Substanzen ist anzu-
nehmen, dass die Moleküle, deren Anisotropie dem mono-
symmetrischen System entspricht, auf jeder zur Oberfläche
concentrischen Kugelfläche im Innern des Krystalltropfens auf
Parallelkreisen um eine gemeinsame Achse — sie sei „Symme-
74 Verhandlangen der Deutschen physikal Gesellschaft. [No. 6.
trieachse" genannt — angeordnet sind. Bei dicken Präparaten
d. h. wenn die Tropfen in Folge der Schwere oder des hydrostati-
schen Auftriebs nur an einer Seite an eine feste Fläche (Objekt-
träger, Deckglas) gepresst werden, stellt sich die Symmetrieachse
von selbst senkrecht zu dieser Fläche (Erste Hauptlage). Bei
dünnen Präparaten d.h. bei Tropfen, welche zwischen zwei parallele
Glasflächen gepresst werden, stellt sich die Symmetrieachse die-
sen parallel (Zweite Hauptlage). Ausserdem tritt eine Störung
der Struktur derart ein, dass die zuvor Parallelkreise bildenden
Molekülreihen gegen- zwei Punkte (Pole) convergiren, deren Ver-
bindungslinie (Polachse) zur Symmetrieachse senkrecht steht.
Ursache dieser beiden verschiedenen Einstellungen dürfte sein,
dass dieselben dem Minimum der Deformationsarbeit ent-
sprechen.
Blickt man auf einen Krystalltropfen in der Richtung der
Symmetrieachse, so sieht man eine punktförmige Schliere mit
rundem Hof „Kernpunkt**; blickt man in der Richtung senk-
recht zur Symmetrieachse, so glaubt man im Innern des kugel-
förmigen Tropfens eine auf der Kante stehende Linse zu sehen.
Im polarisirten Lichte erscheinen die Tropfen farblos-gelb dich-
roitisch. Zwischen gekreuzten Nicols werden naturgemäss die
Stellen, wo die Hauptschwingungsrichtungen der Moleküle mit
denjenigen der Nicols übereinstimmen, dunkel oder häufiger
farbig, da in der Regel in Folge der üebereinanderlagerung ver-
schieden orientirter Moleküle für eine Farbe Circularpolarisatioii
eintritt. Auch Drehung der Polarisationsebene .kann sich auB
gleicher Ursache geltend machen. Im magnetischen Felde
(Stärke: 3000— 80(X)) sucht sich die Polachse der Tropfen den
Kraftlinien parallel zu stellen. Ausserdem suchen sich die
Moleküle im Tropfen den Kraftlinien parallel zu richten ent-
gegen der Wirkung der molekularen Richtkraft. Vollständige
Compensation der letzteren durch die magnetische Kraft herbei-
zuführen, gelingt bei der benutzten Feldstärke nicht. Immer-
hin kann man durch den Vergleich ein Mass für die moleku-
lare Richtkraft erhalten.
Fliessen zwei Krystalltropfen zusammen, so bleibt die
Struktur der Theile zunächst erhalten; man erhält z. B. Tropfen
mit zwei runden Kernpunkten und einem viereckigen Punkt
No. 6.] " Sitzung vom 16. März 1900. 75
(»Convergenzpunkt« entsprechend dem Mittelpunkt des Lemnis-
catensystems welches nunmehr die Anordnüeg der Moleküle
bestimmt), oder mit zwei scheinbaren Einschnitten am Rande
an Stelle des letzteren. Auch kann sich der eine Tropfen
eoncentrisch in den anderen einlagern. Bei Aggregaten mehrerer
Tropfen in erster Hauptlage ist die Zahl der Convergenzpunkte
stets um eins kleiner als die der Symmetriepunkte. Die com-
plicirteren Bildungen lassen sich ohne Beifügung von Abbil-
dungen nicht wohl beschreiben. Nach und nach werden die
von Anfang an kleineren Theile des Aggregats immer kleiner,
his sie schliesslich verschwunden sind, während die anderen
in gleicher Weise wachsen. Bei Aggregaten von Tropfen
in zweiter Hauptlage zeigen die Pole ein Bestreben, sich zu
nähern und sich zu vereinigen. Es scheint dies auf Anisotropie
bezüglich der Viscosität hinzuweisen.
Dass die Tropfen anisotrop sind bezüglich der Reibung,
geht daraus hervor, dass sie in aufsteigenden Flüssigkeitsströmen
rotiren oder eine spiralige Verdrehung ihrer Struktur erleiden.
Man kann aus diesen Rotationserscheinungen gewisse Schlüsse
bezüglich der Gestalt der Moleküle und deren Beweglichkeit ziehen.
Bei zusammengesetzten Tropfen führt das Rotationsbestreben
zu einer wellenartigen Fältelung der Grenzen, welche zudem in
Folge Aufrichtung der Moleküle an denselben scharf hervortreten.
Durch Deformation der Tropfen können die Kern- und
Convergenzpunkte strichförmig verzerrt werden. Im Magnetfeld
bleibt die Anordnung der Moleküle nur in der Nähe der Kern-
und Convergenzpunkte und auf schmalen, dieselben verbinden-
den Streifen erhalten, im Uebrigen stellen sich die Moleküle
parallel der Kraftlinien.
Durch Zusammenfliessen zu Krystalltropfen verschiedener
Substanzen können Misch- und Schichtkrystalle erhalten werden.
Es können sich aus dünnen geraden Streifen zusammengesetzte
Tropfen bilden, wobei die Streifenbreite unter ein Zehn-
tausendstel Millimeter heruntergehen kann, so dass Beugimgs-
farben entstehen.
Durch isotrope Zusätze wird die Doppelbrechung gemindert.
Sie kann im Innern scheinbar verschwinden, wird aber durch
Magnetismus wieder hergestellt.
76 VerhandluDgen der Deutschen physikaL Gesellschaft. [No. 6.
Bei derartigen theilweise scheinbar isotropen Tropfen treteri
im polarisirten Lichte prächtige Farbenerscheinungen auf,
namentlich bei Zufügung eines dünnen Glimmerblättchens,*
welche zu den schönsten der Optik gehören dürften.
Die Versuche beweisen, dass molekulare Richtkraft vor-
handen sein kann, wenn Elasticität fehlt. Die Erscheinungen
dürfen nicht verwechselt werden mit dem Auftreten von Doppel-
brechung durch mechanischen Zwang, Elektridtät oder dergl.
Retgers, Ambbonn), wenn auch hier die Ursache gleichfalls die
Parallelrichtung anisotroper Moleküle sein mag. Es fehlt die
molekulare Richtkraft, daher sind solche künstlich doppelt-
brechend gemachten Körper nicht als Kry stalle zu betrachten.
Da alle möglichen üebergänge von den Krystalltropfen zu
starren Kry stallen denkbar sind, muss das Attribut »fest» und
der Definition des Krystallbegriffs gestrichen werden. Einwände,
die von Tamann und Schaum gemacht wurden, lassen sich
leicht ad absurdum führen.
Die flüssigen Krystalle können ohne weiteres in die be-
stehenden Kiystallsysteme eingereiht werden. Dass sie wegen
Wirkung der Oberflächenspannung keine polyedrische Gestalt
annehmen können, ist nebensächlich. Es gibt Mittel, diese
Wirkung der Oberflächenspannung zu beseitigen und flüssige
Krystalle mit parallel gestellten Molekülen zu erhalten. Das
Verfahren beruht auf dem Satz, dass der Umwandlungspunkt
einer Substanz durch Contakt mit einer indifferenten Substanz
geändert werden kann.
Das eigentliche Wesen der molekularen Richtkraft ist
vielleicht in einer eigenthümlichen Wirkung der molekularen
Slösse in Verbindung mit der Wirkung der Oberflächenspannung
zu suchen. Vielleicht kommen auch molekulare elektrische
Ströme d. h. kreisende elektrische Atome in Betracht. Gas-
förmige Krystalle kann es jedenfalls nicht geben.
Möglicherweise tritt auch bei lebenden Zellen eine Parallel-
richtung anisotroper Moleküle durch starke magnetische Kräfte
und dadurch Störung der Lebenserscheinungen ein, welche eine
Untersuchung der Molekularkonstitution und der inneren Vor-
gänge bei der Lebensthätigkeit ermöglicht.
Meponse aux observations de Messieurs W. Jäger
et H. piesselhorst;
von Edm. van Anbei.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 2. März 1900)
(Vergl. oben S. 54.)
Les observations presentees par M. M. W. Jäöbe et
H. DiESSELHORST , dans la seanee du 2 fevrier dernier de la
^Societ^ allemande de physique, ne peuvent rester sans une
reponse de ma part. Ma petite communication avait pour but:
1. de rappeler que j'avais prouve que la proportionnalite
entre les conductibilites electriques et thermiques ne se verifiait
pas pour les alliages,
2. de controler, k l'aide des resultats des deux physiciens
de rinstitut physieo-technique de Charlottenböurg, une relation
que H. F. Weber avait deduite de ses mesures,
3. de prendre date pour des experiences actuellement en
cours d'execution.
Je n*ai jamais eu la pensee que M. M. W. Jäger et
H. DiESSELHORST auraieut voulu s'approprier la conclusion
d'un de mes travaux. Toutefois, en lisant leur replique k ma
note, il semble que, pour raa part, j'aie revendique un resultat
que L. Lorenz aurait stabil. Or ee physicien dans ses recherches,
que j'ai d'ailleurs rappelees dans mon memoire publik en 1895,
n'a examin^, en fait d 'alliages, que le laiton et le maillechort
et, bien que ce demier ait dejä une assez grande r^sistance
^lectrique, les deux alliages etudies satisfont beaucoup mieux
que le bismuth et Tantimoine k la loi qui nous occupe. Le
meme savant, dans l'alinea eite par M. M. W. Jäger et
H. DiESSELHORST, ne parle d'ailleurs que des nietaux, tandis
que j'ai borne ma revendication aux alliages.
D'autre part, le regrett^ Gustave Wiedemann, en rendant
compte des experiences de L, Lorenz dans son remarquable
traite d'electrieite (2® edition, tome 1, page 523; 1893), dit:
»Nur bei einzelnen Metallen, Antimon, Wismuth, welche
78 Verhandlungen dwr Deutschen physikal Gesellschaft. [Nr. 6.
kw
blätterig sind, steigen die Coefficienten -j-' ^ ^^ attribue
done les ecarts observes ä une autre cause qu'ä la faible con-
ductibilite de Tantimoine et du bismuth. C'est pour resoudre
cette question qu'il m'avait semble interessant d'etudier les
alliages ayant une grande resistance electrique, comme le
bronze d'aluminium, le eonstantan, le ferro -nickel, et ne
presentant pas la structure cristalline de l'antimoine et du
bismuth. D'autre part, j'ai obtenu des ecarts notablement
plus grands que ceux qui avaient ete signal^s auterieurement.
Autrement dit, mes recherches ont eu pour but d'^tendre aux
alliagea la conclusion de L. Lorenz. Remarquons que M. M.
W. Jäger et H. Diesselhobst ont trouve ^galement la plus
grande valeur du rapport - ^ou ^j V^^^ ^^ eonstantan.
11 me semble donc que j'avais lieu de regretter que les
deux physiciens de l'Institut physico-technique de Charlotten-
bourg n'aient pas crü devoir mentionner d'autres recherches
que Celles de L. Lorenz.
En ce qui concerne la deuxieme critique qu'ils me fönt,
l'erreur commise provient de ce que, dans le grand trait6
d'^lectricite de Gustave Wiedemann (2® edition, tome 1,
page 521; 1893) oü le memoire de H. F. Weber est r^sume,
il est question en deux endroits de la chaleur specifique des
metaux et qu'il n'ebt nuUement specific qu'il s'agit de la
chaleur specifique rapportee ä l'unite de volume.
Bien que cette deuxieme question ait ete examinee pai*
d'autres physiciens, j'avais crü utile de verifier ä nouveau
la relation mentionnee, k l'aide des mesures nombreuses et
precises de M. M. W. Jäger et H. Diesselhorst, d'autant
plus que les determinations des conductibilit^s calorifiques des
metaux presentent entr'elles des ecarts souvent notables et que
l'on ne peut pas toujours expliquer par l'impurete des produits
(voir ä ce sujet l'appreciation de M. M. W. Jäger et H. Diessel-
horst, ä la page 724 de leur memoire). Ces calculs condui-
sent d'ailleurs k une <jonclusion contraire ä celle de H. F. Weber.
Druck von ▲. Haaok, Berlin
Jahrg. 2. Nr. 7.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
SitKung^ vom 30. HBrs 1900.
Vorsitzender: Hr. 0. Lummeb.
Hr. 0. Lummer spricht in einem von Demonstrationen
begleiteten Vortrage über
zu einander complementäre Interferenzerscheinungen
im reflectirten Lichte.
Hr. F. Kurlbaum berichtet dann auf Grund von gemein-
schaftlich mit Hrn. 0. Lummer • angestellten Versuchen
über das Fortschreiten der photometrischen Inten-
sität mit der Temperatur.
80 Verhandlungen der Deutschen PhysikaL Gesellschaft. [Nr. 7.
Als Mitglied wird in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. H. Haüswaldt in Magdeburg-Neustadt.
Hr. Prof. Dr. K. Hensel hat seinen Austritt aus der
Gesellschaft erklärt.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
SUtsung vom 27. April 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Waebübg.
Hr. F. Neesen führt
eine Eolben-Quecksilberluftpnmpe
vor.
Hr. 0. SehOnroek spricht dann
über die Abhängigkeit der specifischen Drehung des
Zuckers von der Temperatur.
Hr. M. Planck legt darauf eine Mitteilung des Hrn.
J. Stark in Göttingen vor:
über elektrische Wirkungen einer partiellen Erhitzung
eines durchströmten Gases.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. J. Fbiedländbb, Berlin W., Regentenstrasse 8.
Hr. Geh. Rat Prof. Dr. W. Voigt in Göttingen.
Vorführung ei/ner Kolben-Quecksilber luftpumpe ;
von F. JVeesen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 27. April 1900.)
(Vgl. oben S. 81.)
Bei dem neuen von Hrn. BuBaEE in Berlin angefertigten
Modell ist zunächst an Stelle einer Kugel als Stiefel ein
liegender Cylinder verwandt, eine Maassnahme, welche schon
früher beschrieben worden ist. Dieselbe hat sich in mehr-
facher Richtung bewährt. Erstens stellt sich der Kostenpreis
etwas niedriger, auch für etwaige Reparatur bei Bruchschaden,
zweitens gewinnt man an Druckhöhe, drittens werden die Be-
wegungen des Quecksilbers sehr viel rascher gedämpft. Hier-
durch wird das Anschlagen des Quecksilbers gegen die Glas-
wände, sowie das Festdrücken von Luftblasen gegen diese
Wände erheblich vermindert.
Neu ist die Anordnung der Vorrichtung zum selbstthätigen
Betrieb unter Benutzung einer Vorpumpe.
Es muss hierbei das Quecksilberreservoir, aus welchem
das Quecksilber in den Stiefelraum hineingedrückt wird, ab-
wechselnd mit der Vorpumpe und mit der äusseren Luft in
Verbindung gesetzt werden. Das geschieht durch einen Hahn,
wie solcher schon bei früheren Constructionen benutzt ist.
Der Hahn wird gesteuert durch ein Gegengewicht an einem
Arm und ein an einem zweiten Arm hängendes kleines Glas-
gefäss Ay welches gelenkig (Gummischlauch) mit den beiden
Rohrenden verbunden ist, welche von dem Stiefel zum Queck-
silberreservoir, bez. von letzterem zum Hahn führen.
Bei Beginn des Pumpens ist daher A mit Quecksilber
gefüllt und hält den Hahn so, dass das Reservoir mit der
äusseren Luft in Verbindung steht. Die Vorpumpe saugt Luft
aus dem Stiefel; das Quecksilber wird aus dem Reservoir in
diesen hineingedrückt; dabei entleert sich auch das kleine
Gefäss A, sodass das Uebergewicht den Hahn umschlägt.
Nun tritt im Reservoir Luftverdünnung ein, infolge dessen
das Quecksilber aus dem Stiefel nach dem Reservoir zurück-
Nr. 8.] Siteang vom 27. April 1900. 83
strömt. Gefäss A füllt sich somit ebenfalls mit Qaecksilber,
wird schwerer und schlägt zur richtigen Zeit den Hahn wieder
in die Anfangsstellung, worauf das Spiel von neuem beginnt.
Auch bei dieser Pumpe strömt das Quecksilber, von oben
in den Stiefel; die im Früheren bemerkten Vorteile dieser
Anordnung bewähren sich dauernd. (Absolute Sicherheit gegen
das Zertrümmern beim Einströmen des Quecksilbers; bessere
Luftverdünnung deshalb, weil der Recipient während der ganzen
Zeit des Ausströmens des Quecksilbers aus dem Stiefel mit
dem letzteren offen verbunden ist; Möglichkeit, zu viel ab-
gesaugte Luft wieder in den Recipienten einzuführen.)
lieber elektrische Wi/rhwngen einer partieUen
Urhitznng ei/nes durchströmten Goises^);
von J. Stark.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 27. April 1900.)
(Vgl. oben S. 81.)
1. Literatur und Fragestellung.
Erhöht man die Temperatur eines verdünnten Gases, so
wird seine dielektrische Festigkeit und darum die Entlade-
spannung in ihm kleiner.^)
Wird die Temperatur eines verdünnten Gases über un-
gefähr 1500^ erhöht, so nimmt es die Eigenschaften eines
Leiters an; die Entladespannung in ihm ist beliebig klein; die
Entladung ist dunkel; die Stärke des durchgehenden Stromes
nimmt nahezu proportional der elektromotorischen Kraft zu.^)
Eine Entladung, welche die gewöhnlichen Leuchterschei-
nungen zeigt, ändert ihren Charakter, indem sie allmählich
dunkel wird, wenn man die Entladeröhre langsam bis zu
300 <* erwärmt.*)
Wird in einer leuchtenden Partie einer Entladung ein
Körper bis zur Weissglut erhitzt, so wird in dessen Nahe das
Gas elektrisch nicht mehr zur Phosphorescenz angeregt.^)
Es lag nun die Frage nach den elektrischen Wirkungen
(Einfluss auf Stromstärke und Spannungsabfall) nahe, welche
dadurch hervorgerufen werden können, dass ein stromdurch-
flossenes Gas an einer Stelle (partiell) durch einen eingeführten
Heizkörper erhitzt wird. Eäne Antwort auf diese EVage war
einmal im Interesse einer tieferen Erkenntnis der zuletzt er-
wähnten Wirkung wünschenswert, sodann durfl;e man hoffen,
eine neue Seite der Gasentladung kennen zu lernen.
1) Eine ausführliche AbbaDdlung über diesen Gegenstand wird dem-
nächst in den „Annalen der Physik" erscheinen.
2) J. Stark, Wied. Ann. 68. p. 922. 928. 1899.
3) J. Stark, Wied. Ann. 68. p. 942. 1899.
4) G. C. Schmidt, Physik. Zeitschr. 1. p. 251. 1900.
5) J. Stark, Ann. d. Physik 1. p. 428. 1900.
Nr. 8.] Sitzung vom 27. April 1900. 85
2. Verauchsanordnunsf.
Ich habe die elektrischen Wirkungen einer partiellen Er-
hitzung eines durchströmten Gases mit Hülfe folgender Mittel
und Versuchsanordnung untersucht.
Als verdünntes Gas diente trockene Luft. Die verwendeten
Röhren waren 22 — 39 mm weit, 18 — 25 cm lang; als Elektroden
dienten Scheiben oder Stifte aus Aluminium.
Als Heizkörper wurden schmale Kohlenbügel verwendet;
sie wurden mit ihrer Ebene senkrecht zur Röhrenaxe gestellt;
sie besassen eine Normalspannung von 40 oder 90 Volt. Sie
wurden mit Hülfe einer gut isolirten Accumulatorenbatterie
erhitzt; ein regulirbarer Widerstand gestattete die Klemm-
spannung der Kohlenfaden zu verändern, diese wurde an einem
Voltmeter abgelesen.
Der Strom durch die Entladeröhre wurde einer gut iso-
lirten Hochspannungsbatterie von 1500 kleinen Accumulatoren
entnommen. Der Kreis durch das verdünnte Gas setzte sich
aus folgenden Teilen zusammen: Hochspannungsbatterie, Gom-
mutator, Entladeröhre, Ampöremeter (1 Scalent. »= 0,076 Milli-
amp.), Telephon, Widerstand, Hochspannungsbatterie.
Beobachtet wurde die Aenderung der Stromstärke infolge
der Erhitzung und zwar am Ampöremeter. Femer wurde
gemessen die SpannungsdifiPerenz zwischen 2wei Querschnitten
der Gassäule, zwischen denen der heizende Kohlenfaden lag.
Bewerkstelligt wurde diese Messung in folgender Weise nach
HiTTOEF.^) In je 12 — 15 mm Abstand vom Kohlenfaden
tauchten zwei Aluminiumdrähte in die Röhre senkrecht zu
deren Axe. Diese zwei Sonden, ein Gondensator und ein
ballistisches Galvanometer, waren in zweckdienlicher Weise
durch eine Wippe miteinander verbunden. Die Spannungs-
dififerenz wurde also durch den Ausschlag im Galvanometer
gemessen; 5,8 Sealenteile entsprachen 1 Volt.
Diese Art der Messung bat zur Voraussetzung, dass der
Gasstrom stetig oder wenigstens derartig sei, dass er den
Gondensator auf eine constante Höhe lädt. Die Messungen
wurden demgemäss nur dann ausgeführt, wenn das Telephon
schwieg.
1) W. HiTTOBP, Wied. Ann. 20» p. 712. 1888,
86 Verhandlungen der Deutschen Physika). Gesellschaft [Nr. 8.
Alle Teile der ganzen Versuchsanordnung waren durch
Paraffin oder Hartgummi gut isolirt.
8. Kesultate.
Ich teile hier keine Zahlen, sondern nur folgende Eesultate
meiner Messungen mit.
Die leuchtenden Räume (negative Glimmschicht, positive
Lichtsäule, leuchtende positive Schichten) zeigen alle das gleiche
Verhalten. Wird in ihnen der Heizkörper auf Bot- oder Weiss-
glut erhitzt, so nimmt die Stromstärke immer zu und die
Spannungsdifferenz zwischen benachbarten Querschnitten im
Heizgebiet wird kleiner, und zwar um so mehr, je höher die
Temperatur des Heizkörpers ist
Die dunklen Bäume (dunkler Kathodenraum, Trennunga-
räum, dunkle positive Schichten) verhalten sich untereinander
ebenfalls gleich. Mit zunehmender Temperatur des Heiz-
körpers in ihnen nimmt die Stromstärke erst langsam ab,
steigt dann bei beginnender Weissglut wieder zu ihrer früheren
Höhe und wächst bei intensiver Weissglut über diese hinaus.
In analoger Weise wird in den dunklen Räumen die Spannungs-
differenz durch die Erhitzung bis zur Hellrotglut erhöht, bei
intensiver Weissglut erniedrigt.
Bemerkt mag hier noch folgendes werden. Nach den
Messungen von Mebiüs^) und Heez^) kann man die Spannungs-
differenz zwischen zwei Querschnitten im positiven ungeschich-
teten Licht durch die Formel v = a + ai darstellen, wo i die
Stromstärke, a und cc Constanten bedeuten. Ich fand diese
Formel bei engen Eöhren ebenfalls bestätigt und bei Erhitzung
folgendes. Mit zunehmender Temperatur wird a immer kleiner
und nähert sich Null; a ist bei massiger Erhitzung negativ,
wie bei Mebius und Hebz, bei stärkerer Null, bei intensiver
Weissglut des Kohlenfadens ist es positiv.
4. Würdigung und Erklärungsversuch.
Aus Graham's*) Curven des Spannungsgefälles in einem
Gasstrom ist zu ersehen, dass das verdünnte Gas da, wo das
1) C. A. Mebius, Wied. Ann. 54. p. 537. 1895.
2) A. He£z, Wied. Ann. 54. p. 250. 1895.
8) £. GbahaM; Wied. Ann. 64. p. 49. 1898.
Nr. 8.] Sitzung vom 27. April 1900. 87
Spannungsgefälle ein relatives Maximum hat, zur elektrischen
Phosphorescenz angeregt wird, und dass es da, wo das Gefalle
ein Minimum hat, dunkel bleibt. Da durch Erhitzung das
Gefälle in einem leuchtenden Räume erniedrigt, also ein Mini-'
mum in die Curve des Gefälles gedrückt wird, so ist nach
dem eben Gesagten verständlich, dass ein verdünntes Gas in
der Nähe eines weissglühenden Körpers elektrisch nicht zur
Phosphorescenz angeregt wird.
Das Ergebnis, dass sich die leuchtenden Räume gegen-
über einer Erhitzung untereinander gleich verhalten, ebenso
wie die dunklen^ steht im Einklang mit der Vorstellung^), dass
die verschiedenen Teile einer Entladung durch ein verdünntes
Gas nicht wesentlich voneinander verschieden sind.
ÄufiPallen muss uns der merkwürdige Unterschied in dem
Verhalten der leuchtenden und der dunklen Räume. Zur Er-
klärung dieses Unterschiedes habe ich mir auf Grund der vor-
liegenden Ergebnisse und gewisser Ueberlegungen folgende
Vorstellung von den Vorgängen in den leuchtenden tind dunklen
Räumen gebildet.
In den leuchtenden Räumen werden durch elektrische
Kräfte die Gasmolecüle in leitfähige Teilchen zerrissen oder
es werden unter Verlust elektrischer Energie und Sinken der
elektrischen Kräfte Ionen gebildet; in Ermangelung hindernder
elektrischer Kräfte treten darauf die Ionen wieder zu Molecülen
zusammen, um bald darauf, nachdem die elektrischen Kräfte
wieder angewachsen sind, abermals getrennt zu werden. Durch
diesen Wechsel von Ionen- und Molecülbildung wird das ver-
dünnte Gas zum Leuchten angeregt.
In den dunklen Räumen findet^keine derartige abwechselnde
Ionen- und Molecülbildung statt zum Zweck des elektrischen
Ausgleiches. Dieser erfolgt hier entweder auf Grund dauernd
vorhandener Dissociation oder besteht in einer elektrisch ge-
triebenen Fortbewegung von Ionen, die von den leuchtenden
Partien herkommen.
Wird nun ein dunkler Raum erhitzt, so werden die in ihm
vorhandenen Ionen zerstreut und verdünnt, sodass in gewissem
1) E. Goldstein, Wied. Ann. 11. p. 572. 1879; W. Wien, Wied.
Ann. 65. p. 451. 1898.
88 Verhandlnngen der Deutschen PhysikAl. Gksellschaft [Nr. 8.
Sinne der Widerstand erhöht wird. Bei massiger Erhitzung
muss darum der Spannungsabfall vergröseert werden; bei sehr
starker Erhitzung, wenn die zerstreuten Ionen durch die
thermische lonenbildung mehr als ersetzt werden, ist dagegen
eine Verkleinerung des Abfalles zu erwarten.
In den leuchtenden Bäumen wird auch bei massiger Er-
hitzung die dielektrische Festigkeit, die bei der lonenbildung
überwunden werden muss, vermindert, die elektrische lonen-
bildung also erleichtert; und bei starker Erhitzung kommt
diese infolge der thermischen lonenbildung überhaupt in Weg-
fall. Darum wird in den leuchtenden ßäimien sowohl durch
massige wie starke Erhitzung der Spannungsabfall vermindert.
Göttingen, Phys. Inst. d. Univ., Ostern 1900.
Ueber das Fortschreiten der photo-
metrischen Helligkeit mit der Temperatur;
von O. Lummer wnd F. Kurlbaum.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 80. Mftrz 1900.)
(Vgl. oben S. 79.)
Durch die Verwirklichung des theoretisch schwarzen Körpers
ist eine wohl definirte und unveränderliche Oberfläche gegeben,
deren Temperatur genau gemessen werden kann. Die photo-
metrische Helligkeit dieser Oberfläche ist mit den heutigen
Mitteln der Photometrie leicht bis auf ein Procent zu messen.
Eine Schwierigkeit entsteht erst dann, wenn es sich um sehr
geringe Helligkeiten, also um niedrige Temperaturen, oder
wenn es sich um verschieden gefärbte Lichtquellen handelt.
Da es wünschenswert erschien, bei möglichst tiefen Temperaturen
zu beginnen, so war die gewöhnliche photometrische Anordnung,
bei welcher die Lichtquelle zunächst einen weissen Schirm und
erst von diesem iaus den photometrischen Würfel beleuchtet,
zu lichtschwach.
Deshalb wurde folgende Anordnung für die Vorversuche
getroffen (vgl. Figur, p. 90). Den zwei Seiten eines Lummeb-
BBODHüK'schen Würfels standen die Linsen L^ und L^ gegenüber.
Vor der Linse L^ stand ein elektrisch geglühtes Platinblech P,
von dem ein Bild in der Ebene der Oeffnung entworfen wurde,
sodass für das beobachtende Auge Ä stets die Pupille aus-
gefüllt war und die Linse, abgesehen von Reflexions Verlusten,
mit der Helligkeit des Platinbleches leuchtete. Ebenso stand
vor der Linse L^ der aus Platinblech gefalt^e, vollkommen
abgeschlossene Hohlkörper H, welcher in seinem Innern ein
isolirt eingeführtes Thermoelement enthielt, und gleichfalls
90
Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [N'r. 8.
elektrisch geglüht wurde. Das Bild seiner ebenen, gleichmässig
glühenden Yorderfläche fiel gleichfalls auf die Oeffnung 0^ so-
dass beide Platinflächen durch Stromregulirung leicht au^^
gleiche Helligkeit gebracht werden konnten.^) Dann wurde
die Temperatur des Hohlkörpers abgelesen und durch einen
rotireaden Sector die von ihm zum Auge gesandte Helligkeit
H
um einen bestimmten Bruchteil geschwächt, sodass erst wieder
nach Steigerung der Temperatur photometrische Gleichheit
bestand.
Sind flj und H^ die beiden photometrischen Helligkeiten
des Hohlkörpers und T^ und T^ die beiden zugehörigen abso-
luten Temperaturen, so kann
gesetzt werden, wobei x nur innerhalb des kleinen benutzten
Temperaturintervalles gültig ist. So wurden, bei verschiedenen
1) Diese Anordnung gestattet auch sehr kleine Flächen, z. B. die
des schwarzen Körpers zu vergleichen, da wie erwähnt die ganze ab-
bildende Linse mit der Helligkeit der abgebildeten Fläche leuchtet.
Nr. 8.]
Sitzung vom 30. März 1900.
91
Temperaturen beginnend, die in der folgenden Tabelle an-
gegebenen Werte von x gefunden.
Tabs.
900
1000
1100
1200
1400
1600
1900
• X
\ 30
25
21
19
18
15
14
AUS diesem rapiden Anwachsen der photometrischen Hellig-
keit ist ersichtlich, ein wie scharfes Kriterium hierdurch für
Gleichheit der Temperatur, z. B. innerhalb des schwarzen
Körpers, gegeben ist.
In der angegebenen Weise lässt sich die Schwierigkeit der
farbigen Photometrie vermeiden, die jedem, der sich zum
ersten Male mit ihr beschäftigt, ein sehr unbehagliches Gefühl
der Unsicherheit verursacht. ^Es kommt jedoch ein glücklicher
umstand zu Hülfe, dass nämlich im Moment der photo-
metrischen Gleichheit der farbigen Felder die sonst sehr scharfen
Grenzkaxkten verwaschen werden.^) Da auch verschiedene
Beobachter mit normalen Augen stets angenähert dieselbe
Einstellung für die photometrische Gleichheit finden, so kann
man sich wohl auf dies Kriterium verlassen. Die bisher nach
dieser direeten Methode gemachten Controlversuche ergeben
innerhalb der ßeobachtungsfehler nahe dieselben Werte von ar,
sodass sich auch direct die photometrische Helligkeit als
Function der Temperatur finden lässt. Diese Function wird
ausser für blankes Platin auch für den schwarzen Körper bis
zu den höchstmöglichen Temperaturen genau bestimmt werden.
Durch photometrische Vergleichung beider Körper mit der
Sonne sollen mit Hülfe der Extrapolation obiger Functionen
Schlüsse auf die Temperatur der Sonne gezogen werden.
Da man sowohl für diese beiden Körper das Fortschreiten
der thermischen Energie der einzelnen Spectralbezirke mit der
Temperatur^, als auch die Empfindlichkeit des Auges für diese
1) Vgl. die PhotometriBchen Untersuchungen Nr. IV von 0. Lümkes
u. £. Brodhük, Zeitschr. f. Instrumentenk. 12. p. 41. 1892.
2) 0. LuiocsB u. E. Pbihoshbim, Verhandl. d. Deutsch. Physikal.
Gescllscli. 1. p. 23-41 u. p. 215-235. 1&99.
92 yerhandlungen der Deutschen Physika!. Gesellschaft. [Nr. 8.
Bezirke^) kennt, soll ferner auch rein rechnerisch das Fort-
schreiten der photometrischen Helligkeit mit der Temperatur ge-
funden werden. Es ist daher von Interesse einerseits die Daten
für die Empfindlichkeit des Auges experimentell zu pr&fen,
andererseits die Empfindlichkeit des Auges fär die verschiedenen
Spectralbezirke aus den Beobachtungen über das Fortschreiten
der Helligkeit mit der Temperatur neu zu berechnen.
1) S. P. Lanolet, Sill. Joum. (3) 36. p. 359. 1886.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Jahrg. 2. Nr. 9.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
SUtsung vom 11. Hai 1900.
Vorsitzender: Hr. E. WarburOt.
Hr. H« Boas bespricht und demonstrirt
eine automatische Sprengeipumpe.
Hr. E. Wabbubg legt darauf eine Mitteilung des Hrn.
H. Ebert vor über
die Dimensionen des dunklen Eathodenraumes
bei verschiedenen Gasen.
Hr. P. Lewis (a. G.) berichtet
über den Einfluss kleiner Beimengungen zu einem
Gase auf dessen Spectrum.
Als Mitglied wird in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. F. Fbankenhäüsbb, Assistent an der medic. üniv.
Poliklinik, Friedenau, Hauffstrasse 13.
u
Fortschritte der Physik.
flierdnrch gestattm wir uns dmnuif hinzuweisen, dass die
^Fartochrhte der Physik^' aach weiter möglichst schnell er-
scheinen werden y und teflen mit, dass die Bande inr 1898,
Abteilnng I, 11, III seit einiger Zeit erschienen sind nnd Ton
unseren Hitgliedem zun Buchhändler-Nettopreise bezogen
werden können« Wir bitten die Mitglieder unserer Gesell-
schaft; hienron Gebrauch zu machen.
Der Vorstand
der Dentschen Physikalisehen Gesellschaft
95
Am 6. bis 12. August 1900 wird in Paris ein
Internationaler Congress für Physik
stattfinden. Nachfolgender Auszug aus dem Rundschreiben
des Organisationscomit^s wird hiermit zur Kenntnis der Mit-
glieder gebracht:
,,Nous avons l'honneur de vous rappeler que le Gongr6s
international, dont la Soci^t^ frangaise de physique a pris
rinitiative, se röunira ä. Paris, le 6 aoüt 1900, au Palais des
Congrös de FExposition universelle.
Les s^ances suivantes se tiendront du 6 au 12 aoüt k
l'Hötel de la Soci^t^ d'Encouragement, rue de Rennes, 44
(si^ge de la Soci^t^ frangaise de physique).
Le Programme des travaux du Congr^s comporterä trois
parties:
1. Communications diverses et Conferences sur quelques
questions nouvelles;*
2. Visites k FExposition, k des laboratoires, k des atelieris;
3. Rapports et discussions sur des sujets arret^s k Tavance.
La Commission d'organisation a du se pr^occuper tout
d'abord, plus particuliörement, de cette troisiäme partie. BHle
a estim^ qu'il j aurait un trös grand int^ret k ^tendre, dans
la mesure la plus large, la liste des sujets qui doivent faire
l'objet de rapports. Alors meme que certaines questions se
preteraient peu ä. une discussion orale, il serait sans doute
fort utile, pour toutes les personnes qui s'intÄressent k la
physique, de lire un expos6 critique, succinct et pr6cis, de l'Ätat
actuel de la science sur tous les sujets les plus importants.
Vous trouverez ci-apr6s le nom des auteurs qui ont bien
voulu, jusqu'ä präsent, promettre leur coUaboration, avec le
titre des rapports qu'ils ont acceptö d'öcrire. Cette liste vous
permettra de vous rendre compte de l'ampleur que la Com-
mission a cherch^ ä donner ä. cette partie de sön oeuvre.
La plupart de ces rapports, qui seront tous Berits en
frangals, pourront, sur leur demande et avant Touverture du
96 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 9.
Congrfes, etre communiqu^s en ^preuves aux personnes qui
anroDt adh^r^ au Congrfes et qui s'iut^ressent plus sp^ciale-
ment k certaius sujets; puis ils seront tous r^unis en un
Tolume qui sera distribuö gratuitement (sauf le rembourse-
ment des frais d'envoi) k tous les membres, alors meme, bien
entendu, que les circoustances les auraient empech^s
d'assister aux s^ances.
Le livre ainsi constitu^ ne pourra d'ailleurs Mre mis en
vente qu'aprfes le Congrfes et k un prix sup^rieur au prix
de la carte du Congrfes, fix6 k 20 francs.
Nous Yous rappelons que cette carte donne, en outre, droit:
!• A la participation k tous les travaux, k toutes les visites
et Conferences qui pourront etre organis^es;
2. A la r^ccption du compte rendu des travaux, aussitot
apris la publication;
8. A la distribution de cartes suppl^mentaires k prix
r^duit permettant aux membres de votre famille qui vous accom-
pagneront d'assister k certaines s^ances et ä certaines visites«
Les inscriptions seront re^ues jusqu'au jour de la fermeture
du Congr^s, mais la Commission a le plus grand int^ret k
connaltre le plus tot possible le nombre des adh6rents, et les
Communications ult^rieures relatives au Congr^s seront stricte-
ment r^serv^es aux personnes qui se seront fait
inscrire. Nous insistons donc pour que vous ayez Tobligeance
de nous faire connaltr-e, dfes que vous le pourrez, votre adhÄsion
definitive.
Toutes les Communications doivent etre adress^es k M«
Ch.-Ed. Guillaume, physicien du Bureau international des
poids et mesures, secr^taire pour l'etranger, au Pavillon de
Breteuil, Sfevres (Seine-et-Oise).
Le President du Comite d'organisation, Le Trösorier,
CoENu, G. De La Toüannb,
Membre de llnstitut, rue de Toumon, 8, Paris.
President de la Soci^t^ fran^aise de phjsique.
Les Secretaires:
Ch.-EId. Guillaume, Lucien Poincab^,
Au Pavillon de Breteuil, S^vres boulevard Raspail, 105 bis, Paris.
(Seine-et-Olse).
Nr. 9.]
Sitzung Tom 11. Mai 1900.
97
LISTE DES EAPPOETS.
MM.
Abraham. — Determination de v,
Amagat. — Statique des fluides.
Ames. — L'^quiyalent m^canique de
la calorie.
Abbheniüs. — Öectrolyse et ionisa-
tion.
d^Absonyal. — Les courants de
haute Mquence dans Torganisme.
Babus. — Pyrom^trie.
Battelli. — Oalorim^trie des fluides.
Becqüebbl. — Itajons uraniques.
Bsvorr (R.). — Pr^cision des d^ter-
minations m^trologiques.
BiCHAT et SwYNGEDAUw. — Ph6no-
m^nes actino-61ectriques.
Bjebknes (V.). — Actions hydro-
dynamiques k distance.
Blokdel. — Inscription des courants
eiectriques variables; oscillo-
graphes et rh^ographes.
Blokdlot et GuTTON. — Vitesse des
ondes ^lectriqnes.
Boübgeois (Commandant). — Pesan-
teur k la surface du globe.
BouTY. — Les di^lectriques ga-
zeux.
BoTs. — La constante de la gravi-
tation.
Bbaklt. — Variation de r^sistance
des tubes k limaille.
Bbilloüin. — Diffusion des gaz.
Bboca. — Transmission de T^nergie
dans Porganisme.
Cabyallo. — Les formules de dis-
persion.
Chabpentieb. — Ph^nomönes qui se
produisent sur la r^tine.
Ohbistiansen. — £lectricit6 de con-
tact.
CoBNu. — Vitesse de lumiöre.
MM.
Crova. — La constante solaire.
Cubie (M. et M™). — Les nouvelles
substances radio-actives et les
rayons de Becqüebel qu*elles
emettent.
Dbude. — Propri^t^ optiques des
m^taux.
Du Bois. — Propri^t^ magn^tiques
de la mati^re pond^rable.
Dtjpoub (Ch.). — Photometrie stel-
laire.
EöTYös (R.). — £tude des snrfaces
de niveau newtoniennes ^lec-
triques et magn^tiques.
ExKEB. — £lectricite atmosph^rique.
Galftzine (Prince). — L'indice cri-
tique.
GouY. — L'^talon de force electro-
motrice.
GuiiiLAUME. — D^isions interna-
tionales conoemant les unit^ et
la nomendature. — Propositiohs
diverses.
Gbiffiths. — L'unitö de chaleur.
Hagenbach. — Optique de la glace;
glaciers.
VAN*T Hoff. — Cristallisation k tem-
p^rature constante.
Hübhuzescu. — Force ^lectromotrice
d'aimantation.
Kelvin (Lord). — Conditions de la
Formation des ondes de T^ther
par le d^placement de la mati^re
pond^rable; caract^re non oscil-
latoire de ces ondes pour des
vitesses de d^placement inf^rieures
k Celle de la lumiöre.
VON Lang. — L'arc ^lectrique.
Leduc. —[äquivalent ^lectrochimique
de Targent.
98
Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 9.
MM.
LiPPMANN. — L'^chelle absolue des
temp^ratures.
LüMHEB. — L'^mission des corps
noirs, des solides et des liquides.
LoRENTz. — Magn^to-optique.
Mac£ de L^pinat. — D^terminations
m^trologiques par les m^thodes
interfiirentielles.
Mathias. — Oonstantes critiques et
formules caract6ristiques.
TAKDEsMENSBRüaGHE. — Ph^nom^nes
capillaires.
Nagaoka. — Magn^to-striction.
Oimopp. — M^thodes pbysiques en
chimie.
Paulsbn. — Kaurore polaire.
Pellat. — Laboratoires nationaux.
Pebrin (Jean). — Ph^nom^nes osmo-
tiqaes.
P01KCAB6 (H.)..— Bapports entre la
pbjsique exp^rimentale et la
phjsique math^matique.
PoiNCAni! (L.). — Thrones de la
pile voltai'que.
Potier. — Les courants poljphas^s.
PoYNTiNG. — Theorie de la pro-
pagation de l'^lectricit^.
MM.
Pringsheim. — L'^mission des gaz.
RiGHi. — Les ondes bertziennes.
Bttbens. — Les grandes longueurs
d'onde.
Btdberg. — B^partition des raies
spectrales.
Sabasik et FoREL. — Les oscilla-
tions des lacs.
Schwedoff. — Bigidit^ des liquides.
Spring (W.). — Les solides sous
pression; difPiision des solides.
Thomsok (J. J.). — Decharges 61ec-
triques dans les gaz.
TscHERNiKG. — L'accommodation.
Villard. — Bajons cathodiques.
ViLLARi. — LMonisation des gaz.
VioLLB. — Vitesse du son.
Voigt. — i^lasticit^. et sym^trie des
cristauz.
YAK DER Waals. — Statique des
fluides (m^langes).
Warbürg. — L^hyst^resis magn^-
tique.
Wien (W.). — Temp^rature et en-
tropie de la radiation.
Witz. — Progr^s r^cents de la
th^orie des moteurs thermiques.
99
Die IHmensionen des du/nklen Kathodenraumes
hei verschiedenen Oasen; von H. Mbert.
(Vorgelegt in der Sitsung vom 11. Mai 1000.)
(Vgl. oben S. 93.)
In einer früheren Arbeit^) habe ich gezeigt, dass sich
die Dicke d des HiTTOBF'schen Eathodendunkelraumes , d. h.
der sogenannten zweiten QoLDSTEiN'schen Eathodenschicht, bei
abnehmendem Gasdrücke p nach dem einfachen Gesetze
(I) d.p^^d,'
vergrössert, wobei m (< höchstens = 1) und d^ fQr das Gas
und die Entladungsbedingungen charakteristische Constanten
sind. Die Mitteilung weiteren Beobachtungsmateriales hat sich
bislang dadurch verzögert , dass es im höchsten Grade er-
wünscht erscheinen musste, die Messungen auch auf die ein-
atomigen Edelgase, namentlich Helium und Argon auszudehnen,
dass aber die Herstellung dieser Gase in der hierfür zu fordern-
den Reinheit solche Schwierigkeiten bereitete, dass diese Mes-
sungen noch nicht definitiv abgeschlossen werden konnten.
Ich möchte mir dagegen erlauben, über einige an zwei-
atomigen Gasen unterdessen erhaltene Ergebnisse kurz zu
berichten.
1. Solange der Gasdruck noch ein verhältnismässig hoher
und die (von den Wänden des Entladungsraumes hinreichend
weit entfernte) Kathode noch nicht vollkommen mit Glimm-
licht bedeckt ist (also nach Hm. Wabbübg in dem Stadium
des „normalen Kathodengefälles"), wächst d sehr rasch mit
abnehmendem p, ä. h, der Exponent m der beiden geometri-
schen Reihen, welche die einander entsprechenden d- und p-
Werte bilden, ist gross: d^/d^ = (p^lpj)^, oder, wenn man
logp als Abscisse^ logd als Ordinate aufträgt, so steigt die
das Wachstumsgesetz log d+m\ogp=con6t darstellende gerade
Linie steil an. Hierbei kann m den Wert 1 erreichen; dann
verhalten sich die Dicken des Dunkelraumes einfach umge-
kehrt proportional den Gasdrucken. Die Relation I gilt auch
1) H. Ebbet, Wied. Ann. 69. p. 200. 1899.
100 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaffc. [Nr. 9.
/
dann noch, wenn die Rohrwände der Elektrode ziemlich nahe
stehen, z. B. in cylindrischen Röhren, wenn auch nicht bis zu
ganz tiefen Drucken; auch in diesen Fällen ist dann m gross,
selbst wenn die Kathode bereits ganz mit Glimmlicht bedeckt ist.
Das Glimmlicht trat auch bei den von mir verwendeten
hochfrequenten Wechselströmen zuerst am Rande der Elek-
trodenscheibe auf, längs dessen es bei abnehmendem Drucke
immer weiter um sich griflf. Wo es gegen noch unbedeckte
Oberflächenpärtien grenzt, ist eine eigentümliche Aufbiegung
und Zuschärfung des Randes an der zunächst nur sehr dünnen
Glimmlichthaut bei allen Gasen bemerklich, eine Erscheinung,
welche die Herren Paalzow und Neesen auch bei der Batterie-
entladung in Luft bemerkten.') Für die Mechanik der sicH
hier abspielenden Vorgänge scheint dieses Phänomen von
Bedeutung zu sein.
Eine andere Erscheinung wurde öfter bei den höheren
Drucken beobachtet, namentlich wenn die Elektrodenplatten
neu waren: Die Anodenlichterscheinung und die Kathoden-
erscheinung, welche durch den Wechselstrom rasch hinter-
einander an derselben Platte ausgebildet werden, bevorzugen
räumlich verschiedene Plattenstellen zu ihrer Ausbildung.
Es hat den Anschein, als ob ein nachfolgendes Anodenlicht
die Stellen vermiede, welche vorher von den Kathodenschichten
eingenommen waren. Dieses Verhalten erinnert an eine von
Hrn. E. Goldstein entdeckte Nachdauer der Wirkung bei
einer Elektrode, die aus zwei verschiedenen Metallen (Alund Ag)
besteht. ^) Das Anodenlicht verschmähte beim Commutiren des
Stromes diejenige Metallhälfte, welche vom Kathodenlicht bevor-
zugt wurde. Bei meinen Versuchen macht sich diese Wirkung
in Bezug auf verschiedene Teile einer Elektrode aus ein und
demselben Materiale (AI) geltend. OflFenbar infolge dieser
einseitigen Beanspruchung durch die beiden Glimmphänomene
wurde der Rand vielbenutzter Elektrodenplatten allmählich
ganz blank und immer mehr metallisch glänzend, die Mitte
dagegen rauh und matt. Während also die Randpartien redu-
cirenden Wirkungen ausgesetzt schienen, machte sich in der
1) A. Paalzow u. F. Neesek, Wied. Ann. 56, p. 277. 1895.
2) E. Goldstein, Verhandl. d. Physikal. Gesellsch. zu Berlin 11.
p. 785. 1892; Wied. Ann. 48, p. 785. 1892.
Nr. 9.] Sitzung vom 11. Mai 1900. IQl
Mitte eine oxydirende Wirkung geltend, was vielleicht auf eine
räumliche Scheidung der Ionen hinweist.^)
2. Von dem Momente an, in welchem sich die Elek-
trodenplatte voUiommen mit Glimmlicht bedeckt hat,
gilt zwar noch die Beziehung (I) ganz genau, nur wächst jetzt
die Dicke d langsamer mit abnehmendem Drucke p (m ist
kleiner als vorher) bei allen zweiatomigen Gasen. (CO,
zerfällt bei der starken elektrischen Beanspruchung in CO
und wie das SpectrQskop bestätigt, kann also als Gemisch
beider und daher als zweiatomig angesehen werden.)
Erst wenn die Elektrodenplatte vollkommen gleichmässig
von den Glimmlichtschichten überzogen ist, sind die für .die
verschiedenen Gase erhaltenen Messwerte untereinander ver^
gleichbar. Ferner müssen nach den früher (1. c. p. 202) ge-
gebenen Erörterungen die Rohrwände allseitig weit von den
äussersten Glimmlichtspitzen entfernt sein. Bei allen im
Folgenden mitgeteilten Resultaten waren diese beiden Be-
dingungen erfüllt. Dann gilt für alle Gase von dem betreflfen-
den Drucke an der Satz 1:
Nehmen die Drucke nach einer geometrischen
Reihe ab, so nehmen die Dicken der Dunkelräume
nach einer geometrischen Reihe zu; die Reihenexpo-
nenten sind aber nicht einander gleich, stehen aber
durch Gleichung (I) in einer einfachen Beziehung zu
einander.
Es ist bemerkenswert, dass Hr. E. Goldstein ^j ein ganz
analoges Gesetz für die Zunahme der Schichtintervalle bei
der Anodensäule mit abnehmender Gasdichte in Luft, Hg und
Gemengen beider Gase fand. Dies weist aufs neue auf die
auch durch anderweitige Erfahrungen gestützte Vermutung
hin, dass jene Schichten analog constituirt sind wie die Ka-
thodenschichten und sie daher auch analogen Vorgängen ihre
Entstehung verdanken.
Für dieselbe Platte (AI-Scheibe von 0,51 mm Dicke und
1 cm Radins) wurden für m folgende Mittelwerte aus mehreren
untereinander übereinstimmenden Beobachtungsreihen erhalten:
1) Vgl. auch A. Wehkelt, Wied. Ann. 67, p. 421. 1899.
2) E. GoLDSTEiK, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
81. p. 876. 1881 ; Wied. Ann. 15. p. 277. 1882.
102 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 9.
Für H« w = 0,Ö5 CO, m = 0,52
„CO w - 0,60 Aör m = 0,49
„ N, m « 0,57 0, m = 0,46
Sie gruppiren sich in bemerkenswerter Weise um die
Zahl ^2' ^^^ grösste Abweichung vom Mittel m = 0,53 be-
trägt ± 0,07 ; durch kleine Verunreinigungen, namentlich ver-
schiedenen Trockenzustand des Gases^ können Abweichungen
bis zu diesem Betrage in der Gurvenneigung herbeigef&hrt
werden. Würde genau »^ = ^3 sein, so, würde in diesem Teile
das Wachstumsgesetz durch die Relation:
gegeben sem.
Wollte man annehmen, dass der Dunkelraum von der-
selben, der Stromstärke (die hier für allö Gase bei den be-
treffenden Drucken nahezu die gleiche war) entsprechenden
Zahl elektrisch geladener Gasteilchen gebildet werde, und dass
deren Volumen dem MAMOTTE'schen Gesetze zufolge umge-
kehrt proportional dem Drucke wachse, so hätte m für alle
Gase stetig von 1 bei hohen bis zu ^s toi niedrigen Drucken
abnehmen müssen, was entschieden nicht der Fall war.
Zeigen die Werte von m und damit die Neigungen der
log-Curven (vgl. p. 99 unten) für die verschiedenen Gase nur
untergeordnete Abweichungen, so weisen dagegen die Curven-
höhen oder die Werte der anderen Constante d^ (Dicken werte
für /> = 1 mm Hg -Säule) auf individuelle Unterschiede hin.
Für dieselbe Platte wie oben ergab sich für
H, d^ = 2,91 COj do = 2,08
CO do = 2,49 Aör d^ = 1,97
N, rf; = 2,21 Oj rfo » USÖ
Die Gase sind hier nach der Grösse der Dunkelräume,
bei derselben Elektrodenplatte, demselben Gasdrucke und den
nämlichen Entladungsbedingungen geordnet.^) Das Gemisch
Luft hat seine Stellung' zwischen den constituirenden Bestand-
teilen Ng und Og, CO2 liegt zwischen CO und 0. An den
Enden der Reihe steht einerseits H^ mit grösstem Dunkel-
1) Dass die geringen Unterschiede der Gesamtspannung und Strom-
stärke, welche durch die Verschiedenartigkeit der Gasfüllung selbst be-
dingt wird, keinen merklichen Einfluss bei der getroffenen Anordnung
auf die c?- Werte ausQben, wurde durch eingehende Versuche festgestellt.
Nr. 9.] Sitzung vom 11. Mai 1900. 103
räume, andererseits 0^ mit dem kleinsten. Wegen dem un-
gefähren Parallelismus der log-/>-log-«?-Geraden bleibt die Reihen-
folge der Gase dieselbe, wenn man die Dicke der Dunkelräume,
die sich iu ihnen entwickeln, bei anderen Gasdrucken vergleicht ;
bei der genannten Elektrode sind sie z. B. für p = 2,0 mm:
H, d«l,97 COg d=l,44
CO d « 1,64 A6r d « 1,89
N, d=l,49 Oj rf=l,32
3. Hat der Dunkelraum bei fortschreitender Evacuation
eine bestimmte Dicke A erreicht, so wird plötzlich das
Wachsen wieder ein schnelleres; wieder schliessen sich die
einzelnen Werthe genau dem obigen Gesetze an, aber m hat
einen viel grösseren Wert wie vorher.
Dieser „Knick" tritt bei der oben erwähnten Elektrode ein für
H, bei iZ= 2,0 und J««2,0
CO 1,3 2,2
Nj 1,0 2,2
COg 1,1 2,0
Aör 0,9 2,1
Oj 0,7 2,1
Diese Discontinuität kann nicht dadurch bedingt sein,
dass sich etwa die Glimmlichtschichten gegen die Glasumhül-
lungen der von oben her angesetzten Zuleitung drängen, denn
zieht man die innerste Glasröhre (c in Fig. 1 der oben citir-
ten Arbeit) zurück, sodass das Ansetzen von Glimmlicht nur
durch die äussere Umhüllung (Röhre d) gehindert wird, so
ändert dies an dem Verlaufe der Erscheinung nichts. Auch
die "untere Fläche des Zuleitungsstabes und die aus dem Winkel,
unter dem die beiden Metallflächen zusammenstossen, aus-
tretenden secundären Phänomene (Interferenzflächen nach Hrn.
Jaumann, Summationsgebilde nach Herren E. Wiedemann-
G. C. Schmidt) können nicht die Ursache sein; denn setzt
man andere Platten in den Stil ein, so bleiben die Phäno-
mene in dem Winkelraum die gleichen, die Discontinuitäten
ereignen sich dagegen bei anderen Drucken und Dicken. Bei
der Platte von 1 cm Radius beginnt das schnellere Abheben
der Glimmlichtschicht, wie man aus den oben angeführten
J- Werten sieht, von Dicken an, welche sehr nahe bei 2 mm
liegen; wird eine Platte von 1,41 cm Radius, also der dop-
104 Verhandlungen der Deutsehen Phjsikal. Gesellschaft. [Nr. 9.
pelten Fläche bei gleicher Dicke verwendet, so beginnt der
steilere Teil der das Gesetz darstellenden Linie für 0, erst
bei etwa p = 0,50, während der Knick bei der kleineren Platte
bei 0,70 liegt; da 0,70:0,50 = 1,40, also sehr nahe gleich 1,41
ist, so verschieben sich die Discontinuitätsdrucke 77 anschei-
nend umgekehrt proportional den Lineardimensionen der Elek-
trodenplatten unter sonst analogen Bedingungen (wozu nament-
lich wenigstens ungefähre Constanz der Stromstärke gehört;
die hier verwendete Maschine „schaffte so viel nach," dass
selbst bei Verdoppelung der Elektrodenfläche doch die Strom-
stärke nahezu auf demselben Werte erhalten werden konnte;
bei Anwendung anderer Elektricitätsquellen, insbesondere der
Influenzmaschine, dürfte gerade dieser Umstand wesentlich
anders ausfallen).
Der Druck 11 des Gemisches Luft aus ^/g N, und Ys O3
liegt bei ^5 ^fi + Vs 0,7 = 0,^, was mit dem direct gefun-
denen Werte übereinstimmt, die Discontinuitätsstellen werden
also durch Beimengungen pro rata ihres Betrages in der Druck-
scala verschoben. (AehnUch für die in CO und zerfallene
OOgiVii 1,3 + 7,1 0,7 = 1,1 wie oben.)
4. Jenseits der Discontinuitätsstelle werden die
Beobachtungen innerhalb der Grenzen der unvermeidlichen
Beobachtungsfehler bis zu sehr tiefen Drucken hinab wiederum
durch die Hauptgleichung (I) dargestellt; die Constanten m und
und d^ haben jetzt die Werte für
Hj if=0,97 />o«3,8
CO 0,78 2,6
N, 0,84 2,2
CO, 0,79 2,1
Aör 0,93 1,9
O, 0,78 1,6
In diesem Bereiche sind die Entladungsbedingungen viel
instabiler: die Dicke des Dunkelraumes nimmt während des
Stromdurchganges selbst fortwährend zu und gleichzeitig steigt
die Entladungsspannung. Dies ist so auffallend, dass man
daran allein schon, noch ehe man die Druck- und Dicken werf e
reducirt hat, sofort erkennt, dass man beim Evacuiren in das
Gebiet des steileren Curvenanstieges eingetreten ist. Am Aus-
sehen der Entladung selbst ist kaum ein Unterschied wahr-
zunehmen, nur wird von p = II an das Glimmlicht verwaschener.
Nr. 9.] Sitzung vom 11. Mai 1900. 105
Als Gesamtresultat aus allen Messungsreihen ergiebt sich,
dass die Gleichung (I) das Entwickelungsgesetz des Hittokf'-
schen Kathodendunkelraumes in allen einzelnen Fällen inner-
halb der Grenzen der Beobachtungsfehler wenigstens für höhere
und mittlere Drucke darstellt, nur haben die beiden Constanten
in verschiedenen Druckgebieten andere Werte. Gerade diese
Werte beanspruchen aber insofern ein besonderes Interesse,
als sie augenscheinlich durch die Vorgänge bedingt sind, welche
bei der Dunkelraumbildung wesentlich mitspielen. Versuchen
wir daher zum Schluss noch einige Anhaltspunkte über die
physikalische Bedeutung dieser Grössen zu gewinnen.
a) Die die Curvenhöhe bestimmende Constante dQ ordnet,
wenn wir vom grössten zum kleinsten Werte übergehen, die
Gase in eine Reihe (vgl. p. 102), welche einen bemerkenswerten
Parallelismus zu dei;]enigen Anordnung aufweist, auf welche
Hr. John S. Townsend bei dem Studium der Wanderung der
durch Röntgenstrahlen erzeugten Ionen durch die verschiedenen
Gase hindurch geführt wurde. ^) Nach ihm ist die DiflFusions-
geschwindigkeit der Ionen in H2 am grössten, in Og am kleinsten,
und hat in Luft einen mittleren Wert, der aber dem für 0^
erheblich näher steht als dem für H3, wie bei uns.
(Dass dort CO, an anderer Stelle steht wie hier, kann
seinen Grund in dem bereits oben erwähnten Dissociations-
vorgange haben.)
b) Die die Curvensteigung bestimmende Constante m
scheint mit dem Verhältnisse der translatorischen Energie zur
Gesamtenergie in den Gasen (Ftran8i./^e8.) in naher Beziehung
zu stehen, welches für einatomige Gase gleich 1, für zwei-
atomige aber kleiner als 1 ist. In einer WasserstoflFatinosphäre
sind z. B. bei tiefen Drucken die Wasserstofflinien nur noch
in dem rötlichen Saume zu sehen, welcher die Elektrode un-
mittelbar umhüllt (1. Goldstein' sehe Schicht, mit der nach
Ausweis des Drehspiegels die Anodenschicht vollständig zu-
sammenfällt). Das Glimmlicht hat eine blassgrünliche Farbe
und weist nur die Linien des von der Hg-Pumpe kommenden
flg-Dampfes auf. Hier wird der Dunkelraum also lediglich
1) Vergl. z. B. das Referat über diese Arbeit in der Physikal.
Zeitschr. 1. p. 313. 1900.
106 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 9.
gegen Hg-Dämpfe vorgeschoben. Als Steigungscoefficient er-
giebt sich sehr nahe m ^ M = 1. Nun ist aber nach Clausius
?^t«inBi./^ges. = 3/2 {CJC^ -. 1), es ergiebt sich also für CJC^ = k
in der That 1 , 66 , wie die Herren KuNDT und Waebueg für Hg-Dampf
fanden. Etwas Aehnliches scheint für Helium zu gelten, wenigstens
nähert sich M für dieses Gas immer mehr der Einheit, je
reiner es ist, sodass hier für seine Einatomigkeit ein neues
Beweismittel gegeben wäre.
Man kann den eben gezogenen Schluss vielleicht auch auf
die unter 2. genannten Curventeile der Gase ausdehnen, welche
die den zweiatomigen Gasen eigentümliche geringere Steigung
^ = ^tranBi/^es. ca. Y2 babeu (vgl. p. 102). Man erhält dann
freilich kleinere Werte für k (ca. 1,33) als sonst diesen Gasen
zukommt. Man darf aber nicht vergessen, dass diese in der
Umgebung der Wechselstromelektrode eine sehr hohe Temperatur
besitzen. Der Wert für k hat sich immer für höhere Tem-
peraturen wesentlich kleiner als für niedrige ergeben. Setzt
man die Relation C^ — (7^ = Ä (Ä Gasconstante, = 2 cal) auch
hier noch als gültig voraus, so kann man C^ eliminiren und
wird dann auf Grund der bekannten Relationen zwischen C^
und der Temperatui'^) zu Temperaturwerten des Gases für den
hier gefundenen Wert von ä = 1,33 geführt, welche nicht zu
hoch sein dürften.
Anf die individuellen Verschiedenheiten der einzelnen Gase
bezüglich des m sei nur hingewiesen.*) Deutet man m in
diesem Sinne, so würde die Gleichung (I) aussagen: Je mehr
ein Gas geeignet ist, ein ihm zugefuhrtes Quantum Arbeit in
translatorische Energie überzufuhren, um so schneller wächst
bei ihm der Dunkelraum bei Verminderung des Druckes.
München, Phys. Inst. d. Techn. Hochschule, April 1900.
1) Vgl. z. B. E. H. Amaoat, Compt. rend. 121. p. 863. 1895.
2) Bemerkenswert ist z. B. die Sonderstellung, welche das Chlor in
thermischer Beziehung einnimmt. Es verhält sich wie ein dreiatomiges
Gas. Bekannt ist nun, wie es auch bei Gasentladungen ein durchaus
abweichendes Verhalten im Vergleiche mit allen übrigen Gasen zeigt
Dunkelräume lassen sich in ihm kaum erzeugen (Fa&aday), Monkmann
konnte die in anderen Gasen gefundenen Stauwirkungen in Gl nicht nach-
weisen etc.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Jahrg. 2. Nr. 10.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
S^ttxnns TOni 25. Mai 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Wabbdkg.
Hr. H. Starke spricht
über die Reflexion der Kathodenstrahlen.
Hr. F. F. Martens demonstrirt dann
einen neuen Flammenmesser für Hefnerlampen.
Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte
zu Aachen, 17. bis 22. September 1900.
Diejenigen Mitglieder, welche beabsichtigen auf der dies-
jährigen Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in
der Abteilung für Physik einen Vortrag zu halten, werden
gebeten, das Thema bis zum 15. Juni Hrn. Prof. Dr. Max Wien
in Aachen mitzuteilen, damit dasselbe noch in die dem-
nächst zu versendenden allgemeinen Einladungen aufgenommen
werden kann.
•108
Neuer Flammen/messer für STefnerlam^pen;
van F. F. Martens.
(Vorgetragen in der Sitzuhg vom 25. Mai 1900.)
(Vgl. oben S. 107.)
Als Lichteinheit definirt man zur Zeit in Deutschland
allgemein die Lichtstärke einer ÜEFNER'schen Amylacetatlampe,
deren Flammlenhöhe 40 mm beträgt.
um die Höhe der Flamme zu messen, sind zwei Flammen-
messer im Gebrauch, das Hefner' sehe Visir und der Knüss'-
Fig. 1.
sehe optische Flammenmesser. Beide sind nicht als vollkommen
zu bezeichnen. Das HEFNEß'sche Visir erfordert eine ganz
bestimmte Stellung des Auges. Hr. Kbüss entwirft ein reelles
Bild der Flammenspitze auf einer Mattscheibe; letztere ver-
schluckt viel Licht, sodass der lichtschwache, äusserste Teil
Nr. 10.] Sitzung vom 25. Mai 1900. 1Ö9
der Flamme schwer oder gar nicht sichtbar ist. — Hr.
Bbodhün und Hr. Liebenthal haben mittels eines Hohlspiegels
bez. einer ebenen Glasplatte ein reelles bez. virtuelles Bild
einer hellen Linie am Orte und in der Höhe der Flammen-
spitze entworfen; beide Methoden sind nicht in die Praxis
eingedrungen.
Der neue Flammenmesser besteht aus einem rechtwink-
ligen Prisma P (vergl. Fig. 1 und Fig. 2), welches fest mit der
Lampe verbunden ist. Die Hypotenusenfläche ist sphärisch
geschliffen, sodass ein reelles umgekehrtes Bild der Flamme
über der wirklichen Flamme entsteht. Die Flammenhöhe wird
(durch Verschieben des Dochtes im Dochtrohr) so regulirt,
dass die wirkliche und die gespiegelte Flammenspitze sich
gerade berühren. Steigt nun z. B. die Flammenhöhe 1 mm,
so senkt sich das Flammenbild 1 mm, die Verschiebung der
Spitzen gegeneinander beträgt 2 mm.
Verschiebt sich während der Beobachtung die Flammen-
spitze seitlich, z. B. in der Richtung des in Fig. 2 gestrichelt
gezeichneten Pfeiles, so bewegt sich das Bild in demselben
Sinne; die gespiegelte und die wirkliche Flammenspitze liegen
stets übereinander und können daher genau zur Berührung
gebracht werden. Dies ist nicht der Fall bei Anwendung eii^es
einfachen Hohlspiegels an Stelle des Prismas ^ da sich dann
die beiden Spitzen in entgegengesetztem Sinne bewegen.
Um das Prisma zu justiren, wird eine Lehre, deren obere
Schneide gerade 40 mm über dem Rande des Dochtrohres
liegt, auf die Lampe gesetzt. Das Prisma wird dann so be-
festigt, dass die wirkliche und die gespiegelte Lehre sich gerade
berühren.
Berlin, Optische Werkstätte von Feanz Schmidt äHaensch.
110
Ueber Spectra von Gasgemengen und von JEnt-
ladungshüllen; von E. Goldstein*
(Mitgeteilt in der Discussion über den Vortrag des Hrn. Lewis in der
Sitzung vom 11. Mai 1900.)
(Vgl. oben S. 93.)
Aus unveröflFentlichten Beobachtungen, die ich vor längerer
Zeit angestellt habe, kann ich den von Hrn. Lewis consta-
tirten Einfluss von Beimischungen auf das Spectrum des Stick-
stoffs bestätigen. Wird dem Stickstoff Sauerstoff zugesetzt,
so wird die relative Helligkeit des schraffirten Teiles seines
Spectrums (Rot bis Anfang des Grün) stark herabgesetzt. Um-
gekehrt wenn Luft stark mit Natriumdampf geschwängert wird.
Der grösste Teil des Spectrums von Grün bis einschliesslich
Violett wird dann sehr schwach, während Rot bis beginnendes
Grün grosse Helligkeit zeigen. Auch im Spectrum von Stick-
stpff, der aus Natriumnitrit und Salmiak hergestellt war, beob-
achtete ich beim schraffirten Teil des Spectrums viel grössere
relative Helligkeit als bei Stickstoff, der aus der Atmosphäre
durch Einleiten von Luft • in Kalilauge mit Pyrogallussäure
gewonnen war. Die Spectralröhre selbst erscheint bei dem
aus Natriumnitrit bereiteten Stickstoff goldgelb, wenn sie unter
sonst gleichen Entladungsbedingungen bei atmosphärischem
Stickstoff mehr pfirsichblütfarbiges Licht giebt. Ueber den
spectralen Einfluss von Beimengungen hat auch A. Schüstee
Beobachtungen publicirt.
Hr. Lewis erwähnt femer ein chamoisgelbes Leuchten
des verdünnten Stickstoffs nach Unterbrechung der Entladung.
Ueber das gelbe nachleuchtende Licht bei Luft und über die
entsprechende (himmelblaue) Erscheinung bei Wasserstoff habe
ich bereits 1883 Beobachtungen veröffentlicht.^) Die betreffen-
1) £. Goldstein, Verhandl. d. Physik. Gesellsch. zu Berlin 2. p. 16.
1883.
Nr. 10.] Sitzung vom 11. Mai 1900. 111
den Erscheinungen rühren her von einer (mit der sogenannten
Aureole nicht identischen) besonderen Lichthülle, die von
atmosphärischen Drucken bis zu geringen Dichten die Ent^
ladung in allen Gasen umgiebt. Bei atmosphärischem Druck
ist die Entladungshülle eng und relativ kurzdauernd; je ge-
ringer die Gasdichte, desto grösser ist die räumliche Aus-
dehnung der Hülle und die Dauer ihres Nachleuchtens. Sehr
weite. Gefässe werden vollständig, von ihr erfüllt. Von einer
gewissen Dichte ab, die für cylindrische Röhren abhängt von
ihrer Weite und desto geringer ist, je grösser die Rohrweite,
nimmt die Helligkeit des Hüllenlichtes wieder bis zum Ver-
schwinden ab. Farbe und Formen der Lichthüllengebilde
sind von Gas zu Gas verschieden. Die auffallendsten Formen
zeigen sich in Wasserstoff. Das von Mobben, Sabasin u. A.
]intersuchte und auf fremde Beimischungen zurückgeführte
Nachleuchten GEissLEB'scher Röhren beruht, wie ich bereits
I. c. ausführte, auf diesen Erscheinungen der Entladungshülle,
die bei geringen Gasdichten die Röhre ausfüllt, und die eigent-
liche Entladung beträchtlich überdauert. Dass sie bei den
entsprechenden Gasdichten von so vielen Autoren nicht wahr-
genommen bez. erwähnt wurde, dürfte lediglich mit dem
Umstände zusammenhängen, dass die. Erscheinung nur in
trockenen Gasen deutlich wahrnehmbar ist. Eine Beimen-
gung zu den reinen Gasen also ist für ihr Auftreten nicht
erforderlich. H. Hebtz, der die Erscheinung selbständig noch-
mals auffand und sie von anderen Gesichtspunkten aus —
namentlich bezüglich ihrer, mechanischen und Wärmewirkungen
— untersuchte, fand, dass die Entladungshülle, obwohl un-
sichtbar, auch in feuchten Gasen existirt, insofern ihre mecha-
nischen und Erwärmungswirkungen auch dort zu erzielen sind.
Hebtz hat auch gefunden, dass die Lichthülle in Stickstoff
ein discontinuirliches Spectrum giebt, das verschieden ist von
dem bekannten Bandenspectrum des Stickstoffs, hat aber d.iese
Beobachtung nicht veröffentlicht. An dem Licht der blauen
Entladungshülle in Wasserstoff habe ich selbst ein von Grün bis
Ultraviolett reichendes, aus mindestens zehn gleichartigen Ban-
den bestehendes Spectrum aufgefunden, das von den bekannten
beiden Wasserstoffspectren durchaus verschieden ist (1. c. p. 18).
Hebtz, der es ebenfalls beobachtete, war über seine Zugehörig-
112 Verliandliiiigeii der DeatacbeD PfaysikmL GeaeUsehalt [Nr. 10.
keit in Zweifel^); ich selbst habe mich durch Anwendung
möglichst reiner Materialien nnd einwurfefireier Znleitnngs-
methoden überzeugt, dass es sich um ein neues (drittes)
Wasserstoflbpectrum handelt. — In Sauerstoff und stark sauer-
stoffhaltigem Stickstoff (Luft) ist das Hüllenlicht gelb, sein
Spectmm continuirlich. — Hr. Lewis hat die interessante Er-
sdieinung constatirt, dass die Glaswand einer Entladungsrohre,
die Yon schwach feuchtem Stickstoff durchströmt wird, viel
beller phosphoresdrt, als wenn das Gas ruht. Nach Erschei-
nungen, die ich an festen Körpern unter dem Einfluss der
Entladung beobachtet habe, scheint es mir denkbar, dass ein
▼on Entladungen durchsetztes ruhendes Gas in den ersten
Momenten eine andere Strahlung hat , als spater. Die ultra-
violette, phosphorescenzerregende Strahlung, die Hr. Lewis
auch photographisch bei dem strömenden Gase constatirt hat^
würde dann nur der Emission der ersten Entladungsmomente
angehören, und in seinen Versuchen scheinbare Dauer nur
dadurch gewinnen, dass fortwährend frisches Gas durch das
Entladungsrohr strömt Die Erscheinungen, die andauernden
Entladungen in ruhendem Gase entsprechen, fallen dann w^,
und es summiren sich für das Auge lediglich die Erscheinungen
des Entladungsanfangs.
1) £L Hebez, VerhandL d. Physik, aeselbch. za BerUn 2. p. 15. 1883.
Druck von MeUger & Wittig in Leipzig.
Jahrg. 2. Nr. 11.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen G-esellschaft.
Sitzung Tom 15. Juni 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Wakbükg.
Der Vorsitzende gedenkt des Verlustes, den die
Gesellschaft durch den am 7. d. Mts. erfolgten Tod
ihres langjährigen Mitgliedes
E. R. Hoppe,
Professor und Privatdocent an der Universität Berlin,
erlitten hat. Die Anwesenden erheben sich zum
ehrenden Angedenken des Hingeschiedenen.
Die folgenden, vom Vorstand beantragten Aenderungen
der Satzungen
1. § 1 erhält folgenden Zusatz:
Die Gesellschaft soll in das Vereinsregister eingetragen
werden. Nach erfolgter Eintragung erhält der Name
der Gesellschaft den Zusatz: „Eingetragener Verein ^^
2. In § 2.c) werden die Worte: „und Chemie** gestrichen.
3. In § 13 werden die Worte: „Am Schluss dieser Sitzung**
abgeändert in: „In dieser Sitzung".
4. In § 16 werden die Worte: „des Vorstandes" gestrichen.
114 Vcyiaa^.^nsges (kr De-zäebea PkjmkaL GcarfWIaft- Xr. 11.
5. Zu § 15 wird fainzngefugt:
Ist ein doswärdges Khglied zum Vordtzenden gewählt,
so muss ausserdem ein Berüiier Mitglied als stell-
rertretender geächäftsführender Vorsitzender gewählt
werden. Zwischen beiden werden die Geschälte (§ 26
und 21, in angemessener Weise geteilt.
6. In § 33 werden die Worte: ..dem Inhalt nach** ab-
geändert in: ..dem Wortlaut nach-.
werden Ton der nach § 33 hierzu beschlnssfahigen Versammlung
in erster Abstimmung einstimmig angenommen. Es hat über
diese Anträge nunmehr eine zweite auf schriftlichem Wege
Torzunehmende Abstimmung stattzufinden, zu der sämtliche
Mitglieder der Gesellschaft aufgefordert werden.
Hr. M. TUe^n trägt vor:
über allgemeine Xaturconstanten.
Von Hm. E. Wabbfbg werden dann folgende Abhand-
lungen Toi^elegt:
1. Hr. CL Schiefer:
über den Einfluss der Temperatur auf die
Elasticität der Metalle.
2. Hr. W. MftUer-Erzbaeh (Bremen):
der nach der Verdunstung dynamisch gemessene
relative und absolute Dampfdruck des Quecksilbers
und anderer Flüssigkeiten.
3. Hr. W. Eaufinann (Göttingen):
Versuch einer Erklärung des dunklen Kathoden-
raumes.
Anknüpfend an die letzte dieser Mitteilungen spricht
Hr. E. Ooldstein ebenfalls
über den sogenannten dunklen Eathodenraum.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 115
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. Dbnizot, Charlottenburg, Charlottenburger Ufer 9.
Hr. Dr. B. A. Woeingeb, Grunewald, Hagenstrasse 3.
Hr. Dr. H. Siedentopf, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der
optischen Werkstatt von C. Zeiss in Jena.
116
TJeber allgemei/ne Natur constanten;
von M. Thiesen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 15. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 114.)
Hr. Planck hat bemerkt, dass das WiEN^sche Strahlungs-
gesetz zwei Naturconstanten liefert, welche im Verein mit der
Lichtgeschwindigkeit und der Constanten des Gravitations-
gesetzes genügen, um die mechanischen Grössen und die
Temperatur in natürlichen, von der Beschaffenheit eines be-
sonderen Körpers unabhängigen Einheiten auszudrücken.^) Ich
selbst wies dann darauf hin, dass zwei solche Constanten auch
schon, unabhängig von der meiner Meinung nach weder theore-
tisch noch experimentell genügend gesicherten besonderen Form
des Strahlungsgesetzes, aus den für schwarze Körper von
BoLTZMANN uud vou WiEN aufgestellten Gesetzen folgen, welche
die Abhängigkeit der Gesamtstrahlung und der Lage des
Strahlungsmaximums von der Temperatur bestimmen, und
gegen welche keine Bedenken vorliegen.^)
Nun sind aber noch weitere allgemeine Naturconstanten
bekannt oder doch theoretisch aufgestellt worden, und es liegt
die Frage nahe, welche Beziehungen zwischen ihnen und dem
oben erwähnten System — zu dem man noch die Constante
des CouLOMB'schen Gesetzes hinzufügen wird — bestehen.
Man wird als Princip hinstellen können, dass es voneinander
unabhängige Naturconstanten gleicher Dipaension nicht giebt.
Treten daher selbst auf den verschiedensten Gebieten solche
Constanten von gleicher Dimension auf, so wird man das Be-
stehen einer theoretischen Beziehung zwischen ihnen behaupten
dürfen und man wird Grund haben, die Beziehung als eine
enge anzusehen, wenn sich das Verhältnis der Eins nähert. Ein
klassisches Beispiel dafür, dass eine zunächst rein empirisch
1) M. Planck, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
1899. p. 440; Ann. d. Phys. 1. p. 69. 1900.
2) M.THiE8EN,VerhandI. d. Deutsch. Physikal. Gesellscb. 2.p.67. 1900.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 117
gefundene Beziehung zwischen zwei Naturconstanten von der
grössten Bedeutung für die Theorie werden kann, bietet die
Vergleichung der aus der Verbindung des CouLOMB'schen mit
dem Amp^jbe' sehen Gesetze folgenden Constante mit der Licht-
geschwindigkeit.
Ich habe es daher für nicht unwichtig gehalten, ander-
weitig aufgestellte Naturconstanten in den Einheiten des er-
wähnten Systems auszudrücken. Zu diesem Zwecke sind zu-
nächst die Einheiten des Systems in den üblichen Einheiten
(Gramm, Centimeter, Secunde, Celsiusgrad, elektrostatische
Einheit) wiederzugeben. Es sind dies die folgenden:
1. Die Lichtgeschwindigkeit
^ = ^1^' 1/1 = 1010.2,998; Log Vj = 10,477.
2. Die Beschleunigung, welche einer Masse durch die
Masse Eins im Abstände Eins erteilt wird:
"P^-'Pi-^^' <jPi = 10-8.6,66; Log<;Pj = 8,823.
3. Die bewegende Kraft, welche die Einheit der Elek-
tricität auf eine mit der Einheit der Elektricität verbundene
Masse ausübt:
__ g.cm' , __ -
^ ~'^i e^.sec« ' ^1 — A.
4. Die Strahlungsdichte bei der Temperatur Eins:
^ ^ ^ g
1 cm .sec'. Orad*
Aus den Versuchen folgt unmittelbar er v gleich dem vier-
fachen Wert der von der Flächeneinheit in der Zeiteinheit
ausgesandten Energie. Nach Kurlbaum wird:
^1 ^1 = ^ • 1S2 = ^'^^^ ^^- ' ^^« ^1 = ^'^^^•
5. Die Wellenlänge, welcher bei der Temperatur Eins die
grösste Strahlungsenergie entspricht:
T = Tj cm . Grad ; r^ = 0,293 ; Log r^ = 1,467.
Hiermit vergleichen wir die folgenden Constanten, welche
mit den vorstehenden fortlaufend numerirt werden sollen.
118 Verhandlungen der Dentachen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
6. Die aus dem AyooADBo'schen in Verbindang mit dem
BoYLE'schen und (rAY-LussAG'schen Gesetze folgende Constante,
welche man nach dem Vorgange von Boltzmank als Losghmedt'-
sche Constante zu bezeichnen anfangt, d. h. die Zahl der
Teilchen eines ideellen Gases in der Raumeinheit, welche bei
der Temperatur Eins den Druck £ins ausüben:
,. ,. sec'.Grrad ^ a i q
Nach den sichersten Schätzungen ist diese Zahl bei 0^
und dem Drucke einer Atmosphäre etwa gleich 21.10^^; dar-
aus folgt
fi = 5,66 . 10^«; Log Ci = 15,753
und weiter
Log?i^i^i' = 0,003; fj(rTi»=l,0.
Es ist also empirisch gefunden:
f^T»=l.
Ist die gute numerische Uebereinstimmung wohl auch
mehr als eine zufallige anzusehen, so ist immerhin das be-
merkenswerte, wenn auch zunächst ohne Erklärung dastehende
Resultat bewiesen, dass der Ordnung nach der Druck, welchen
die schwarze Strahlung bei der Temperatur Eins ausübt, gleich
dem Druck ist, welchen ein Teilchen in der Raumeinheit bei
derselben Temperatur ausübt, vorausgesetzt, dass Räume und
Temperaturen in unsem oben aufgestellten natürlichen Ein-
heiten gemessen werden.
7. Das elektrische Elementarquantum (nach Helmholtz
und Budde)
6 = £^ e = €j (T^V« TT"^/'/» . «•*/• T*/"*'».
Direct gut bestimmt ist
«1 fi = 10« . 3,481 ; Log «j f ^ = 6,5 12.
Daraus folgt
Loge, fr fl^T-^x'l^=%9S0.
Die aus dem CouLOMB'schen (oder ÄMPjfcRE'schen) Gesetze
in unsem natürlichen Einheiten definirte Mektricitätseinheit
wäre also nahe das Zwölffache des elektrischen Elementar-
quantums. Auch hier deutet der kleine Zahlenfactor eine enge
theoretische Beziehung an. Die directe Bestimmung von «
durch J. J. Thomson führt zu wesentlich demselben Resultate.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 119
8. Der LoßENz'sche Temperaturgrad ^), das ist „die Tem-
peraturerhöhung, welche die Arbeitseinheit in derselben Zahl
von Grundstoflfatomen, welche die Elektricitätseinheit normal
aus dem Elektrolyten ausscheidet, hervorbringt" :
7/i = 10M,416; Log^i = 6,151.
Hieraus folgt Log ^^ (t^'/«Ti;^V« = 2,543; der Zahlenfactor
in dem Ausdrucke von tj durch die natürlichen Einheiten hat
also wieder nur einen massigen Wert.
Der Ausdruck für 17 lässt nun eine interessante Umfor-
mung zu. Führt man nämlich b und ^ an Stelle von x und
<T ein, so erhält man unter Fortfall von r
und bei Auswertung des Zahlenfactors
4- = 0,406. .
Diese Gleichung sagt aber aus, wie man leicht bei näherem
Eingehen auf die Definition der Grössen ri und 6 f findet, dass
für ein normales zweiatomiges Gas, wie es Lorenz voraussetzen
muss, die Gleichung besteht:
Druck = 0,406 . Dichte . Temperatur . Specifische Wärme bei
gleichem Volumen.
Die Richtigkeit dieser Gleichung folgt aber aus dem
Clausius' sehen Ausdrucke für die Differenz der specifischen
Wärmen und daraus, dass das Verhältnis der specifischen
Wärmen für ein Gas der betrachteten Art nahe gleich 1,4
ist. Man erkennt gleichzeitig, dass die Einführung der Grösse ri
durch LoKBNz eine unnötige Complication bildet; eine ein-
fachere Definition des Temperaturgrades hätte sich ihm aus
der Grösse cf ergeben.
9. Die LoEENz'sche Constante. ^) Als solche bezeichne
ich den Quotienten aus der Wärmeleitungsfähigkeit durch die
absolute Temperatur und die elektrische Leitungsfähigkeit:
1) L. Lorenz, Pogg. Ann. 147. p. 433. 1872.
2) L. Lorenz, Wied. Ann. 13. p. 599. 1881.
120 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
Dass t/^j selbst für reine Metalle nicht vollkommen con-
stant ist, scheint festzustehen^), ebenso aber auch, dass die
Abweichungen für die am besten leitenden Metalle sehr klein
sind. Hr. Deude leitet aus seiner Elektronentheorie eine Be-
ziehung ab ^), die in unserer Bezeichnung
lauten würde. Berechnet man aus dieser Beziehung den
Wert von 1/;^, so erhält man
t//i = 2,48 . 10-13; Logi/^i = f3,394.
Die directen Bestimmungen der Leitungsvermögen von
Metallen durch die Herren Jaeger und Diesselhobst ergeben
Werte von t//^ , die sich dem oben berechneten für die reinen,
besser leitenden Metalle sehr nähern und mit einziger Aus-
nahme von Aluminium bei 18^ sämtlich grösser sind. Die
DEüDE'sche Beziehung, welche von ihm selbst nur an sehr
unsicheren Werten von c^ geprüft wird, scheint daher das
constante Hauptglied von t// gut darzustellen.
10. Das Verhältnis von Ladung und Masse in den Ka-
thodenstrahlen:
ö) = ©i -^ = löj (pY'l'z'J* . q)"l^/-'i^ .
Die bisherigen Bestimmungen von «^ sind noch um einen er-
heblichen Bruchteil unsicher; wir setzen
«j = 5 . 10^7; Log«i = 17,699.
Daraus folgt
Log «,y7V.;^;/. = 21,287.
Hier tritt also zum ersten Male eine sehr grosse Zahl in
die Beziehung zwischen Naturconstanten gleicher Dimension
1) Ich seihst hatte etwa im Jahre 18S9 die später von Hm. Liebenow
veröffentlichte Formel, nach welcher die Abweichungen der Grösse Ytp
von einer Constanten die thermoelektrische Hohe der Metalle definiren,
aus der Hermann -KoHLRAuscH'schen Theorie unter teil weiser Benutzung
ihrer Kritik durch Hrn. Büdde abgeleitet und eine experimentelle Prüfung
auf elektrostatischem Wege beabsichtigt. Da letztere unterblieb, so habe
ich auch die Ableitung nicht veröffentlicht.
2) P. Drude, Ann. d. Phys. 1. p. 577. 1900.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 121
ein. Doch darf man deshalb wohl nicht die Bedeutung der
Grösse (o unterschätzen; vielmehr spricht manches für die
Zweckmässigkeit, die Grösse q) aus unserem System zu ent-
fernen, etwa in der Annahme, dass die NBWTON'sche Attraction
nur eine secundäre Differenzwirkung sei.
Führt man m statt q) und etwa noch c an Stelle von /
ein, so kommt man zu einem, wie mir scheint, viel harmoni-
scheren System, als dem ursprünglichen, in welchem beispiels-
weise die Einheit der Dichte eine 93-ziffirige Zahl ist.
122
TJeher den Ei/nfluss
der Temperatur auf die Elasticitüt der Metalle;
von Clemens Schaefer.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 15. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 114.)
§1.
Während die bisherigen Untersuchungen über die Aende-
rung der Elasticität mit der Temperatur immer in dem Inter-
vall von + 20^ bis + 100^ und höher hinauf gemacht wurden,
wurde in der vorliegenden Arbeit die Elasticität bei tiefen
Temperaturen (Kohlensäure- Aether-Gemisch von ca. — 70^ C;
flüssige Luft von ca. — 186^ C.) untersucht.
Gemessen wurden die Temperaturcoefficienten für den
Elasticitäts- und Torsionsmodul, sowie die absoluten Werte
der Moduln; auch über die elastische Nachwirkung und die
Elasticitätsgrenze wurden Beobachtungen angestellt.
Die benutzten Methoden sind folgende:
1. Verlängerung durch Zug zur Bestimmung des Tem-
peraturcoefficienten für den Elasticitätsmodul und des absoluten
Wertes des letzteren;
2. die Schwingungsmethode für den Temperaturcoefficienten
des Torsionsmoduls und dessen absoluten Wert;
3. eine statische Methode (vorzugsweise angewendet!) zur
Bestimmung des Temperaturcoefficienten für den Torsionsmodul,
sowie zur Messung der elastischen Nachwirkung und der Elas-
ticitätsgrenze.
§2.
Die Gestalt des Apparates ist aus nachstehender Figur
ersichtlich.
a ist die Holzplatte eines Dreifusses, in welche der
Messingstab {ö) eingeklemmt ist, der den zu untersuchenden
Draht (c) vermittelst einer Klemmschraube hält. Mit diesem
Drahte ist der (durchlöcherte) Aluminiumcylinder {d) fest ver-
bunden und dieser mit dem Gestänge (e), welches unten die
Holzplatte {f) mit Spiegel {s) und Haken trägt. Das ganze
Nr. 11.]
Sitzung vom 15. Juni 1900.
123
System kann also um die Längsaxe des Drahtes Schwingungen
ausführen, wonach die Bestimmung der Temperaturcoefficienten
für den Torsionsmodul
und der absoluten Werte
des letzteren ohne wei-
teres ersichtlich ist.
Wurde an dem er-
wähnten Haken ein Ge-
wicht befestigt, so senkte
sich das ganze System
um die dadurch be-
wirkte Verlängerung des
Drahtes; diese konnte
gemessen werden an
einer Mikrometerteilung
{M) mittels eines Mi-
kroskopes.
Endlich konnte, wie
aus der Figur ersicht-
lich, durch Anhängen
von Gewichten (kleinen
Drahtstücken) an die
Haken (ä) ein horizon-
tales Di'ehmoment auf die Scheibe {f) und folglich auf den
Draht (c) ausgeübt werden; die dadurch bewirkte Ablenkung
ist für die Torsionselasticität charakteristisch; ihre Aenderung
mit der Temperatur wurde gemessen.
§3.
Die Resultate lassen sich folgendermaassen zusammen-
fassen:
1. Der Elasticitäts- und Torsionsmodul {rj bez. k) lassen
sich in dem Intervall von -|-20® bis —186^0. darstellen in
der Form:
^.= ^20(1-^(^-20)),
^. = A3, (1-/9(^-20)).
Der lineare Zusammenhang ergiebt sich aus der Gleich-
heit der Temperaturcoefficienten in den beiden verschiedenen
Intervallen.
124 Verhandlungen d«'r Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
2. Der Temperaturcoefficient des Torsionsmoduls {ß) ist
grösser als der des Elasticitätsinoduls'(<^); infolge dessen wächst
der Quercontractionscoefficient fi mit der Temperatur.^)
3. Je grösser der thermische Ausdehnungscoefficient, oder
je niedriger die Schmelztemperatur, desto grösser die Tem-
peraturcoefficienten, vgl. Tabelle; eine Ausnahme macht allein
Gold.
4. Die elastische Nachwirkung wurde gemessen bei AI,
Agy Cu; sie zeigte bei Zimmertemperatur im wesentlichen den-
selben Gang; bei —186^ war sie bei allen Metallen unmerk-
lich geworden.
5. Die Elasticitätsgrenze wird durch Temperaturemiedri-
gung heraufgesetzt.
6. Der Quercontractionscoefficient fi lässt sich darstellen
in der Form:
1 . M . X 1 - a (^ - 20)
berechnet man aus dieser Gleichung die zu dem Werte ite^= J-
zugehörige Temperatur, so erhält man eine der Schmelztem-
peratur des betreffenden Metalles naheliegende Zahl, was mit
theoretischen üeberlegungen stimmen würde.
Es ergab sich so:
für Platin:
1741
C.
(1765«
beob.)
„ Nickel:
1391
(ca. 1400
»> )
„ Silber:
990
(971
» )
„ Kupfer:
1169
(1080
y* )
„ Palladium:
1724
(1587
»> /
„ Eisen:
1470
(ca. 1500
» )
Zum Vergleiche stelle ich in der folgenden Tabelle die
von mir beobachteten Werte des Elasticitäts- und Torsions-
moduls zusammen mit den Messungen älterer Beobachter; es
ist zu bemerken, dass die Dickenmessung, die auf der Teil-
maschine geschah, in die absoluten Werte einen Fehler von
etwa 1 Proc. hereinbringt.
1) Vgl. Katzenelsohn, Inaug.-Diss., Berlin 1887.
Nr. 11.]
Sitzung vom 15. Juui 1900.
125
Material
i?,o in kg/mm^
k^Q in kg /mm*
16220 (Tomlinson)
6630
(Tomlinson)
Platin
16020 (G. S. Meyer)
16029 (Schaeper)
6593
(Schaeper)
6669/ (^- Cardani)
2269
(Tomlinson)
Aluminium
6141 (Mallock)
6218 (St. Meyer)
7462 (G. S. Meyer)
6330 (Schaeper)
2329
(Schaeper)
21100 (Gm llaume)
23100 (M. Cantone)
Nickel
17500 (St. Meyer)
22600 (G. S. Meyer)
24800 (Tomlinson)
23544 (Schaeper)
9518
(Schaeper)
Silber
8I65I (B^u^^STER)
8356 (Tomlinson)
2650
2566
2770
(Baumeistbe)
(PlSATl)
(Tomlinson)
5897 (Schaeper)
2467
(Schaeper)
'
138481
14059/ (^- Cardani)
3612
(Wertheim)
11979.
4450
(Baumeister)
Kupfer
123121 (Amagat)
12145'
6464
3972
(Kiewiet)
(Pisati)
11977 (Olrarski)
3900
(Kohlrausch u. Loomis)
9754 (St. Meyer)
9879 (Schaeper)
3967
(Schaeper)
Palladium -!
9789/ (^'««theim) -
1
11284 (Schaeper)
4613
(Schaeper)
17800
19200 1
15900 (^-S. Meyer)
6940
8108
(Kohlrausch u. Loomis)
(Pisati)
Eisen
16040
7505
(Katzenelsohn)
21441 (Pjsati)
6706
(Wertheim)
19024 (Katzenelsohn)
7515
(Tomlinson)
19845 (Cardani)
18347 (Schaeper)
7337
(Schaeper)
126 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gresellschaft. [Nr. 11.
§5.
Die folgende Tabelle enthält eine Uebersicht über die
Resultate.
Material
Mittlerer
Aus-
dchiiungs-
coefficient
zwischen
Ou. 100
Torsions-
modul ^0
mm*
Jk
in 'lo
pro
100« C.
Elasti-
citäts-
modul
1/20 in
kg
mm*
in %
pro
lOO'^C.
^90
Schmelztemp.
beob.
ber.
Platin
0,0ß907
6593
1,78
16029
0,732
0,215
1765«
luv
Palladium
Eisen
0,041104
0,041113
4613
7337
2,696
3 035
11284
18347
1,979
2,250
0,223
0,247
1578
1500
1724
1470
Nickel
Gold
0,041279
0,041454
9518
3,280
3,014
23544
2,463
0,2395
1400
1070
1391
Kupfer
Silber
Aluminium
Zink
0,041698
0,041900
0,042336
0,042905
3967
2467
2329
1614
4,489
8,209
24,72
48,37
9897
5897
6330
4296
3,627
7,«5
21,32
0,245
0,195
0,359
0,331
1100
970
645
419
1169
990
Blei
0,042948
550
78,67
1493
—
0,4313
327
—
127
Der nach der Verdunstung dynamisch
gemessene relative und absolute Dampfdruck
des Quecksilbers u/nd anderer Jtlüssigkeiten;
von W. Müll er- Erzbach.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 15. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 114.)
Nimmt man nach Maxwell die Diffusionsconstante mit
dem Quadrate der absoluten Temperatur veränderlich an, so
kann man aus der Formel s^ ='{sT^p^lTp) die Spannung s^
für die Temperatur T^ berechnen, wenn sie für T gegeben ist.
Sind die Spannungen bekannt, so findet man aus dem Ge-
wichtsverluste die durchschnittliche Temperatur während der
Dauer des Versuches. Auf diesem umstände beruht die An-
wendung des Wärmeintegrators, mit dem ich selbst zunächst
befriedigende Resultate ^) erhielt und der auch nach den Beob-
achtungen an der Hamburger Seewarte von keinem der dort
benutzten Thermographen an Genauigkeit tibertroflfen wurde.*)
Es muss dabei vorausgesetzt werden, dass die Verdunstung
allein von der Temperatur an der Oberfläche der Flüssigkeit
und dem Druck des entwickelten Gases abhängig ist und das
hatte Heetz^) ebenso bei einer älteren Untersuchung über
den Dampfdruck des Quecksilbers bereits wahrgenommen.
Nach dem GEAHAM'schen Gesetze, dass die Ausströmungs-
geschwindigkeiten verschiedener Gase bei gleichem Druck den
Quadratwurzeln aus den specifischen Gewichten {d) umgekehrt
proportional sind, erhält man für die austretenden Volumina (v)
die Proportion
A. = i/A.
Sie gilt nicht nur für die Diffusion durch poröse Scheide-
wände, sondern sowohl nach einzelnen Versuchen Graham's,
wie besonders nach den zahlreichen und sorgfältigen Beob-
1) W. Müller-Erzbach, Verhandl. der Physikal. Gesellsch. zu Berlin
5. p. 36, 1888.
2) Zeitschr. f. Instrum entenk. 10. p. 97. 1890.
3) H. Hertz, Wied. Ann. 17. p. 177. 1883.
128 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
achtungen von J. Loschmldt^), wie nach den theoretischen
Erwägungen Stefanos 2) auch für die freie DiflPusion. Die Ab-
weichungen der Versuchsergebnisse von dem Gesetz gehen nur
in vereinzelten Fällen über die Grenze der Beobachtungsfehler
weiter hinaus und sie werden von Loschmidt auf die in der Formel
nicht berücksichtigten Unterschiede in der Form und Grösse
der Molecüle zurückgeführt. Setzt man in der von mir an-
gegebenen Weise ^) die Abhängigkeit der Diffusion vom Dampf-
druck und dem Quadrate der absoluten Temperatur voraus,
so findet man für die Dampfspannungen p^ und p^
oder für die Gewichtsmengen g^ und g^ an Stelle der Volumina
9i_ ^ Ai/A
92 ^2 K <4
Diese Gleichung bestimmt das Gewichtsverhältnis der
Dampfmengen zweier Flüssigkeiten, welche aus zwei gleich-
geformten Gefässen bei derselben Temperatur durch Ver-
dunstung entweichen. Lässt man Wasser an der Luft ver-
dunsten, so muss letztere natürlich wegen des zu vermeidenden
Gegendruckes andauernd trocken gehalten werden. Eine Ver-
gleichung der auf diese Weise festgestellten Verdunstungsmenge
des Wassers mit derjenigen des Schwefelkohlenstoffs ergab in
einem älteren Versuche für die Temperatur von 4^ das Ver-
hältnis 1 : 53,2, während die Rechnung nach der vorstehenden
Gleichung 1 : 51,8 oder 1 : 50,2 verlangt, je nachdem man die
von Gay-Lussac beobachtete oder die theoretische Dampfdichte
für Schwefelkohlenstoff zu Grunde legt.
Die Dampfdichten findet man bekanntlich in der Nähe
des Siedepunktes beträchtlich grösser als der theoretische Wert
erwarten lässt, und erst in viel höheren Temperaturen beob-
achtet man den letzteren in genügender Unveränderlichkeit.
Man hätte demnach für die gewöhnliche Lufttemperatur meist
höhere Werte in Anrechnung zu bringen. Regnault*) hat
1) J. Loschmidt," Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wisaensch. zu Wien
61. p. 367; 62. p. 468. 1870.
2) J. Stefan, 1. c. 63. p. 63. 1871.
3) W. Müller-Erzrach, Wied. Ann. 34. p. 1047. 1888.
4) H. V. Regnault, M^m. de Tacad. des sciences 26. p. 701. 1862.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 129
jedoch festgestellt, dass zunächst die Dichte des Wasserdampfes
im gaserfüllten Räume niemals um mehr als ^/^^q von der
theoretischen Dichte 0,622 abweicht. Aehnliches ergab sich
für Aetherdampf bei 0^ und bei 10^, während beim Alkohol
in der Luft vielleicht infolge seiner Anziehung für Wasserdampf
Abweichungen von ^/g der berechneten Dichte vorkamen.
Ich habe deshalb für den gaserfüllten Raum entweder den
theoretischen Wert oder einen ihm nahe kommenden eines
bekannten Beobachters als Gasdichte angenommen, für Schwefel-
kohlenstoff die von Gay-Lussac angegebene Zahl. Berechnet
man nach derselben das Verhältnis der Verdunstungsmengen
vom Wasser und Schwefelkohlenstoff für 11,2 <^, für 16,5<* und
25^, so erhält man 1:42,9; 1:37,9 und 1 :31,6, während die
Beobachtung 1 : 44,8, 1 : 39,9 und 1 : 37,5 ergiebt. Die Ab-
weichungen werden also mit steigender Temperatur grösser,
eine Erscheinung, die sich bei anderen Flüssigkeiten in der
Nähe ihrer Siedepunkte wiederholt und die an die bekannten
Unregelmässigkeiten in der Ausdehnung beim Siedepunkt er-
innert. Eine Erklärung dafür habe ich nicht gefunden. Während
für niedere Temperaturen durch gi = (jPigT^^jpT^) der Ge-
wichtsverlust des Schwefelkohlenstoffs durch Verdunstung nach
den Dampfspannungen p und p^ hinreichend genau ausgedrückt
wurde, musste für höhere Temperaturen das Glied ^'"^^) hin-
zugefügt werden. Von 20 ® aufwärts wurden die Abweichungen
ohne Berücksichtigung des Zusatzgliedes beträchtUch hoch,
während die Wasserverdunstung bis 50® nichts davon erkennen
liess. Das Verhältnis der Gewichtsverluste beider Flüssigkeiten
muss sich deshalb in der angegebenen Weise verändern.
Die Dampfdichte des Aethyläthers bestimmt Hobstmann
bei 132,6® zu 2,566, während die theoretische Dichte 2,557
beträgt. Der Ausdruck y2,566/0,622 oder 2,03 führt mit dem
bei 19® 25,5 mal grösseren Dampfdruck des Aethers im Ver-
gleich zum Dampfdruck des Wassers für 19® auf das Ver-
hältnis der Verdunstungsmengen 1:51,8. Eine Kugelröhre,
die nach längerer Beobachtung in 24 Stunden bei 19® 15,9 mg
an Wasserdampf verlor, liess nun bei derselben Temperatur
und einem Barometerstand von 733 mm in 6^4 Stunden 226 mg
Aethyläther verdunsten. Das Verhältnis der Verdunstungs-
1) W. Müller-Erzbach, Zeitschr. f. Instrumenk. 10. p. 94. 1890.
130 Verhandlungen der Deutschen Ph78ikal. Gresellschaft. [Nr. 11.
mengen war demnach thatsächlich 1 : 54,6 oder 1 : 52,7 für
den Barometerdruck von 76Ö mm. In einem zweiten Versuche
fand ich für die Durchschnittstemperatur von 18,3® und für
Normaldruck das Verhältnis 1 : 53,7 , während die Rechnung
1 : 52,9 verlangt. Ebenso ergaben zwei weitere Versuche mit
anderen Verdunstungsröhren bei 0,5® fast ganz übereinstimmend
1 : 79,7 gegen 1 : 79,8 der Rechnung. Dieses letzte Ergebnis
war besonders günstig, aber auch die übrigen konnten als be-
friedigend angesehen werden. Die Nähe des Siedepunktes er-
wies sich störend, aber weniger als beim Schwefelkohlenstoflf.
Nach der angegebenen Beobachtungsweise habe ich noch
für andere Flüssigkeiten die Verdunstungsmengen bestimmt
und mit den nach dem Dampfdruck berechneten verglichen.
Die Resultate sind in der nachstehenden Tabelle zusammen-
gestellt und es sei nur bemerkt, dass die angegebenen Ge-
wichtsverluste für den Normaldruck berechnet sind, die wirk-
lich beobachteten sind in Klammem hinzugefügt. Ebenso sind
bei den Vielfachen des Wasserverlustes in Klammem die
benutzten Verdunstungsröhren nach ihrem Wasserverlust in
24 Stunden bei 19® bezeichnet. Die zu den Versuchen gebrauchten
Flüssigkeiten wurden von Mebgk aus Darmstadt bezogen.
Tem-
peratur
Versuchs-
dauer
Gewichts-
verlust
Das für
I Normaldruck
gefundene
I Vielfache des
Wasserverl.
Nach dem Dampfdruck
berechnetes Verhältnis der
Verdunstungsmengen
Chloroform.
l/..oo= 2,595
V 0,622
17,4«
17 St.
319 mg (320)123,7 mg
?(21,6)
Ifur 18** 1 : 24,6 nach dem
17,9
»
101 — !24,2
(21,6)
\ '
18,2
^Ve „
151 — |23,8 (21,6)
Vierfach-Chlorkohlenstoff.
] Dampfdruck von 146 mm
1 für 170 und 72,9 mm
l Dampfdruck 1 : 14,8
17,2«
2lV2St.
167,5 mg (168)
15,2 mp
: (13,9)
18,2
17 „
119 —
14,5
(13,9)
für 18<* 1 : 14,6
18,3
2 „
15,5 —
14,1
(13,9)
—
11,2
\ ältere
17,1
—
1 : 16,1
16,2
[ Ver-
16,1
—
1 : 14,9
28,6
1 suche
13,9
—
1 : 12,4
Nr. 11.]
Sitzung vom 15. Juni 1900.
131
Tem-
peratur
8,2«
10,0
17,9
28,3
34,0
53,5
Versuchs-
dauer
Gewichts-
verlust
Das für
Normaldruck
gefundene
Vielfache des
Wasserverl.
Nach dem Dampfdruck
berechnetes Verhältnis der
Verdunstungsmengen
164 mg (167)
272 (280)
79 (81)
Benzol.
8,6 mg (21,8)
/
2,675
9,r
16,1 St.
169 mg (171)
10,0
6,6 „
74 (74V.)
16,8
16 „
537 (540)
17,8
8 V
284 —
34,5
1 „
190 —
Die
Nähe des
Siedepunktes
9,0 (222)
7,6 (15,9)
6,6 -
6,4
5,9 -
Aethylbromür.
76.6 mg (6,7):
76,8 (6,7)
67.7 (13,9)1
67,0 (13,9)|
102,7 (15,9)j
0,622=2»^'^
für 18 1:10,7
1 : 10,5
[/ 0,62S
1 : 6,3
1:5,9
2,46
für IS^ 1:73,5
1 : 58,3
1 : 39,4
stark bemerklich.
Aethyljodür.
1,0'
10,0
16,1
16,1
16,1
18,1
9,l<>
10,8
10,8
16,7
54,6
16,1«
16,3
53,0
54,0
4
St.
nv^
»>
17,4
V
17,4
V
11%
19
13%
U
17,4 mg (17'/,)
28,2 mg (13,9)
1/
5,417
179
(183)
23,6
(19,8)
214
(212)
22,7
(15,9)
184
—
22,8
(13,9)
289V2
(287)
22,9
(21,7)
254
(256)
21,8
(21,8)
0,622 - ^'^^
für 18^ 1:26,7
1 : 22,6
1 : 20,2
Bromäthylen.
/
6,514
96
St.
25,2
»
25V2
V
24
V
IV4
»
73 mg (72)
23V, (24)
32 —
68 —
33 —
1,75 mg (21,7)1
1,9 (21,7)
1,8 (30,4)
1,85 (43,4)
1,66 -
1 : 19,3
0,622 = '^''
für 18^ 1:2,3
„ 200 1:1,99
„ 40<> 1:1,67
„ 60<' 1:1,43
15,7 St.
15,6 „
2V, „
5 .,
26 mg
26 (26V2)
8V2 -
19 —
Citronenöl.
0,22 mg (222)
0,22 (222)
0,24 (43,4)
0,25 (43,4)
/-.
0,622
= 2,74
0,24
0,25
nach dem Verhältnis
correspondirender
Siedepunkte ber.
132 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
Nach den von Regnault direct gemessenen Druckwerten
erhält man die Verhältnisse: für 99« 0,26, für 125« 0,28, für
201,6« 0,33.
Aus dem gefundenen Verhältnisse der Verdunstungsmengen
9\ l9s = ^ ^^^ ^^^ bekannten Dampfdruck des Wassers (pg)
wurde nun der Dampfdruck der anderen Flüssigkeiten p^ für
weiter vom Siedepunkte abstehende Temperaturen nach der
Gleichung
berechnet und diese Werte wurden wie nachstehend mit Reg-
nault's Messungen verglichen.
■
Dampfdruck
Manometrisch
Verdunstungs-
flüssigkeit
Siede-
punkt
Versuchs-
temperatur
nach der
Verdunstung
gemessener
Dampfdruck
Schwefelkohlenstoff
46,2«
4,00
157,5mm
157,0 mm
Aethyläther
35
0,5
186,0
187,5
13,40 (2 Vers.)
334mm (337)
332
18,30
413
405
19,0
423
416
Aethylbromür
38
10,0
285
273
Aethyljodür
71,3
1,0
46,6
44
18,1
111
102
18,3
113
103
Chloroform
60,2
17,9
142,4
143
Chlorkohlenst.CCCU)
76,5
18,2
77,4
78
Benzol
80,4
10,0
40,6
46,6 mm R. (45 mm
v. WiRKNER und
Young)
17,0
53,6
66 mm
53,5
315
312
Bromäthylen
131,6
10,8
5,5
6,9
16,7 .
8,1
9,2
Citronenöl
174,8
16,1
1,1
1,3
53
9,3
9,8
Die Abweic
lunger
L gehen im
allgemeine
n bei niederer
Temperatur nicht über die Versuchsfehler hinaus. In der
Nähe des Siedepunktes sind sie positiv und teilweise sehr gross,
für Benzol und die schwerer siedenden Flüssigkeiten fallen sie
bei gewöhnlicher Lufttemperatur negativ aus. Doch ist gerade
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 133
bei den letzteren, beim Bromäthylen und beim Citronenöl,
die üebereinstimmung der Ergebnisse nach beiden Methoden
wieder eine ganz befriedigende, während das schon bei 80,4^
siedende Benzol mit seiner bei 10^ erheblich geringeren Ver-
dunstung eine Ausnahmestellung einnimmt. Ob dabei Ver-
unreinigungen von Einfluss sind, kann ich bis jetzt nicht be-
urteilen. ^)
Die gewonnenen Resultate liessen erwarten, dass auch für
Quecksilber eine Bestimmung seines Dampfdruckes bei ge-
wöhnlicher Lufttemperatur nach der vorher angewandten Me-
thode möglich sein würde und diese Erwartung erwies sich
als zutreffend. Wegen des ^abei wirksamen geringeren Druck-
wertes kamen grössere Gefässe zur Verwendung. Es waren
Glascylinder von 47,5 — 51 mm Durchmesser und von 73 bis
92 mm Höhe. Um festzustellen, dass bei diesen Dimensionen
das Abströmen der Dämpfe und damit die Verdunstungswerte
durch Luftströmungen sich nicht ändern, wurde zunächst in
zwei der ausgewählten Gefässe das mit engeren Glasröhren fest-
gestellte Verhältnis der Verdunstungsmenge des Citronenöls und
des Wassers, letztere nach der Gefässgrösse berechnet, neu be-
stimmt. Es ergaben sich mit den früheren tibereinstimmende
Resultate, sodass über die Verwendbarkeit der grösseren Ge-
fässe kein Bedenken blieb. Da aber das Quecksilber längere
Zeit an der Luft verdunsten musste, so war es wesentlich,
wenigstens so weit als möglich, den Staub abzuhalten. Ich
benutzte deshalb für diese Versuche ein wenig betretenes
Zimmer und stellte das Quecksilber in einen weiten geöffneten
Schrank desselben. So blieb die Oberfläche des vorher ge-
reinigten Quecksilbers selbst mehrere Wochen hindurch meist
ziemlich blank, und der Fehler durch Ablagerung von Staub
oder durch Oxydation von nicht vollständig entfernten fremden
Metallen konnte nur gering sein. Beide Fehler veranlassen
übrigens , was für das Endergebnis zu beachten ist , mit der
Verminderung des Gewichtsverlustes zugleich eine solche im
Werte vom Dampfdruck des Quecksilbers. Der zur Bestim-
1) G. Tammann fand (Wied. Ann. 32. p. 699. 1887) in dem durch
0,01 Proc. Alkohol verunreinigten Benzol den Dampfdruck um 12 mm
verändert.
134 Verhandlungen der Deutschen Ph7sikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
mung der Durchschnittstemperatur dienende Wasserintegrator
stand in der Regel unmittelbar neben dem Quecksilber im
offenen Schranke. Die Ergebnisse waren die folgenden:
Tem-
Versuchfi-
dauer
Gewichts-
verlust während
des Versuches
Tftglicher
Gewichtsverlust
Dampfdruck
des
peratur
des
Quecksilbers
des
Wassers
Quecksilbers
13,50
14,5
14,9
16,6
17,9
121 Tage
30 „
62 „
41 „
n „
26 mg
7
16
14
5
0,215 mg
0,233
0,258
0,841
0,323
595 mg
651
661
726
762
0,00124 mm
0,00131
0,00147
0,00197 t
0,00193
19,4®
52 Tage
85 mg
0,677 mg
911mg
0,00372 mm
Von diesen Versuchen hatte ich den vierten bei der Tem-
peratur von 16,6^ für den besten, weil nach der Beendigung
desselben das Quecksilber eine noch vollständig blanke, fast
staubfreie Oberfläche zeigte. Im letzten Falle bei 19,4^ waren
das Quecksilbergefäss wie der Integrator unmittelbar neben
den Röhren einer Warmwasserheizung aufgestellt, sodass die
Temperatur von 11 — 32*^ schwankte, da aber die Verdunstung
keine lineare Function der Temperatur ist, so hat dieser letzte
Versuch keine weitere Bedeutung, als über die Zunahme des
Dampfdruckes bei etwas höherer Temperatur zu orientiren.
Die Genauigkeit des gefundenen Wertes wurde ausserdem
noch dadurch beeinträchtigt, dass bei der zweiten Wägung des
Quecksilbers seine Oberfläche mit viel Staub bedeckt war.
In der Berechnung des Dampfdruckes vom Quecksilber
nach der früheren Formel ist für dessen Dampfdichte die der
theoretischen Dichte nahe kommende Angabe 6,976 von Dumas
benutzt, sie weicht von Mitscheblich's Wert 7,03 nur wenig
ab. Abgesehen von dem Versuche bei 19,4^, der wie bemerkt,
nicht ohne weiteres verglichen werden kann, zeigen die ge-
fundenen Resultate eine befriedigende üebereinstimmung. Sie
blieb eine ähnliche, wenn statt der cylindrischen Verdunstungs-
gefässe andere zur Verwendung kamen, die sich nach oben
conisch verengem. In fünf Fällen , bei welchen die untere
Verdunstungsfläche des Quecksilbers und die Höhe der Gefässe
Nr. 11.]
Sitzung vom 15. Juni 1900.
185
gleich waren, die oberen Querschnitte sich aber wie 1 : 5 ver-
hielten, beobachtete ich für die Q-ewichtsverluste die Verhält-
nisse 1:5; 1:5,3; 1:4,5 and 1:4,7. Unter übrigens gleichen
Umständen erweist sich demnach das Abströmen des Queck-
silberdampfes aus cylinderförmigen oder aus conisch verengten
Gefässen nur von der Grösse ihrer oberen Oeflfnung abhängig.
Wesentlich andere Ergebnisse stellten sich dagegen heraus,
als ich versuchte, den abziehenden Dampf durch Absorption
zu entfernen. Ich bedeckte zu diesem Zwecke die Gefasse
mit Cartonpapier, dessen Unterseite mit gut aufgeklebten dicken
Blattsilber bedeckt war und machte dabei nachstehende Beob-
achtungen.
Tem-
Versuchs-
dauer
Der ganze
Gewichts-
verlust
Täglicher
Grewichtsverlust
Dampfdruck
des
peratur
des
Quecksilbers
des
Wassers
Quecksilbers
14«
14,7
16,5
55 Tage
48 „
36 „
9 mg
8
10,5
0,164 mg
0,167
0,292
611mg
732
672
0,000955 mm
0,000831
0,00181
Die Absorption kann demnach im günstigsten Falle, wie
beim letzten Versuche, den Quecksilberdampf ziemlich voll-
ständig fortnehmen, aber es kann auch ein erheblicher Teil
desselben rückständig bleiben. Das Verfahren erweist sich
jedenfalls in der beschriebenen Ausführungsweise als ganz un-
zuverlässig.
Die Literatur über die Bestimmung des Dampfdruckes
vom Quecksilber bei gewöhnlicher Lufttemperatur ist eine ziem-
lich umfangreiche, und es mag der Hinweis auf einige der
früheren Beobachtungen genügen. Für die Temperaturen
von 0^, 10^ und 20<^ werden folgende Druckwerte angegeben:
Regnault
Hagen
Hertz
Ramsay u. Young
0«
0,020 mm
0,015 mm
0,00019 mm
0,008 mm
10
0,0027
0,018
0,0005
0,015
20
0,037
0,021
0,0013
0,029
Für 15^ fanden Hagen und Hertz, beide nach mano-
metrischen Methoden 0,0195 mm und 0,00082 mm, während
136 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
Pfaundlee ^) in einer neueren Untersuchung für dieselbe Tem-
peratur einen Druck von 0,00081 mm beobachtete, wenn er
den Quecksilberdampf in U förmigen Glasröhren durch Blatt«-
Silber absorbiren liess. Die Eesultate von Ramsay und Young
stehen also denen von Hagen am nächsten, während Pfaundlee's
Werte mit den HEBTz'schen fast vollständig übereinstimmen.
Auch für 56,3*^ zeigte sich eine ähnliche Uebereinstimmung,
Hertz fand 0,01998 mm und Pfaundler 0,01801. Trotzdem
halte ich ihre Werte und jedenfalls die von 20^ abwärts an-
gegebenen für viel zu klein. Die Fehler meiner Methode
konnten, wie oben bemerkt, nur zu niedrige Werte ergeben und
doch erhielt ich für 15° 0,0015 mm, in dem besonders her-
vorgehobenen Versuche aber für 16,6° 0,00197 mm Druck.
Die Abweichung meiner Angaben von denjenigen Pfaundler' s
führe ich auf die von ihm angewandte Absorptionsmethode
zurück. Zufällig stimmt das zweite der von mir nachträglich
durch Absorption gefundenen Resultate mit Pfaundler' s Zahl
für 15° ganz gut überein, während das dritte annähernd doppelt
so gross ausfällt.
1) L. Pfaundler, Wied. Ann. 68. p. 36. 1897.
137
Versuch einer Erklärung des dunklen Kathoden-
rawmen; von W. Kaufmann.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 15. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 114.)
Durch H. Hebtz^) und E. Goldstein*) ist nachgewiesen
worden, dass das sogenannte „negative Grlimmlicht" — dritte
Kathodenschicht, nach Goldstein — in engem Zusammen-
hang steht mit der durch die Gase bewirkten diflfusen Zer-
streuung der Kathodenstrahlen. Es ergab sich nämlich, dass
das Glimmlicht überall dort auftritt, wo entweder directe, oder
diflfus zerstreute Kathodenstrahlen das Gas durchsetzen. Wollte
man nun, was ja das Nächstliegende zu sein scheint, annehmen,
dass es die Kathodenstrahlen, directe und diffundirte, selbst
seien, die durch ihre Zusammenstösse mit den Gasteilchen
das Glimmlicht hervorrufen, so würde einer solchen Erklärung
das Vorhandensein des dunklen Kathodenraumes durchaus
hindernd im Wege stehen. Es wäre in der That gar nicht
zu begreifen, warum die zerstreuten Strahlen, die doch auch
in diesen Baum hineingelangen müssen, dort weniger wirksam
sein sollten als anderswo. Allerdings ist zu bedenken, dass
die zerstreuten Strahlen jedenfalls eine etwas geringere Ge-
schwindigkeit haben als die directen und dass sie deshalb den
elektrischen Kräften an der Kathode entgegen sich bewegend
bereits in einiger Entfernung von der Kathode umkehren
müssen; man könnte also annehmen, dass die Grenze des
dunklen Baumes mit diesem Umkehrpunkt zusammenfalle.^
Auch dies ist unmöglich, denn aus den Messungen von Hrn.
W. P. Graham*) geht hervor, dass das Potentialgefälle an
der Grenze des dunklen Baumes gerade ausserordentlich klein
ist. Ausserdem geht, wie ich gezeigt habe*), aus den Mes-
1) H. Hbetz, Wied. Ann. 19. p. 807. 1888.
2) E. Goldstein, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
40. p. 905. 1897.
3) Vgl. die folgende Mitteilung von Hm. E. Goldtsein.
4) W. P. Graham, Wied. Ann. 64. p. 19. 1898.
5) W. Kaufmann, Wied. Ann. 6». p. 95. 1899.
138 Verhandlungen der Deutschen Physika!. Gesellschaft. [Nr. 11.
sungen P. Lenaed's^) über die „Absorption" der Kathoden-
strahlen in Graben hervor, dass der relative Energieverlust
durch einmaligen Zusammenstoss mit einem Gasmolecül nur
sehr gering sein kann, sodass bei Festhaltung des obigen Er-
klärungsversuches die ümkehrgrenze dicht bei der Kathode
liegen muss«
Es soll nun im Folgenden versucht werden, das negative
Glimmlicht und damit auch den dunklen Kathodenraum in
Zusammenhang zu briogen mit der Thatsache, dass die Ka-
thodenstrahlen ein von ihnen durchsetztes Gas leitend machen,
d. h. dissociiren.^ Da diese Leitfähigkeit nach dem Aufhören
der Entladung sehr rasch wieder verschwindet, so muss an-
genommen werden, dass die „Ionen", in die die Gasmolecüle
gespalten worden sind, sich von selbst wieder vereinigen und
zwar sei für die Geschwindigkeit der Wiedervereinigung das
chemische Massenwirkungsgesetz angenommen, d. h. wenn n^
und Wg die Concentration der positiven bez. negativen Ionen
bedeutet, so soll die Zahl der pro Secunde im Cubikcentimeter
sich wieder vereinigenden Ionen gleich sein:
(1) R^an^n^y
wobei a eine Constante, über welche weiter unten noch näher
zu berichten ist.
Die Gültigkeit dieses Gesetzes für leitende Gase ist be-
kanntlich von E. RüTHEEFORD^) u. a.*) in mehreren Fällen
nachgewiesen worden.
Es werde nun die Annahme gemacht, dass das Leuchten
im negativen Glimmlicht entstehe durch den Zu-
sammenstoss der Ionen bei der Wiedervereinigung,
indem die Ionen, bevor sie zur Ruhe kommen, noch Schwin-
gungen um ihre Gleichgewichtslage ausführen. Die Frage
nach der räumlichen Verteilung des Glimmlichtes fällt dem-
nach zusammen mit der Frage nach dem Werte der Grösse
Ä = a Wj «3 an jedem Punkte der Röhre.
Zur Berechnung nehmen wir an, dass die Zahl der in
1) P. Lenard, Wied. Ann. 56. p. 255. 1895.
2) 1. c. 51. p. 240. 1894; 63. p. 253. 1897.
3) E. RüTHERFOBD, Phil. Map. (5) 44. p. 422. 1897.
4) McClelland, Phil. Mag. (5) 45. p. 29. 1898.
Nr. 11.] SitzuDg vom 15. Juni 1899. 139
jedem Volumenelement pro Secunde gebildeten Ionen propor-
tional sei der Zahl der in dem Volumenelement diffus zer-
streuten Kathodenstrahlen. Sei J^ die elektrisch gemessene
Intensität der Kathodenstrahlen im Abstände x von der Ka-
- ^-t ^
< X >
thode einer cylindrisch angenommenen Röhre (vgl. Figur),
h der Zerstreuungscoefficient^), so ist demnach die Zahl der
in einem Volumen element vom Querschnitt 1 und der Dicke dx
pro Secunde gebildeten Ionen:
(2) q^y.b.J^äx,
wobei y eine Constante (und zwar werden q positive und
q negative Ionen gebildet).
Betrachten wir nun den Querschnitt in der Entfernung Xj
so wandern durch denselben positive Ionen von rechts nach
links; ihre Zahl ist offenbar gleich der Zahl sämtlicher rechts
von dem betrachteten Querschnitt erzeugten Ionen, vermindert
um die Zahl der durch Wiedervereinigung vernichteten, d. L
es wandern durch jeden Querschnitt pro Secunde von rechts
nach links
i
(3) Z^^jiybJ^-an^n^idx
X
positive Ionen. Entsprechend erhält man für die Zahl der
negativen Ionen:
X
(4) Z^=^ j[ybJ^^an^n^)dx.
Setzt man
i
(5) S=J{ybJ^--cen^n^)dx,
so kann man demnach schreiben:
(6) Z,+Z^ = S,
1) W. Kaufmann, 1. c.
140 VerhandluDgen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
d. h. unabhängig von Xj ein Resultat, das natürlich aus der Gon-
tinuitätsbedingung für die Stromstärke ohne weiteres folgen muss.
Ist d^jdx das Potentialgefalle und k^ bez. k^ die „Be-
weglichkeit" der + bez. — Ionen, so ist ihre Geschwindigkeit:
d0
= k
a)
= Ä.
1 dx
80
2 dx
(Falls, was von vornherein nicht unwahrscheinlich, bei
hohen Verdünnungen nicht mehr die Geschwindigkeit, sondern
ein aus Beschleunigung und Geschwindigkeit zusammengesetzter
Ausdruck der Kraft proportional zu setzen ist, würden die
folgenden Rechnungen nur noch als Annäherung zu gelten haben.)
Ferner ist im stationären Zustand:
oder
(8a)
- ^1 _ S'Z^,
^ dx "' dx
, d0
dx
folglich:
(9) -^-^^^2 = - ^}ga>y •
^» ^ \d^)
Gleichung (9) stellt nach den oben gemachten Annahmen
die Verteilung der Lichtintensität im negativen Glimmlicht dar.
Da die Gleichung (ö 0/0 x)^ im Nenner enthält, so folgt, dass
die Helligkeit am stärksten sein muss, wo das Potentialgefälle
am schwächsten und umgekehrt; dieses Resultat stimmt durch-
aus überein mit den Beobachtungen von Gbaham^), welcher
fand, dass die Grenze des dunklen Raumes, d. h. die Stelle,
an der eine rapide Zunahme der Helligkeit stattfand, zu-
sammenfällt mit einem rapiden Abfall des Potentialgefälles bis
zu einem von Null wenig verschiedenen Werte. Mit zunehmen-
der Entfernung von der Grenze steigt das Gefalle langsam
an, dem entspricht eine allmähliche Helligkeitsabnahme.
1) W. P. Graham, 1. c.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 141
Der soeben skizzirte Gang der Glimmlichtintensität wird
noch etwas modificirt durch die Abhängigkeit des Zählers in
Gleichung (9) von x. Es mögen deshalb die einzelnen Glieder
desselben noch discutirt werden:
a ist offenbar proportional mit der wahrscheinlichen Stoss-
zahl pro Secunde zwischen den Ionen, d. h. es ist proportional
ihrer relativen Geschwindigkeit. Diese setzt sich aber zu-
sammen aus der von der Temperatur herrührenden Molecular-
geschwindigkeit und der elektrischen Wanderungsgeschwindig-
keit. Wir wollen nur die beiden extremen Fälle betrachten,
dass entweder die erstere, oder die letztere in ihrer Wirkung
tiberwiegt. Im ersten Falle ist u eine Constante, im zweiten
Falle ist es proportional ö0/öar, sodass nur noch die erste
Potenz von ö 0/öar im Nenner von Gleichung (9) stehen bleibt.
Im allgemeinen wird also der Exponent von d <b\dx zwischen
1 und 2 zu liegen haben.
Was Z^ anbetrifft, so wird es nach Gleichung (4) gleich Null
für ar = ; für kleine x kann man wegen der Kleinheit von h ^)
setzen J^ = Jq und unter Berücksichtigung von Gleichung (8 a)
das zweite Glied unter dem Integralzeichen vernachlässigen,
sodass angenähert Z^^ybJ^x zu setzen. Für grössere x er-
hält man dann eine weitere Annäherung durch Einsetzen dieses
angenäherten Wertes in das zweite Glied etc. Jedenfalls ist
also Z^ von der Form Z^=^ Ax + Bx^ , . ,
Eine wesentliche Aenderung in der oben skizzirten Ab-
hängigkeit zwischen R und d Q>jdx wird auch durch die Ver-
änderlichkeit von Z^ nicht hervorgerufen.
Aus Gleichung (8a) geht hervor, dass in der Nähe der
Kathode die Concentration beider lonenarten wegen des stark
wachsenden Potentialgefälles ausserordentlich klein wird. Hier-
mit steht in Einklang, dass im Gegensatz zu den übrigen
Teilen der Entladung der dunkle Raum sich äusseren Ein-
flüssen gegenüber wie ein vollkommener Nichtleiter verhält.^)
Göttingen, Mai 1900.
1) Die numerischen Werte vgl. W. Ka.ufmann, 1. c.
2) Vgl. z. B. die Beobachtungen von E. Wiedemann u. Gr. C. Schmidt
(Wied. Ann. 62, p. 460. 1897) über die Schirmwirkungen einer strom-
durchflossenen Röhre gegen elektrische Wellen.
142
lieber den sogenannten dunklen Kathodenraum;
von E. Goldstein.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 15. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 114.)
üeber die Bedeutung des sogenannten dunklen Kathoden-
raumes habe ich mir eine Ansicht gebildet, die sich den fort-
gesetzten Beobachtungen gegenüber schon seit längerer Zeit be-
währt hat, und die ich auch nach der von Hm. Kaufmann heute
gemachten Mitteilung über diesen Gegenstand aufrecht erhalten
möchte. Im Nachfolgenden gestatte ich mir, meinen Erklä-
rungsversuch in kurzem zu skizziren. In einer früheren Arbeit^)
habe ich zu zeigen gesucht, dass das Kathodenglimmlicht
(sog. dritte Schicht) aus geradlinigen Strahlen besteht, die aber
nicht unmittelbar von der Kathode selbst entspringen, sondern
von den gewöhnlichen, zur Kathode nahe senkrechten Kathoden-
strahlen (Kg-Strahlen) ausgehen, und zwar von jedem Punkte
dieser Kg-Strahlen nach allen Bichtungen im Baume. Schein-
bar bildet für diese Auffassung die Existenz des „dunklen
Kathodenraumes" eine Schwierigkeit. Denn da die Kg-Strahlen
auch durch den (nur scheinbar) dunklen Kathodenraum hin-
durchgehen, so sollte man zunächst auch in ihm das Auf-
treten der Glimmlichtstrahlen erwarten.
Nun ist aber bekannt, dass eine Kathode auf alle mag-
netisch deformirbaren Strahlen, und solche sind auch die Glimm-
lichtstrahlen, eine Abstossung (Deflexion) ausübt. Denkt man
sich nun, dass zunächst ausnahmslos von allen, auch den dicht
an der Kathode liegenden Stellen der Kg-Strahlen thatsächlich
Glimmlichtstrahlen ausgehen, so werden diese durch die er-
wähnte Abstossung um eine gewisse Strecke von der Kathode
fortgedrängt werden, bis dahin, wo die Abstossung für Strahlen
der vorliegenden Beschaffenheit unwirksam wird. Es wird sich
1) £. Goldstein, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wissensch. 1897.
p. 905; Wied. Ann. 67, p. 84. 1899.
Nr. 11.] Sitzung vom 15. Juni 1900. 143
also ein von Glimmlichtstrahlen freier Raum um die Kathode
bilden, eben der „dunkle Kathodenraum*^ Dieser ist nach meiner
AufiEassung also eine Deflexionserscheinung, und man kann,
wie mir scheint, sagen: Die äussere Begrenzung des dunklen
Kathodenraumes ist der geometrische Ort derjenigen Punkte,
bis zu denen die Glimmlichtstrahlen durch die von der Kathode
ausgeübte Abstossung fortgedrängt werden. — Die gegebene Er-
klärung erscheint auch durchführbar, wenn man annimmt, dass
nicht eine eigentliche successive Verschiebung der anfangs nahe
der Kathode verlaufenden Glimmlichtstrahlen während eines
ersten kurzen Teiles der Entladungsdauer stattfindet, sondern
dass vermöge der gegebenen Entladungsbedingungen jeder
Strahl sogleich von Anfang an in der der Abstossung ent-
sprechenden Gleichgewichtslage verläuft, — eine Auffassung,
wie sie auch für die magnetische Ablenkung der Kathoden-
strahlen mehrfach vertreten wird.
Aus der hier versuchten Erklärung des dunklen Kathoden-
raumes ergeben sich, wie mir scheint, zwanglos Erklärungen
für seine hauptsächlichsten bekannten Eigenschaften. In erster
Reihe erklären sich seine Gestalten bei einfachen wie bei com-
plicirten Kathodenformen. Man hat nur immer den Satz an-
zuwenden, dass von jedem Kathodenelement eine Abstossung
in derselben Richtung ausgeht, in der es strahlt.^) So sieht man,
dass der dunkle Kathodenraum z. B. bei einem cylindrischen,
gerade abgeschnittenen Draht einen Cylinder mit an den Enden
aufgesetzten Kugelkappen bilden muss. Zugleich erklärt sich
jetzt allgemein die grosse Aehnlichkeit, welche die Formen
der im Phosphorescenzlicht der Gefässwandungen auftretenden
Deflexionsflächen mit dem ümriss des Dunkelraumes der de-
flectirenden Kathode häufig zeigen.*) Beide Formen gestalten
sich eben nach den nämlichen Gesetzen.
Indem ich nähere Darlegungen mir für eine andere Ge-
legenheit vorbehalte, bemerke ich nur noch, dass unter weiterer
Anwendung der für die Deflexion gefundenen Gesetze sich
u. a. folgende Erscheinungen am dunklen Kathodenraum er-
1) Vgl. hierzu E. Goldstein, Eine neue Form elektrischer Abstossung
11—13 u. p. 72—81. 1880.
2) K Goldstein, 1. c. p. 55—58. 1880.
144 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 11.
klären lassen : seine Vergrösserung bei abnehmender Gasdichte,
seine Verengerung bei Gegenüberstellung einer anderen Kathode
bez. bei Zustrahlung von anderem Kathodenlicht ^), und die
Verengerung, die der Dunkelraum bei Einwirkung des Magneten
gewöhnlich erleidet. Man kann aber aus den hier adoptirten
Principien auch ableiten, dass der Magnet unter gewissen
Umständen eine Erweiterung statt einer ^Verengerung erzeugen
muss, und die Beobachtung hat auch dies bestätigt. — Zahl-
reiche in der Literatur vorkommende Beobachtungen über
das Verhalten des dunklen Kathodenraumes können jetzt leicht
erklärt werden, so z. B. die Beobachtungen von E. Wiedemann
und Ebert^), wonach secundär von festen Platten hervor-
gerufene Kathodenstrahlen, die auf die primäre Kathode los-
gehen, an der Grenze des dunklen Kathodenraumes entweder
abgeschnitten werden oder sich umlegen, sodass sie nicht in
ihn eindringen. Auch das scheinbare Wegblasen des positiven
Lichtes, das schon Hittokp^) bei einander sehr nahe gestellten
Polen in geringen Gasdichten beobachtet hat, und ähnliche
Erscheinungen, die E. Wiedemann beschrieben hat*), sind
Deflexionswirkungen verwandter Art, ausgeübt auf die Strahlen
des positiven Lichtes, dessen Schichten qualitative Analoga
des Kathodenlichtes sind. —
Die hier gegebene Erklärung des Dunkelraumes setzt
voraus, dass die Deflexion noch in Abständen von der Kathode,
die den äusseren Grenzen jenes Raumes entsprechen, merk-
lich wirksam ist, was Hr. Kaufmann auf Grund theoretischer
Erwägungen bestreitet. Aber frühere Erfahrungen und directe
Controlbeobachtungen haben mir unzweifelhaft gezeigt, dass
noch in der Entfernung von einigen Centimetern von der Ka-
thode deutliche Deflexionswirkungen zu erhalten sind.
1) E. Goldstein, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
1876. p. 295.
2) E. WiEDEMANN u. H. Ebert, Sitzungsbcr. der Erlanger physikal.-
med. Societät 14. Dec. 1891.
3) W. Hittorf, Pogg. Ann. 136. p. 209. 1869.
4) E. WiEDEMANN, Wicd. Ann. 20. p. 762. 1883; 68. p. 242. 1897.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Jahrg. 2. Hr. 1«.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Sitzung vom 29. Juni 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Wabbüeg.
Der Vorsitzende teilt mit, dass bei der zweiten (schrift-
lichen) Abstimmung über die in der Sitzung vom 15. Juni
beschlossenen SatzungsäDderungen 145 Stimmen abgegeben
wurden. Hierbei stimmten 144 Mitglieder den Beschlüssen
zu, ein Mitglied enthielt sich der Abstimmung. Nach § 33
sind damit die Satzungsänderungen vom 15. Juni d. J. definitiv
angenommen.
Hr. B. Schwalbe sprach einen
Nachruf auf G. Ejlbsten
und forderte am Schlüsse desselben die Anwesenden auf, zum
Andenken an den Verstorbenen sich von den Sitzen zu er-
heben.
Hr. E. Warburg machte einige von Experimenten be-
gleitete
Bemerkungen über den Nickelstahl.
Hr. A. König legte eine Abhandlung von Hrn. E. Berger
(Paris)
über stereoskopische Lupen und Brillen
vor und gab nachher den Anwesenden Gelegenheit, sich von
der Wirkungsweise der genannten Apparate zu überzeugen.
146 Verhandlungen der Deatschen Phyinkal. Gresellachafit. [Nr. 12.
Müteilnng an die Mitglieder der GeselUchaft.
Hr. Ch. EId. GuüiiiAUME übersendet dem Unterzeichneten
je einen Abdmck von den für den Pariser Congress bestimmten
Referaten, sobald dieselben gedruckt sind. Die Abdrücke stehen
den Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung und bitte ich,
mir diesbezügliche Wünsche zu übermitteln. Vorläufige Dis-
cussion vor Eröffnung des Congresses wird gewünscht
Bis jetzt sind die Referate der Herren Amagat, Boutt,
Bbanlt, CabvaiiLO, Cbova, Mace de LfipiNAY, Pellat, Spring,
Witz erschienen. Die betreffenden Titel der Referate sind
neben den Autorennamen in Nr. 9 der diesjährigen Verhand-
lungen der Gesellschaft mitgeteilt.
E. Warbübg. .
147
Nachruf auf G. Karsten i)
von B. Schwalbe.
(Gesprochen in der Sitzung vom 29. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 145.)
Meine Herren! Der letzte der Stifter der Physikalischen
Gesellschaft, der erste Redacteur und Herausgeber der „Fort-
schritte" ist vor kurzem, vor wenigen Monaten, aus dem Leben
geschieden. Gustav Karsten starb am 15. März dieses Jahres
in Kiel im hohen Alter von 80 Jahren nach einem in sich
abgeschlossenen, befriedigten Leben, das durch äussere oder
innere besondere Schicksale nie in dem ruhigen, glücklichen
Gleichmaass gestört wurde.
Wohl ziemt es der Deutschen Physikalischen Gesellschaft,
die aus der Berliner physikalischen Gesellschaft hervorgegangen
ist, seiner und seiner Thätigkeit zu gedenken, auch wenn schon
an anderen Orten und von anderen, wie von Prof. Günther,
sein Lebens- und Thätigkeitsbild entworfen ist.
Mit den Gründern der Physikalischen Gesellschaft ist ein
Stück Geschichte der' Physik dahin gegangen; in ihnen ver-
körperte sich die ursprüngliche Idee der Gesellschaft, wie die
damalige Richtung der physikalischen Wissenschaft, die noch
nicht zu dem Umfange wie jetzt emporgewachsen war und
den innigsten Zusammenhang mit anderen Wissenschaften
hatte.
Alle die Männer, die im Anschluss an das Colloquium
von G. Magnus am 14. Januar 1845 die Constituirung der
Berliner physikalischen Gesellschaft beschlossen, deren erste
wissenschaftliche Sitzung am 21. Februar desselben Jahres
stattfand, ebenso wie die bald hinzutretenden Mitglieder, wie
1) Ein Teil der Notizen wurde mir in freundlichster Weise von
dem Schwiegersohn des Verstorbenen, Hrn. Prof. L. Weber, zur Ver-
fügung gestellt, ein Teil entstammt auch persönlichen Erinnerungen.
148 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft [Nr. 12.
Dr. Helmholtz aus Potsdam und Lieutenant Siemens, ge-
hörten nicht ausschliesslich in ihren Studien der Physik im
heutigen Sinne an.
Wilhelm Heintz, der älteste unter ihnen, geboren am
4. November 1817 zu Berlin, gestorben 1. December 1880 zu
Halle, wandte sich gleich anfangs dem Studium der Chemie
zu; seine Hauptuntersuchungen, seine wichtigen Arbeiten über
die Fettsäuren, lagen auf diesem Gebiete. — Auch der ursprüng-
liche Titel der PoGGENDOKFP'schen Annalen der Physik und
Chemie, in denen diese wie viele der späteren Arbeiten der
Mitglieder der Gesellschaft veröffentlicht sind, und andere
Zeitschriften der damaligen Zeit zeigen den engen Zusammen-
hang der einzelnen Naturwissenschaften; Physik und Chemie
trennten sich später in einzelnen Teilen mehr und mehr von-
einander, blieben aber doch in der physikalischen Chemie, die
heute einen grossen Teil der Forschung beherrscht, aufs engste
vereinigt.
Emil du Bois Reymond, geboren 7. November 1818, ge-
storben 26. December 1896, konnte das Heranwachsen und
Aufblühen, und die von allen Seiten der Gesellschaft gezollte
Anerkennung unter uns hier in Berlin durchleben, sein Bild
steht uns allen noch lebhaft vor Augen. Er, ebenso wie Ernst
Brücke, geboren 6. Juni 1819, gestorben 7. Januar 1892, ver-
einigten Physiologie und Physik, der erstere auf dem Gebiete
der Elektricitat, der letztere auf dem der Optik; bei beiden
spricht sich diese Richtung schon in den ersten Arbeiten aus :
üeber den sogenannten Froschstrom und die elektrischen Fische^)
und: lieber den inneren Bau des Glaskörpers.*)
Hermann Knoblauch, geboren 11. April 1820, gestorben
30. Juni 1895 zu Halle, und Wilhelm Beetz, geboren 27. März
1822, gestorben 22. Juni 1886 zu München, waren diejenigen,
die hauptsächlich die eigentliche Physik zu ihrem Arbeits-
gebiete wählten, aber auch Beetz veröffentlichte im Anfange
noch chemische Arbeiten. Seine Dissertation: de cobalti oxidis
eorumque connubiis nonnuUis, zeigt deutlich seiue ursprüng-
liche Richtung und nur Knoblauch hat von Anfang an Ab-
1) E. DU Bois Reymond, Pogg. Ann. 58. 1843.
2) E. Brücke, Müllers Archiv 1843.
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 149
handlungen rein physikalischer Natur veröffentlicht. Seine
Untersuchungen über strahlende Wärme begründeten seine Be-
deutung — . Sie alle widmeten sich der akademischen Laufbahn
und sie alle gelangten schon früh zu dem höchsten Ziele einer
ordentlichen Professur wie auch Kabsten, dessen Lebensbild
in kurzen Zügen ich heute Ihnen schildern möchte, Auch er
stand mit verschiedenen Wissenschaften, wie der Mineralogie,
in engster Beziehung, wurde er doch Professor der Physik
und Mineralogie, und war überdies dem praktischen Leben
mehr zugewandt, wie seine Thätigkeit auf dem Gebiete des
Aichungswesens zeigt, auch ist er sonst auf den verschiedensten
Gebieten der menschlichen Culturentwickelung thätig gewesen.
Ein historisches Denkmal für uns ist jenes Bild, welches
beim 50 jährigen Stiftungsfeste unserer Gesellschaft reproducirt
wurde, das uns die sechs Stifter der Gesellschaft im jugend-
lichen Alter zeigt ^); wem entrollt sich nicht bei der Erinne-
rung an jene hochverdienten Männer die Geschichte der Physik
seit der damaligen Zeit, wie vielen von uns kommen nicht
Erinnerungen persönlicher Natur in lebhafte Empfindung, da
die älteren von uns brieflich oder persönlich mit den Gründern
der Gesellschaft in Verbindung gestanden haben!
Sie alle haben bis zu ihrem Tode stets das grösste In-
teresse für die Physikalische Gesellschaft bewahrt und Teil
an ihrer Entwickelung genommen. Ist doch auch in anderer
Beziehung das Bild ein sprechender Zeuge für die Fortschritte
der Physik. Das Photogramm ist nach einer Aufnahme von
Karsten gemacht. Die Expositionszeit war eine sehr lange,
sodass Kabsten während der Aufnahme sich zu seinen Freun-
den stellen, dann wieder entfernen konnte. Die Fortschritte
der Photographie seit jener Zeit treten uns so unmittelbar vor
die Augen.
Gustav Karsten wurde am 24. November 1820 zu Berlin,
wohin sein Vater nach der Ernennung zum Oberbergrat ver-
setzt wurde, geboren; er stammte so aus einer Familie, die
als echte Gelehrten-Familie bezeichnet werden muss, da ihr
1) Vgl. Verhandl. d. physik. Verhandl. zu Berlin 15. Jahrg. Nr. 1.
Bericht über die Feier des 50 jähr. BesteheDs am 4. Januar 1896, mit
einer Heliogravüre. Leipzig, Babth 1896.
150 Veibaiidliiiigen der Deatechen Phjsikiü. Gesellscbaft. [Nr. 12.
mehr als 1 Ys Jahrhunderte lang Vertreter verwandter Wissen-
schaften angehörten. Selbst in unserer Zeit ist es oft schwer,
wenn Trager desselben Namens mit demselben Vornamen wissen-
schaftlich publiciren, wenn die Arbeiten die Gegenstände des-
selben Gebietes behandeln, Verwechsinngen zu vermeiden, zumal
diese in den Jonmalen und Citaten selbst vorkommen. Bei
der Bearbeitung des Registers der Fortschritte der Physik^)
trat diese Schwierigkeit häufig hervor, wie bei den Namen
Wolf, WoIiFP, Vogbl. Die Vornamen der zweiten Greneration
der EABSTEN'schen Familie stammten aus der Familie der
älteren Linie, während die directen Vorfahren andere Vor-
namen besassen.
Ln 18. Jahrhundert waren es Wengeslaus Johann Gustav
Kabsten, geboren 1732 zu. Neubrandenbuig, gestorben 1787
zu Halle, zuerst Professor der Logik in Rostock, dann Pro-
fessor der Physik und Mathematik in Halle, bekannt durch
seine Arbeiten über Mathematik, und sein jüngerer Bruder
f^NZ Chbistian Losenz Eabsten, geboren 1751 auf dem
Landgut Pohnsdorf in Mecklenburg, gestorben zu Neuen
Werder bei Rostock, die den Namen Karsten in die wissen-
schaftliche Welt einführten. Von dem altem Bruder stammt
DiEDBiCH Ludwig Gustav Eaesten, geboren 1768 zu Bützow
in Mecklenburg und schon 1810 in Berliu gestorben, wo er
1781 Custos des neu gegründeten Mineraliencabinets und 1789
Lehrer der Mineralogie und Bergbaukunde am Bergwerks-
eleveninstitut (Bergakademie) geworden war. Seine Publicationen
auf dem Gebiete der Mineralogie und Bergbaukunde sind
ausserordentlich zahlreich.
Von dem jüngeren Bruder F. C. L. Eaesten stammt der
Vater unseres Stifters, Cabii Johann Bernhabd Karsten, ge-
boren 26. November 1782 zu Bützow, gestorben 22. August
1851 zu Berlin, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, er
war Oberbergrat in Berlin und nahm 1851 seinen Abschied;
von ihm stammen die beiden Brüder Hermann Eabsten, ge-
boren 3. September 1809 zu Breslau, gestorben 26. August
1877 zu Reinerz, der hauptsächlich mineralogische Arbeiten
publicirte, und Gustav Kabsten.
1) Bearbeitet von B. Schwaige. Berlin, Reimes 1897.
Xr. 12.J Sitzung vom 29. Juni 1900. 151
Ausserdem ist in der wissenschaftlichen Welt noch der
Vetter beider, Hermann Karsten, aber auf einem anderen
Gebiete, dem der Botanik, bekannt geworden.
Gustav Karsten besuchte das Friedrich - Wilhelms-
Gymnasium hierselbst, machte mit 19 Jahren das Abitu-
rientenexamen, das damals eben erst allgemein obligato-
risch geworden war, und widmete sich dem Studium der
Mathematik und Naturwissenschaften in Berlin und Bonn:
Steiner, Dirichlet, Weiss, Mitscherlich, Dove, Magnus,
Plücker, Radicke, Nöggerath, Argelander waren seine
Lehrer, aber das Interesse für andere Wissenschaften und das
Streben tiberall die historische Entwickelung und den historischen
Zusammenhang zu erfassen, bethätigte sich bei ihm schon da-
durch, dass er auch Philosophie und Philologie unter Tren-
delenburg und BöOKH, Geschichte bei Ranke hörte. Den
Familientraditionen gemäss hatte er von vornherein ein grosses
Interesse für Bergfach und Mineralogie, das er in Bonn be-
sonder» pflegen konnte. Im Anfang beschäftigte er sich mit
Daguerrotypie, die damals die Welt in Erstaunen setzte.
Immer aber blieb sein Sinn auf allgemeine Beziehungen ge-
richtet, wie auch seine Dissertation zeigte: Imponderabilium
praesertim electricitatis theoria dynamica cum appendice de
imaginibus quae luce, calore, electricitate procreantur, Berlin
1843 4^. In demselben Jahre nahm er an dem MAGNUs'schen
Colloquium teil und erweiterte dann seinen Gesichtskreis durch
Reisen durch Ungarn und Italien. 1845 habilitirte er sich
in Berlin. Seine erste Vorlesung fand im Sommer 1845 statt:
„üeber die chemischen Wirkungen des Lichts". In der physika-
lischen Gesellschaft, die in demselben Jahre gestiftet wurde,
hielt er den ersten Vortrag 25. Juli 1845: Sonnenspectra und
Mondbilder auf Papier und DAGUERRE'schen Platten; Bericht
von Versuchen tiber die chemische Wirkung der Sonnenstrahlen.
Der erste Vortrag in den wissenschaftlichen Sitzungen
14. Februar, war der von Brücke: „die Untersuchungen über die
Undurchgängigkeit der optischen Madien des Auges für
Wärme und chemische Strahlen", dem sich der Vortrag von
W. Siemens „Regulationsvorrichtung an Dampfmaschinen" an-
schliesst.
Eigentümlich ist, dass die Vorträge der Physikalischen
152 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12.
Gesellschaft nicht in deutschen Journalen veröffentlicht werden
konnten.
Der Vortrag von Kaesten wie der von Siemens sind publi-
cirt in Quesneville's Revue scientifique XXVII., wobei manch-
mal grobe Versehen und Umstellungen mit unterliefen. (Die
Verhandlungen erschienen zuerst unter der Signatur „Progres
des sciences physiques hors de France"), sodass Reclamationen
erforderlich wurden. Wie hat sich nicht die literarische Pro-
duction seit jener Zeit geändert! Von den weiteren Vorträgen
sind hervorzuheben der Vortrag über die physikalischen Eigen-
schaften der Lösungen des reinen Kochsalzes in Wasser (ge-
sondert erschienen bei Reimeä 1846 und auch in Kabsten's
„Archiv für Bergbau und Hüttenwesen^*, gegründet von K. J.
Bd. Karsten, 1818—1881, neben dem das „Archiv für Minera-
logie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde" Berlin, entstand,
1829 — 1855, das von Bd. 10 an mit von Decken, von Bd. 27 an
von G. Kaesten redigirt wurde) und vom 6. Februar 1846
„Die üebersicht der Untersuchungen über die Elasticität des
Wasserdampfes iindHülfstafeln fürPsychrometerbeobachtungen*'.
Auch diese Arbeit ist, wie die vorige, in Kabsten's Archiv und
in Quesnbville's „Rev. scientifique** publicirt. ^)
Nach weiteren Reisen nach Frankreich und England, wo
er Arago, Regnault, Moigno, Haldat, Beewsteb, Aibt,
Glaisheb und Fabaday, der am meisten auf ihn einwirkte,
und den er am meisten bewunderte, kennen lernte, wurde
er in demselben Jahre als Professor nach Kiel berufen, wo
er bis zu seinem Tode lebte, ein glückliches Leben in der
Familie y ein thätiges^ arbeitsames, erfolgreiches Leben im
Beruf, ein nach allen Seiten hin von der Hauptthätigkeit aus-
gehendes schaffendes Leben für weitere Kreise.
Bei den schwierigen politischen Verhältnissen und den
Stürmen des Jahres 1848 und den darauf folgenden schweren
Zeiten für Holstein gelang es ihm doch durch die uneigen-
nützige Stellungnahme bei echt deutschem Wesen für die
Wissenschaften, die er vertrat, die erforderlichen Einrichtungen
zu schaffen. 1848 war er bei der Einrichtung des meteoro-
logischen Institutes thätig, 1852 hat er für seine Disciplinen
1) Vgl. „PoriBchritte der Physik" Bd. !• 1845.
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 153
ein eigenes Institut errichtet; freilich nicht Institute, wie wir
sie jetzt haben, mit allen Mitteln der modernen Technik aus-
gestattet; existirten doch Institute für Physik so gut wie gar-
nicht, weshalb die Gelegenheit, physikalisch zu arbeiten, für
Studirende erst viel später, 1 862 geschaffen wurde und waren doch
die Hülfsmittel so beschränkt, dass der Aufbau von Apparaten
und die Zusammenstellung besondere Anforderungen an die-
jenigen, welche sich mit den experimentellen Wissenschaften
beschäftigten, stellten!
Ende der fünfziger Jahre wurde er, nachdem er noch
1855 den naturwissenschaftlichen Verein für Schleswig- Holstein
gegründet hatte, mit der Organisation des Maass- und Ge-
wichtswesens in Schleswig- Holstein betraut und zum Director
des Aichamts (1859) ernannt.
Hatte er sich doch von jeher für die Reform von Maass-
und Gewicht interessirt, wie die Arbeit: Vorschläge zur all-
gemeinen deutschen Maass-, Gewichts- und Münzregulirung,
Berlin 1848 zeigt. Wer noch selbst vor 1864 an sich selbst
die ünerträglichkeit und Verworrenheit der in Deutschland
gebräuchlichen Münz- und Maasssysteme empfunden hat, wer
noch selbst die Unannehmlichkeit der Rechnung nach Braun-
schweiger, Hamburger und Rheinischer Elle , nach Bayrischen,
Hessenschen und Rheinischen Fuss kennen gelernt hat und
genöthigt war bei kleinen Reisen Mecklenburgische, Dänische
und Hamburger Schillinge, Hannoversche Neugroschen und
Bremer Grote zu wechseln, der weiss den grossartigen Fort-
schritt auf dem Gebiete des Aichungs- und Münzwesens, der
zuerst Schritt für Schritt seit 1848 stattfand -und dann plötz-
lich nach Herstellung des Reiches vollendet wurde, zu schätzen. ^)
Kein Wunder, dass nach 1864 auch Kabsten von der politi-
schen Bewegung ergriffen wurde, er war 1869 — 1872 Mitglied
des Landtags, 1877 und die folgenden Jahre Mitglied des
Reichstags bis er 1885 dem socialdemokratischen Gegner
weichen musste.
G. Kaesten war es eigentümlich, dass er nicht an allen
Aemtern und Würden festhielt, wenn er sah, dass neue Auf-
l) Vgl. G. Karsten, Gesetz über Einführung des Pfundes zu 500 g
für Holstein 1860; Maass- und Gewichtsordnung far den Norddeutschen
Bund 52 S. Kiel 1869,
154 Verhandlungen der Deutschen Physik al. Gesellschaft. [Nr. 12.
gaben an ihn herantraten. Er legte schon 1869 die Leitung
des mineralogischen Instituts nieder, übernahm aber die Ge-
schäftsführung der Ministerialcommission zur Untersuchung
der deutschen Meere, die er im Jahre 1895 abgab.
Die Ergebnisse sind in den Veröffentlichungen physikali-
scher Beobachtungen an den Stationen der Ostsee- und Nord-
seeküsten, die er regelmässig der physikalischen Gesellschaft
zusandte, niedergelegt. Inzwischen hatte er auch für Schleswig-
Holstein, das ja seine Heimatsprovinz geworden war, in
den Beiträgen zur Landeskunde der Herzogtümer Schleswig-
Holstein mannigfache Förderung zur Kenntnis des Landes
gegeben.
So floss sein Leben ruhig dahin, in der freudigen Genug-
thuung genug gethan zu haben legte er 1 898 sein Inspectorat
des Aichungsamtes nieder, nachdem er 1894 schon die Direction
des physikalischen Institutes abgegeben hatte.
Ihm ist es beschieden gewesen all die Gelegenheiten feiern
zu können, bei denen wir in ernstem und bei ihm in unge-
trübtem Rückblick die vergangene Zeit mit ihrem Glück und
Unglück, mit den Hoffnungen und Bestrebungen, die uns er-
füllt, vorüberziehen lassen können und wo die Entwickelung
der Zeit und des eigenen Lebens in der Erinnerung lebendig
wird. Gustav Kabsten feierte 1893 das 50jährige Doctor-
jubiläum, 1897 das Jubiläum der ordentlichen Professur und
1898 die goldene Hochzeit an der Seite der geliebten Gattin,
in der Mitte seiner Kinder, von denen in der langen Zeit des
Lebens vor ihm nur eine Tochter dahingegangen war. Am
15. März 1900 schied er aus ihrer Mitte in Kühe und Be-
friedigung.
Es ist unmöglich alle Arbeiten Karstens einzeln dem In-
halte nach anzugeben oder hier zusammenzustellen; in den Fort-
schritten der Physik (Register p. 471), in Hellmann's Reper-
torium, in dem Biographisch-literarischen Handwörterbuch von
PoGGENDOBEF, Bd. I, p. 1230 Und in der Fortsetzung desselben
von Feddersen und Oettingen p. 710 sind die literarischen
Nachweise gegeben. Hier mag es gestattet sein, nur die hervor-
zuheben, welche zu seiner ganzen wissenschaftlichen Auffassung
und zu der physikalischen Gesellschaft in näherem Zusammen-
hang stehen. Das Streben, überall den historischen Zusammen-
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 155
hang festzuhalten und es zu ermöglichen, dass das Werden
der Wissenschaft an der Hand von Berichten über die ein-
zelnen Erscheinungen leicht verfolgt werden kann, hat ihn bei
dem historischen Interesse^), das ihm auch sonst innewohnte,
bewogen, gleich zuerst die Redaction der Fortschritte zu tiber-
nehmen, Ziel und Zweck sind in dem Vorbericht zum 1. Bande
ausführlich dargestellt. „Der Hauptzweck bleibt eine wissen-
schaftlich geordnete und womöglich vollständige Uebersicht
aller Arbeiten zu geben, die während der Zeit, welche der
Jahresbericht enthält, erschienen sind.^*
E> verkannte die Schwierigkeiten des Unternehmens nicht,
sie zeigten sich schon bei der Herausgabe der ersten Bände
und sind bis heutigen Tages bestehen geblieben und waren zeit-
weise sogar ausserordentlich angewachsen. Die Säumigkeit
der Mitarbeiter, die Schwierigkeit der Beschaffung der Literatur
und neuer Referenten, ungünstige Zeitverhältnisse, alles dies
erschwerte die Redactionsarbeit. Der erste Band der Fort-
schritte von 1845 erschien im Jahre 1847 im Verlage von
G. Retmee, wie auch die folgenden Bände bis 1887 einschliess-
lich. Schon 1846 traten Bedenken betreffs der Vollständigkeit
auf, die Art und Weise der Citate wurde erörtert, der Band er-
schien 1848. Das Erscheinen des Bandes 1847 (III.) wurde
schon von den politischen Ereignissen beeinflusst, der Band
kam erst 1850 heraus. Jene hatten auch einen nicht un-
wesentlichen Einfluss auf die wissenschaftliche Production, die
1848 wesentlich geringer war, eine Erscheinung, die sich auch
1870 und 1871 beobachten liess, der Band 1848 kam 1852
heraus. Immerhin war es hauptsächlich das Streben nach
Vollständigkeit, welches eine Verzögerung veranlasste; auch
die üebersiedelung nach Kiel erschwerte die Herausgabe, so-
dass für der Band 1849 Beetz als Mitredacteur eintrat; in
diesem Bande kommt die physikalische Geographie (Physik
der Erde) als neuer Teil hinzu. Um die vorhandene Ver-
zögerung einzuholen, erschien Jahrgang 1850/1851 zusammen.
Der Schwierigkeit des Verkehrs wegen war Karsten ganz aus-
1) Er gab schon früher den Brrefwechsel von Wenceslaus Karsten
mit EüLER heraus, ebenso auch die biographischen Umrisse von K. J. Bn,
Karsten (1854).
156 Yerhandlungen der Deatschen Physikal. Greaellschaft. [Nr. 12.
geschieden. Der Band 1850/1851 wurde von Bbetz und
Kbönig redigirt und erschien 1855. Die Fortschritte bilden
eigentlich eine Geschichte der Physik und die Verfasser man-
cher Arbeiten der neueren Zeit würden gut gethan haben, auf
das früher vorhandene Material zurückzugehen. Karsten be-
hielt das Interesse für diese Hauptpublicationen stets bei; er
war bis 1885 Referent und bearbeitete zuletzt den Abschnitt
Oceanographie. Seit meiner Uebemahme der ßedaction habe
ich zuerst brieflich, später persönlich mit ihm in Verkehr ge-
standen.
Auch sein zweites Hauptwerk, die allgemeine Encyklo-
pädie der Physik 1860 — 1870, entstammt derselben Rich-
tung des Herausgebers, die zugleich mit dem Bestreben ver-
bunden war, auch den Zusammenhang mit anderen Wissen-
schaften aufrecht zu erhalten.
Eine grosse Anzahl von Gelehrten hatten die Durchfuh-
rung des Unternehmens übernommen: die Meteorologie von
ScHMTD, die physiologische Optik von Helmholtz, die Lehre
vom Magnetismus von Lamont sind eigentliche Teile dieser
Encyklopädie. ^) Die Herausgabe des Bandes I erfolgte 1869;
die Einleitung in die Physik war bearbeitet von G. Kabsten,
F. Habms und G. Weyeb.
Der Zweck der Encyklopädien, ein Bild von dem Stande
der Kenntnisse einer Zeit in einem Gebiete auf Grund der
früheren historischen Entwickelung zu geben, schliesst zugleich
eine Schwierigkeit in sich, nämlich die, das Werk so schnell
erscheinen zu lassen, dass in der That der Stand des Wissens
der Zeit festgelegt wird. Die mühsame, schwierige Bearbeitung
dieser Encyklopädien bringt es mit sich, dass schon neue
Sachen erschienen sein können, die den alten Standpunkt ge-
ändert haben , ein Uebelstand , der bei der Herausgabe der
grossen wissenschaftlichen Wörterbücher, wie bei dem Hand-
1) Encyklopädie der Physik, Bd. IX: Handbuch der physiologischen
Optik, bearbeitet von H. Helmholtz. Bd.- XI: Lehrbuch der Meteoro-
logie, bearbeitet von E. E. Schmid. Bd. XV: Handbuch des Magnetis-
mus, bearbeitet von J. Lamont. Die Mitarbeiter der Encyklopädie waren:
P. W. Brix, G. Dechen, P. C. 0. v. Feilitzsch, F. Gbashop, F. Harms,
H. Helmholtz, G. Karsten, H. Rarsten, C. Kuhn, J. Lamont, J. Pfeiffer,
E. E. Sohmid, f. Schulz, L. Seidel, G. Meyer, W. Wundt.
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 157
Wörterbuch der Chemie von Feetling besonders hervortritt.
Nachträge oder neue Auflagen sind bei den Encyklopädien
erforderlich und so kommt es, dass alle diese Werke vielfach
nicht neu erscheinen, ja vielfach nicht einmal beendet sind.
Von wie allgemeiner Wichtigkeit diese Einleitung in die
Physik auch für die Kreise ist, welche in der Geschichte der
Wissenschaft bei den Griechen die modernen Naturwissen-
schaften zu beherrschen glauben, erhellt schon aus dem In-
halt: Allgemeine Literatur der Physik von G. Karsten; philo-
sophische Einleitung in die Encyklopädie der Physik von
F. Harms; Maass und Messen von G. Karsten; Zeit und Orts-
bestimmung von G. Weyer und von den Eigenschaften der
Materie und den physischen Kräften (den allgemeinen Eigen-
schaften) von G. Karsten. In dem ersten Abschnitt findet
sich eine übersichtliche, vollständige Angabe der damaligen
physikalischen Literatur, geordnet nach einzelnen Kategorien
(Literaturverzeichnisse, Geschichte der Physik, Biographie und
Nekrologe, Jahresberichte und Repertorien, Encyklopädien
und Wörterbücher, Schriften gelehrter Gesellschäften, den Län-
dern nach geordnet, Zeitschriften in derselben Weise geordnet;
physikalische Lehrbücher und Sammelwerke eines Autors), eine
Zusammenstellung, die heute noch die Grundlage für ent-
sprechende kurze Bibliographien sein kann.
Im Abschnitt „Maass und Messen" tritt jene oben geschilderte
Verworrenheit und ünvoUkommenheit der früheren Maass-
systeme hervor, von den altbabylonischen Maassen bis zu dem
metrischen System ist ein üeberblick über die ganze Entwicke-
lung, unterstützt durch vortreffliche Tabellen, gegeben, indem
stets die allgemeinen Gesichtspunkte hervorgehoben werden,
und die allgemeinen Teile belehren uns über das erwähnte
Vorurteil. Wenn man in Einseitigkeit glaubt, dass die moderne
Chemie durch die Atome des Demokrit erschöpft sei, so würden
einerseits die Vertreter dieser Richtung durch das Studium der
Chemie, einer Wissenschaft, die sie nicht kennen, eines anderen
belehrt, andererseits aber auch durch die Anwendung, die
Demokrit von seiner Theorie macht, indem er behauptet, dass
das Feuer aus leicht beweglichen Kugeln (Atomen), die anderen
Elemente aus Atomen verschiedener Gestalt, die sich nur durch
ihre Grösse und Kleinheit voneinander unterscheiden, bestehen,
158 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12.
und der die Seele als einen aus leicht beweglichen Kugeln zu-
sammengesetzten Körper definirt. Wir Aelteren sind zum
Teil noch aufgewachsen in dem früher gelehrten Dogma, dass die
Leistungen der Griechen auf dem Gebiete der Naturwissen-
schaften die der Modernen überragten; mir ist darum unaus-
löschlich ein Ausspruch des Herausgebers der Annalen Poggen-
DOBFF, bei dem ich Geschichte der Physik hörte, geblieben:
„Es wäre erstaunlich, wenn unter dem Vielen, was die Griechen,
diese hochbegabten und tiefen Denker, geschrieben hätten,
neben dem vielen Unrichtigen, Falschen und Thörichten, das
sie auf dem Gebiete der experimentellen Wissenschaften an-
gegeben, nicht auch Anschauungen gegeben hätten, die bei der
exacten Forschung, ohne dass sie die Grundlage derselben ge-
worden sind, zur Erklärung benutzt werden könnten.'* Die
genaue Kenntnis der experimentellen Naturwissenschaften zeigt,
dass ihnen im Altertum nur wenig vorgebaut war.
Was Karsten auf dem Gebiete der Meteorologie, der
Hydrographie geleistet, soll hier nicht weiter verfolgt werden,
aber seine allgemeine politische Thätigkeit kann ich nicht ganz
unerwähnt lassen. Wer in den siebziger Jahren das politische
Leben hat mit durchleben dürfen, dem werden die Eindrücke
unvergesslich bleiben. Die damaligen politischen Clubs ver-
vereinigten die Alten, die z. T! aus dem Jahre 1848 an der Neu-
gestaltung mitzuarbeiten unternahmen, denen es aber schwer
wurde, sich in die neuen Anschauungen zu finden, die nicht
an die alten anknüpften, und die Jungen, die nach der Gründung
des Reiches hofften, dass auf einer gemeinsamen freiheitlichen
Basis sich das Reich und seine Verfassung entwickeln werde;
jeder suchte in Eifer und Arbeitsfreudigkeit die Sache des
Vaterlandes zu fördern. Käesten hat, abgesehen von vielen
nationalökonomischen Arbeiten, sich 1879 der mühsamen
Arbeit von Tabellen unterzogen, aus welchen sich viele An-
griffe gegen das Princip der Handelsfreiheit hätten wider-
legen lassen, aber schon hatte die Politik sich anders ent-
schieden, von da an traten die Spaltungen auf wirtschaftlichem
Gebiete mehr und mehr hervor und wenn in der Mitte der
siebziger Jahre sofort dem emporkommenden Gründertum und
der Interessenverfolgung auch auf dem Wege der Gesetzgebung
kräftig entgegen getreten wurde, so wurde von 1879 an der
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 159
Charakter in den Verhandlungen ein anderer. Karstfn war kein
Agitator, aber stets ist er seiner freien Ueberzeugung gefolgt,
eine Charakterfestigkeit, die nicht dazu beiträgt, Förderung
oder Berücksichtigung zu erfahren. Unbekümmert darum hat
er auch auf dem Gebiete des öfiFentlichen Wohles durch Arbeit
die Wahrheit zu fördern gesucht; auch auf dem Gebiete des
ünterrichtswesens hat er manchmal als Abgeordneter Ge-
legenheit gehabt, seine Kenntnisse und die historische Begründung
derselben zu verwerten.
IBm ist die hohe Freude zu Teil geworden, die gross-
artigen Unternehmungen und Entwickelungen zur Zeit der
Jahrhundertwende zu sehen, zu denen er auch einen Baustein
beigetragen hat. Die Meeresforschung ist eine Aufgabe aller
Völker geworden, wie das Land, so muss auch das Meer er-
schlossen werden, wenn das Wissen der Menschheit nicht un-
vollkommen bleiben soll. Welche Entvackelung hat nicht seit
1852 die deutsche Handelsflotte und Marine, welchen Umfang
nicht die deutsche Marineforschung angenommen! Die Meteoro-
logie ist aus der rein statistischen Methode herausgetreten,
sie ist jetzt eine physikalische Wissenschaft, die die physika-
lischen Gesetze, welche die Veränderungen in unserer Atmo-
sphäre beherrschen, zu ergründen sucht und schon vieles auf
diesem Gebiete geleistet hat. Das einheitliche Maass und Ge-
wicht ist durchgeführt, ein besonders grosses Institut bear-
beitet alle einschlägigen Fragen und weitere Einigung der
Nationen auf diesem Gebiete ist angebahnt. Karsten hat zu
alledem beigetragen, wie auch allen Stiftern unserer Gesell-
schaft die Genugthuung wurde, das Emporblühen und die Aner-
kennung der Naturwissenschaften gesehen und dazu mit ge-
holfen zu haben.
Ehre sei dem Andenken der Stifter unserer Gesell-
schaft, und ernstes Gedenken widmen wir heute dem
letzten derselben:
Gustav Karsten.
160
Veher stereoskopische Lupen und Brillen;
von JE. Berg er (in Paris),
(Vorgelegt in der Sitzung vom 29. Juni 1900.)
(Vgl. oben S. 145.)
Zwei zu einander geneigte, decentrirte Biconvexlinsen ent-
werfen von einem in der Brennweite befindlichen Gegenstande
je ein aufrechtes, vergrössertes , weiter (als der Gegenstand)
entferntes, virtuelles Bild für jedes Auge. Da diese Bilder
auf identische Netzhautstellen beider Augen projicirt werden,
so werden dieselben im Gehirn, als einem Gegenstande ange-
hörend, wahrgenommen. Beide Bilder sind um so mehr tem-
poralwärts abgelenkt, und desto mehr voneinander verschieden,
je kürzer die Brennweite der die neue binoculäre Lupe ^) dar-
stellenden Linsen sind. Erstere Erscheinung erklärt, warum
langes Beobachten mit der neuen Lupe ohne erhebliche Con-
vergenzanstrengung möglich ist; letztere ist Ursache der star-
ken stereoskopischen Wirkung der Lupe.
Die verfeinerte Relief Wahrnehmung macht sich jedoch erst
nach einiger Uebung geltend. Das Gehirn muss erst die Be-
urteilung der feineren Reliefunterschiede aus der grösseren
Verschiedenheit der Netzhautbilder erlernen. Im allgemeinen
erfolgt dies ziemlich rasch; etwas langsamer bei älteren, als
bei jüjageren Leuten, schwieriger bei Berufsarten, welche an-
haltendes Arbeiten, mit einem monoculären Instrumente er-
fordern. In einzelnen Fällen ergab sich, dass das körperliche
Sehen nur durch die Ueberkreuzung der Contouren und durch
die Schlagschatten beurteilt wird. Auch in mehreren Fällen
von Hysterie und von beginnender progressiver Paralyse wurde
festgestellt, dass die Verschiedenheit beider Netzhautbilder,
die jener entsprechen würde, welche eine Vergrösserung des
Pupillarabstandes beider Augen hervorrufen würde, keine bessere
Wahrnehmung des Reliefs zur Folge hatte. Längeres Arbeiten
1) Solche Lupen (und Brillen) sind neuerdings von mir construirt
worden und von Gebr. Koch in Stuttgart käuflich zu beziehen.
Nr. 12.] Sitzung vom 29. Juni 1900. 161
mit der Lupe bringt schliesslich bei den meisten Menschen
eine erstaunliche Steigerung der Reliefwahrnehmung hervor
und schliesslich wird auch die Reliefwahrnehmung ohne die
stereoskopische Lupe bedeutend verbessert.
Die zu einander geneigten Linsen rufen eine astigmatische
Wirkung hervor, welche entgegengesetzt dem physiologischen
Astigmatismus des menschlichen Auges im horizontalen Meri-
diane den stärksten Brechwert zeigen; letzterer ist um Y13
stärker, als jener des verticalen Meridianes. Bei einer stereo-
skopischen Lupe von + 13 I) Brennweite ist mithin der
horizontale Meridian von 1 D stärker brechend, als der verti-
cale. Ein Auge mit einem physiologischen Astigmatismus
(Astigmatismus nach der Regel von ^4 D) wird mithin einen
Astigmatismus von ^/^ D gegen die Regel erhalten. Es genügt
jedoch, eine Neigung der Lupe im verticalen Sinne auszuführen,
um diese Uebercorrection des Astigmatismus des Auges durch
jenen der Lupenlinsen auszugleichen. Für feineres Beobachten
erfordernde Untersuchungen kann für jeden Untersucher die
Lupe in der den individuellen Astigmatismus nach der Regel
corrigirenden Stellung fixirt werden. In den Fällen, in welchen
der Grad des Astigmatismus nach der Regel in beiden Augen
verschieden ist, kann jeder Lupenlinse eine verschiedene Neigung
gegeben werden; in den meisten Fällen genügt es jedoch, das
beim binoculären Sehact hauptsächlich werwandte Auge (oeil
directeur, Tscherning) zu corrigiren; in den Fällen von Astig-
matismus gegen die Regel oder mit schief gerichteten Axen
müssen den Lupenlinsen Cylindergläser beigefügt werden, welche
den Astigmatismus des Auges und jenen der Linsen zusammen
zu corrigiren haben.
Die neue binoculäre Lupe ist bestimmt, die einfache Lupe
in allen ihren bisherigen Anwendungen in der Wissenschaft,
Kunst und Industrie zu ersetzen. Die neue Lupe behält die
Brennweite, Vergrösserung und den .Arbeitsabstand der bisher
üblichen Lupen bei; ihr Gesichtsfeld ist grösser, als jenes der
letzteren; sie ermöglicht die Untersuchung mit beiden Augen,
mit Verfeinerung der Reliefwahrnehmung; sie gestattet eine
lange andauernde Arbeit ohne Anstrengung der die Convergenz
bewirkenden Musculi recti interni; die Ueberanstrengung des
allein bisher verwandten Auges, sowie die Ermüdung des
162 Verhandlungen der Deutseben Physikal. Gesellschaft [Nr. 12.
Schliessmuskels des anderen, nicht arbeitenden Auges,, die
Schädigung des binoculären Sehactes durch lange anhaltende
Nichtbenutzung eines Auges entfallen; in sehr zahlreichen
Fällen (90-— 97 Proc, Nordenson, Steiger, Knapp) corrigirt
der Lupen-Astigmatismus den Astigmatismus des üntersuchers.
Decentrirte, zu einander geneigte, Concavgläser geben
Myopen die Vorteile einer feineren Reliefwahrnehmung und
einer Verminderung der Convergenzanstrengung. Sowohl Convex-
als Concavgläser können in dieser Weise bei der Nahebrille,
welche eine binoculäre Lupe von grösserer Brennweite ist, in
Verwendung kommen.
Die bei der bisher üblichen Nahebrille beobachteten Be-
schwerden, über welche die meisten Kranken, insbesondere bei
der Anwendung von Convexgläsern , klagen, lassen sich am
einfachsten durch eine, infolge auf beiden Augen ungleich
starker, prismatisch-adducirender Wirkung derselben während
des Lesens auftretende, Coordinationsstörung der Augen-
bewegungen erklären, die eingehender in einer, in der Zeit-
schrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane er-
scheinenden Abhandlung besprochen werden soll.
Druck von Metzger &, Wittig in Leipzig.
163
Ueber die Strahlung des schwarten Körpers für
la/age Wellen;
van O. Lummer tt/nd E. JPringsheim.^)
(Vorgetragen in der Sitzung yom 2. Februar 1900.)
(Vgl. Nr. 8, S. 87.)
SchoD in unserer ersten Arbeit*) über die Verteilung der
Energie im Spectrum des schwarzen Körpers haben wir syste-
matische Abweichungen zwischen der Beobachtung und der
WiEN-PLANCK'schen Spectralgleichung
c
(1) E^Cl-^i"^
gefunden. Während folgende auf die Lage X^ und Höhe E^
des Energiemaximums bezüglichen Gesetze
(2) A^y=^ = const., •
(3) ^^y-ß = 5==const.
innerhalb des Temperaturintervalls von 700® abs. bis 1650*^ abs.
sich vollkommen bestätigten, wich die Form der Energiecurve
von der durch Gleichung (1) verlangten merklich ab. Dass
diese Abweichungen systematischer Natur sind, zeigten wir
durch Betrachtung der isochromatischen Curven: ,
(4) \ogE.= y^-Yt-\-
Die ans diesen „Geraden" mit Hülfe der GMeichongen
log(7=yi + 51ög^,
berechneten Wertepaare C und c, welche nach Gleichung (1)
Constante sein müssen, zeigten einen ' deutlichen Gang,
1) Der Inhalt dieser Arbeit ist im Wesefatlichen in der Sitzung yom
18. September 1900 der Abteilung für Physik der Naturforscherversammlung
in Aachen mitgeteilt worden.
2) 0. Lummbb u. £. Pbinosbeim, Verhandl. d. Deutsch. Pbys. Ges.
1. Nr. 1. p. 23—41. 18?JU-^
164 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12 a.
wie aus der folgenden, unserer ersten Arbeit entnommenen
Tab. I hervorgeht.
Tabelle I.
l ; 1,21 1,96 2,20 3,68 4,96/1*
c. jj 13510. 13810 14240 14800 16510
(7.10~^^|i i067 1219 1449 1771 2261
Um Über die Bedeutung des Wanderns der Grössen C und c
Aufschluss zu erhalten, würden die Messungen unter günstigeren
Versuchsbedingungen wiederholt und vor allem die störenden
Absorptionen -des Wasserdampfes und der Kohlensäure in der
Luft nahe eliminirt. Ausserdem Wurden Controlbeobachtungen
mit einem zweiten^ ausserordentlich reinen Flussspatprisma an-
gestellt und verschiedenartig construirte schwarze Kölner zur
Beobachtung herangezogen.
Die Resultate dieser VersuXSlie, welche wir in einer zweiten
Publikation^) mitgeteilt haben, standen in vollkommener üeber-
einstimmung mit denen der ersten Versuchsreihe, Der Wert
von c stieg systematisch mit wachsender Wellenlänge bis zu
18500 bei A= 8,3^.' *
Dieses Wachsen von c mit der Wellenlänge ist im Ein-
klang mit dein Resultate von Beckmann^), welcher für die
. 1) 0. LüMMEB u. E. Pbingshedi, Verhandl. d. Deutsch. Phjs. Ges.
1. p. 215— 235. 1899.. . * .
2) H. Beckmann, Inaug.-lMss. Tübingen 1898; vgl. auch H. Busens,
Wied. Ann. 69. p. 576—588.-1899.
H. BüBENS zeigt, das9 die von Beckmann benutzten Beststrahlen des
Flussspates nicht, wie Beökma^ angenommen hatte, der Wellenlänge 24,4 /k
entsprechen , sondern aus zwei getrennten Maximis bestehen (von 24 /ü
bez. 32 fi). Die auf dieser Grundlage neu bearbeiteten Besultate der
BECKMANN'schen Versuche; gla.abt.H; Bübens in folgender Weise zusammen-
fassen zu können:
1. Das WiEN*sche Gesetz, bez. die hieraus abgeleitete isochromatische
Curve ist zur Darstellung der gewonnenen Beobachtungsresultate voll-
kommen geeignet.
2. Die Constante e des ; WiEN'schen Gesetzes muss, wenn den Be^
obachtungen genügt werden soll, gleich 24 250 gesetzt werden, im Gegen-
satz zu den Eesu^tateb der ^ Untersuchungen des Hrn. Paschen, sowie
der Herren X^oimeb und Pbingshbim,"' welche, allerdings für • erheblich
kürzere Wellen, die Constante c = 14400 ergeben.
' Im Widerspruch hiermit !fÜgt H. Bubens in einer Anmerkung zwar
hinzu, dass sich in unserer Arbeit „bereits eine. Vermehrung der Grösse e
Nr. 12 a.] Sitzung vom 2. Februar 1900. 166
Wellenlänge von 24,4 /i die isochromatische Curve des schwarzen
Körpers beobachtete und hieraus für c den Wert 24000 fand.
Im Gegensatz zu unseren Resultaten stehen die von
F. Paschen^), H. Wanne» ^ und Pasohen- Wanner.*) Ihre
Versuche zwischen 1 fi und 9 fi bestätigen die Wien-Planck' sehe
Spectralgleichung mit überraschender Genauigkeit und
zwar für niedere wie für hohe Temperaturen.
Die verschiedenen Beobachter stimmen also darin überein,
dass sie die Gleichungen (2) und (3) von der „schwarzen Strah-
lung"*) erfüllt finden; sie stehen im Widerspruch zu einander
in Bezug auf die Gültigkeit der WiEN-PLANCK'schen Spectral-
gleichung (1).
Die Gesetze (2) und (3) sind durch die Arbeiten von
L. BoLTZMANN^), W. Wi^N®) Und M. Thiesbn^) als theoretisch
wohlbegründet anzusehen.
Sehr viel unsicherer ist die theoretische Grundlage der
Spectralgleichung (1).
W. Wien®) hat versucht, sie auf dem von W. Michelson®)
mit wachsender Welleolänge zeigt'^; gleichwohl möchten wir ausdrücklich
darauf hinweisen, dass der BECKiiANN'sche Wert von c nicht nur nicht
im Widerspruch mit unseren Versuchen selbst in Bezug auf die kürzesten
beobachteten Wellen steht, vielmehr erst durch das von uns gefundene
systematische Anwachsen von e mit der Wellenlänge in seiner Bedeutung
erkannt worden ist. *
1) F. Paschen, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
L Hälfte, p. 405—420. 1899 und II. Hälfte, p. 959—976. 1899.
2) H. Wanner, Ann. d. Phys. 2. p. 141—157. 1900. In dieser Arbeit
wird aus photometrischen Versuchen geschlossen, „dass das WiEN'sche
Gesetz im sichtbaren Gebiete bis 4000° gültig" sei!
3) F. Paschen u. H. Wanneb, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch.
zu Berlin I. Hälfte, p. 5—11. 1899.
4) So wollen wir mit M. Thiesen (Verhandl. d. Deutsch. Physikal.
Gesellsch. 2. p. 37. 1900) die Strahlung eines schwarzen Körpers be-
zeichnen.
5) L. BoLTZMANN, Wicd. Ann. 22. p. 31 und p. 291-294. 1884.
6) W. Wien, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
I. Hälfte, p. 55—62. 1893; Wied. Ann. 52. p. 132-165. 1894.
7) M. Thiesen, Verhandl. d. Deutsch. Physik. Gesellsch. 2. p. 67. 1900.
8) W. Wien, Wied. Ann. 58. p. 662—669. 1896.
9) W. MiCHELSONy Joum. Soci Phys. chim. russe 19. p* 79. 1887;
Joum. de Phys. (2. ser.) 3. p. 467—479. 1887; Phil. Mag. (5) 25.
p. 425. 1888.
166 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12 a.
eingeschlagenen Wege mit Hülfe des MAxwELL'schen Ver-
teilungsgesetzes abzuleiten. Dieser Herleitung ist durch wohl-
begründete Einwände^) der theoretische Boden vollständig ent-
zogen worden.
Neuerdings ist die WrEN'sche Gleichung durch M. Planck*)
auf elektromagnetischer Grundlage abgeleitet worden. Planck
glaubt diese Gleichung als eine notwendige Folge des Princips
der Entropievermehrung erwiesen zu haben und spricht es
aus yydass die Grenzen ihrer Gültigkeit, falls solche überhaupt
existiren, mit denen des zweiten Hauptsatzes der Wärmetheorie
zusammenfallen'^^)
Der Beweis, auf welchen Planck diesen Ausspruch gründete,
war nicht lückenlos. Es fehlte nach unserer Meinung^) der
Nachweis, dass wirklich jede von der WiEN'schen Formel (1)
abweichende, brauchbare^) Spectralgleichung zu einem Aus-
druck der Entropie führt, der dem Entropiegesetz widerspricht.
Später hat Planck selbst zeigen können, dass es in der That
unendlich viele brauchbare Spectralgleichungen giebt, welche
den bekannten Strahlungsgesetzen und gleichzeitig auch dem
Entropiesatze genügen. Daher hat Planck den ersten Beweis
durch einen neuen ersetzt.^
Auch gegen diesen sind Einwände erhoben worden.^ Ohne
hierauf näher einzugehen, müssen wir anerkennen, dass durch
die PLANCK'schen Arbeiten die von uns gefundenen syste-
matischen Abweichungen vom WnsN'schen Gesetze immerhin
an theoretischem Interesse gewonnen haben.
Da diese Abweichungen mit steigender Wellenlänge zu-
nehmen, haben wir versucht durch Messungen der schwarzen
1) O. LuMMEB u. £. Pringsheim, 1. c. p. 30—31; 0. Lüicmeb u.
E. Jahnkc, Ann. d. Phys. 3. p. 283—297. 1900. Ferner vgl. 0. Lümmeb:
„Sur le rayonnement des corps noirs", Intern. Oongress zu Paris 1900.
2) M. Planck, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
4. Februar, 8. Juli und 16. December 1897; 7. Juli 1898; 18. Mai 1899;
Ann. d. Phys. 1. p. 69—122. 1900.
3) M. Planck, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
I. Hälfte, p. 477. 1899.
4) 0. LuMMEB u. £. Pbinqshbim, 1. c, p. 225.
5) Vgl. 0. LuMMEB u. E. Jahnke, Ann. d. Phys. 3. p. 287. 1900.
6) M. Planck, Ann. d. Phys. 1. p. 719—737. 1900.
7) Vgl. W. Wien, „Les lois th^oriques du rayonnement^^, Intern.
Oongress zu Paris 1900.
Nr. 12a.] Sitzung vom 2. Februar 1900. 167
Strahlung für das Wellenlängengebiet zwischen 12 [jl und \S fi
eine Entscheidung herbeizuführen.
Versuolisanordnung.
Die Versuche wurden mit demselben Spiegelspectrometer
ausgeführt, welches zu unseren früheren Messungen gedient
hatte. Das benutzte Bolometer hatte eine Breite von 19' und
einen Widerstand von etwa 20 Ohm. Zur Erzeugung des
Spectrums diente ein vorzügliches, Hrn. Prof. Rubens ge-
höriges Sylvinprisma, dessen nutzbare Jf'läche etwa 22 cm^
beträgt. Auf die Abbiendung falscher Strahlung wurde be-
sonderer Wert gelegt. Auch hier war das Spectrobolometer
in einem Kasten eingebaut, dessen Luft möglichst von Kohlen-
säure und Wasserdampf befreit war. Vor dem Spalt befand
sich die Oeflfnung des schwarzen Körpers, und zwar so nahe,
als es die Klappvorrichtung erlaubte.
Um die schwarze Strahlung zu verwirklichen, dienten für
niedere Temperaturen, nach dem Vorgange von Lummbb- Wien ^),
innen mit Russ, Platinchlorid bez. Eisenoxyd geschwärzte Hohl-
räume, die durch Bäder von flüssiger Luft, siedendem Wasser
und geschmolzenem Salpeter auf constanter Temperatur ge-
halten wurden. Für höhere Temperaturen wurde der „elek-
trisch geglühte schwarze Körper"^) in verschiedenen Formen
verwandt.
Die Justirung war mit Hülfe der an einer Prismenfläche
nach aussen reflectirten sichtbaren Strahlung sehr exact aus-
zuführen. * Diejenigen schwarzen Körper, welche nicht auf
Glühtemperatur gebracht werden konnten, justirte man mit
Hülfe eines elektrisch geglühten, die Strahlungsöflhung mar-
kirenden Platindrahtes.
Die zwischen dem Spalt und der strahlenden Oefihung
befindliche Klappe bestand aus zwei Teilen, einer wasserge-
spülten Metallklappe und einer Flussspatplatte von ca. 4 mm
Dicka, welche abwechselnd benutzt werden konnten. Die
wassergespülte Klappe hat den Vorteil, dass ihre Temperatur
durch ein vom Kühlwasser umspültes Thermometer genau zu
1) W. Wien u. 0. Lummeb, Wied. Ann. 66. p. 451—456. 1895.
2) O. LüHTMER u. P. KüBLBAüM, Verhandl. d. Physikal. Gcsellsch. zu
Berlin 17. p. 106—111. 1898.
168 Verhandlungen der Deutschen Physika!. Gesellschaft. [Nr. 12a.
messen ist. Die Flussspatplatte dient nach einer von Rubens
benutzten Methode^) als ContrQle dafür, dass die gemessene
Strahlung frei von falscher, diffuser Strahlung ist. Fluss-
spat lässt nämlich alle Wellen unter 7 fi vollständig hindurch,
während es di^enigen über 12 /jl vollkommen absorbirt. Da-
her geht der Hauptanteil der Strahlung dauernd durch den
Flussspatschirm hindurch, die von uns gemessenen Energien
im Gebiet von 12 fx aufwärts werden hingegen vollkommen
absorbirt; für sie wirkt der Flussspatschirm wie eine Metall-
klappe.
Die Versuche erstreckten sich über das Temperaturintervall
von etwa 85^ abs. (flüssige Luft) bis nahe 1800^ abs. Dabei
beobachteten wir die Energien für jede Temperatur an genau
denselben Stellen des Spectrums. Die mit verschieden starkem
Bolometerstrom beobachteten Ausschläge wurden auf gleiches
Maass reducirt.
Die Spaltbreite war bei allen Beobachtungen nahe die-
selbe und zwar gleich der des Bolometers. Wie besondere
Versuche lehrten, waren die Ausschläge innerhalb weiter
Grenzen der Spaltbreite proportional, woraus hervorgeht, dass
durch die Breite des benutzten Spaltes und Bolometers kein
erheblicher Fehler in der Messung hervorgebracht wird. Hier-
mit steht in üebereinstimniung, dass die aus den beobachteten
prismatischen Curven nach der KuNGE'schen Formel*) be-
rechnete Spaltcorrection nirgends mehr als 5 Proc. beträgt.
Aus der beobachteten Energiedifferenz der Strahlung
zwischen dein schwarzen Körper und der Klappe bei Zimmer-
temperatur sollte diejenige Energie berechnet werden, welche
man bei der absoluten Temperatur Null der Klappe beobachtet
hätte. Zu diesem Zwecke fügten wir allen beobachteten Aus-
schlägen diejenigen Beträge hinzu, welche wir bei der be-
treffenden Wellenlänge für den schwarzen Körper von der
Temperatur der flüssigen Luft (—188^0.) erhielten. Diese
„Klappencorrection" ist wenigstens für die hier in Betracht
kommenden Wellenlängen praktisch identisch mit derjenigen,
welche ein schwarzer Körper von der absoluten Temperatür
Null (-273« C.) liefern würde.
1) H. KuBENs, Verhandl. d. Phys.-GeseUsch. zu Berlin, 6. Nov. 1896.
2) C. RuNGB, Zeitschr. f. Math. u. Phys. 42. p. 205—213. 1897.
Nr. 12iu] ' Sitzung voin 2. Februar 1900. 169
Die auf gleiches Mäass red'ucirten und mit der Klappen-
correction versehenen Ausschläge wurden sodann auf das Nor-
malspectrum umgerechnet auf Grund der Von Kubbns und
Teowbbidge^) für Sylvin gegebenen Dispersionscurve. Die Dis-
persion des. benutzten Sylvinprisöias beträgt zwischen 12 fi und
18 jit nahe 2®, während. sie nach den kleineren Wellen zu
rasch abnimmt und z. Bv zwischen 2 (jl und 8 fii nur noch 35'
beträgt Von 18 ^ aufwärts ist Sylvin wegen der schnell zu-
nehmenden Absorption unbrauchbar/ Diese Eigenschaften des
Sylvins in Verbindung mit den erwähnten Absorptionseigen-
schaften der Flussspatklappe lassen daher das gewählte Gebiet
von 12 ^ bis 18 jm als besonders geeignet zur Entscheidung der
gestellten Frage erscheinen.
l^cU^fO^u. Resultate.
A. Ungültigkeir der WiEN-PLANCK'schen Spectralgleichung.
Das Beobachtungsmaterial wurde zunächst in Form von
Isochromaten verwertet, welche für eine Wellenlänge die Ab-
hängigkeit der Energie von der Temperatur darstellen und bei
denen bekanntlich die Absorption, die selective Reflexion etc.
keine Rolle spielt. In der Fig. 1 sind die Beobachtungen in
der Form:
(6) log^=/-(-^) ■
wiedergegeben. Die ausgezogenen Curven sind durch die mit
Kreuzen ( x ) bezeichneten Beoba..chtungspunkte möglichst glatt
hindurch gelegt.
Ausserdem sind als gestrichelte Linien in Fig. 1 die Iso-
chromaten eingetragen, Reiche sich aus der WiBN-PLAiiCK'schen
Gleichung (1) berechnen, wenn man für die Constante c den aus
unseren Flu ssspatver suchen folgenden Wert
c = 5Ä^ T= 14700
ZU Grunde legt. Wie schon erwähnt, sind diese theoretischen
Isochromaten der Gleichung (1) gerade Linien.
Da die aus Fig. 1 ersichtlichen Abweichungen der Be-
obachtung von der WiBN'scheh Spectralgleichung hauptsächlich
bei den höheren Temperaturen auftreten, für welche der elek-
trisch geglühte Körper die schwarze Strahlung liefert, so haben
1) H. Rubens u. A. Trowbeidqe, Wied. Ann, 60. p. 724—789. 1897.
170 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12 a.
wir versucht, ein sicheres Urteil über seine Schwärze für
die untersuchten langen Wellen zu gewinnen.
Zu diesem Zwecke haben wir die Strahlung des elek-
trisch geglühten Körpers bei etwa 650^ abs; mit der einer
innen geschwärzten und im Salpeterbad erhitzten Hohlkugel
verglichen. Beide Strahlungen stimmten für alle Wellen inner-
halb weniger Procente überein. Ebenso konnte • kein Unter-
schied in der Strahlung nachgewiesen werden, sei es, dass die
innere Oberfläche des strahlenden Hohlraumes des elektrisch
Fig. 1.
geglühten Körpers blank oder mittels Russ geschwärzt war.
Es ist dies erklärlich^ da schon eine freistrahlende Buss-
fläche bei der Temperatur 650® abs. etwa 92 Proc. und die frei-
strahlende Fläche der gleichen Porzellanmasse, aus welcher
der elektrisch geglühte Körper bestand, bei 373** abs. eben-
falls schon 90 Proc. der schwarzen Strahlung lieferte.
Dass der von uns bei hohen Temperaturen benutzte elek-
trisch geglühte schwarze Körper einen gleichmässig temperirten
Hohlraum, also gemäss der KiBOHHOFF'schen Definition die
schwarze Strahlung darstellt, dafür bietet die HeUigkeitsgleich-
heit im strahlenden Hohlraum Gewähr, welche bei allen Tem-
peraturen eine vollkommene war. Mn wie vorzügliches Kriterium
die Photometrie aber ist, geht daraus hervor, dass die Hellig-
keitsdifferenz bei 900® abs. etwa 30 mal, bei 1900® abs. immer
M
Nr. 12 a.]
Sitming vom 2. Februar 1900.
171
noch 14 mal so gross als die Temperaturdifferenz ist.^) Ent-
gegen der Wankeb' sehen Behauptung^ müssen wir den „elek-
trisch geglühten schwarzen Körper" nach Lümmeb-Kublbaum
als ,,schwarzen" anerkennen.
IJebrigens ergaben auch Controlversuche, bei denen wir
absichtlich merkliche Helligkeitsdifferenzen herstellten ^ für das
beobachtete Wellenlängengebiet keine abweichenden Resultate.
Ausserdem erfüllten die von ims benutzten schwarzen
Körper die drei Hauptstrahlungsgesetze, das SxEFAN'sche und
die Gesetze (2) und (3). Die Erfüllung dieser drei Gesetze ist
die conditio sine qua non, wenn man aus Strahlungs-
messungen irgendwelche Schlüsse auf die Form der Spectral-
gleichung (Energiecurve) ziehen will.
Die aus Fig. 1 ersichtlichen Abweichungen zwischen der
Beobachtung und der Wien-Planck' sehen Formel sind zumal
bei den höheren Temperaturen so gross, dass sie durch Be-
obachtungsfehler schlechterdings nicht erklärt werden können.
Ihr ungefährer Betrag bei der höchsten Temperatur ist, in
Procenten der beobachteten Werte ausgedrückt, in folgender
Tabelle angegeben.
Tabelle IL
Wellenlänge
12,3 11.
13,3/1*
15 ju
16,5 11.
17,9 iu
^beob. --^er.
C
40 o/o
24800
42 Vo
25300
440/0
28600
46 0/0
30400
500/0
31700
Es ist somit erwiesen, dass die WiEN-PLANCK'sche
Spectralgleichung die von uns gemessene schwarze
Strahlung für das Gebiet von 12 ,a bis 18 jtt nicht dar-
stellt.
Aus den in der Tabelle angeführten Werten der „Con-
stanten'' c ist ersichtlich, dass unser Resultat in vollkommener
Uebereinstimmung mit unseren Flussspatversuchen von 0,5 [i .
bis 8,3 n steht. Die Werte von c sind dadurch gefunden, dass
wir durch die beobachteten Curvenpunkte jeder Wellenlänge
bei 1638® uad 1193® abs. eine Gerade gelegt und den jeder
Geraden nach Gleichung (5) zukommenden Wert von c be-
1) 0. LüMMEB u. F. KuBLBAüM, Verhandl. d. Deutsch. Pliynkal.
Gesellsch. 2. Nr. 8. p. 89—92. 1900.
2) H. Wanner, Ann. d. Phjs. 2. p. 149. 1900.
172 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12a.
rechnet haben. Aus diesen Werten geht noch deutlicher wie
aus denen unserer Flussspatbeobachtungen hervof, dass die
mit der Wellenlänge und der Temperatur schnell ansteigende
Grösse c der WiEN-PLANCK^schen Gleichung nicht als eine
,,Naturconstante" betrachtet werden dar£
Das Bestreben der Herren Paschen und Wanner, den Wert
von c so genau als nur irgend möglich zu biestimmen, war daher
verfrüht und die von ihnen angegebene Genauigkeit ist illusorisch.
Ebenso ist damit allen denjenigen weitgehenden Folgerungen
der Boden entzogen, welche man aus der WiEN-PLANCK'schen
Gleichung hergeleitet hat.
B. Aufsuchung der Speetralgleichung.
Nachdem die Ungültigkeit der WiEN-PLANCK'schen Glei-
chung erwiesen ist, hat die Darstellung der Isochromaten in
der Form log E = /*(! / T) keinen Vorteil mehr. Der besseren
üebersichtlichkeit wegen geben wir in Fig. 2 unser gesamtes
Beobachtungsmaterial in der Form:
(7) log E = f\T).
Nr. 12a.] Sitzung vom 2. Februar 1900. 173
Die eingezeichneten Punkte (zur besseren Unterscheidung
abwechselnd mit Kreuzen x und Kreisen © bezeichnet) ge-
hören vier verschiedenen Serien an, deren Anschluss aneinander
wir dadurch bewerkstelligten , dass ^ wir das „schwarze" Siede-
gefass als constante Strahlungsquelle benutzten, ganz wie
wir es bei der Prüfung des Stefan -BoLTZMANN'schen Strah-
lungsgesetzes ^) gethan hatten.
Durch die beobachteten Punkte sind auch hier möglichst
glatte Curven gezogen worden. Bei der Schwierigkeit dieser
Messungen, zumal für die niederen Temperaturen, ist die Ueber-
einstimmung der verschiedenen Serien untereinander als eine
sehr befriedigende zu betrachten. Eigentlich fällt nur die Be-
obachtung bei 628^ abs. heraus.
Wir seheji daher die Curven der Fig. 2 als die zusammen-
fassende Darstellung unserer Sylvinbeobachtungen an.
Wir wenden uns jetzt zu der Frage, welche Spectral-
gleichung die Form der so gewonnenen Isochromaten am. besten
wiedergiebt. Unter einer „brauchbaren" Spectralgleichung
werde jetzt im engeren Sinne eine solche verstanden, welche
nicht nur die drei, Hauptstrahlungsgesetze erfüllt, sondern
ausserdem unsere Flussspatversuche mit genügender Annähe-
rung darstellt. Dabei gehen wir aus von der Gleichung:
(8)
welche von Lummeb und Jahnkb^) aufgestellt worden ist. Diese
Gleichung geht über in diejenigen von:
W. Wien für jü = 5 und i^ = 1 ,
Thiesen „ ]w = 4,5 „ ff = 1 ,
Eayleigh „ jii = 4 „ V = 1.
1 :
1) 0. LüMMBR u. E. Prinqshbim, Wied. Ann. 63. p. 395—410. 1897
und Ann. d. Phys. 3. p. 159—160. 1900.
2) 0. Lummeb u. E. Jahnke, Ann. d. Phys. 3. p. 283— 297. 1900. Im
Auszug wiedergegeben in Lummeb*s Bapport: „Sur le rayonnement des
Corps noirs'S Intern. Congress zu Paris 1900 und dem wesentlichen In-
halt nach in der Sitzung vom 18. Sept. 1900 der Naturf.-Vers. zu Aachen
mitgeteilt.
174 Verhandlungen der Peutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12a.
In der Arbeit von Lümmeb und Jahnkb ist eine Methode
angegeben, mit deren Hülfe man schon aus einer Energie-
curve zusammengehörige Wertepaare von fi und v finden kann.
Ferner wird mitgeteilt und an der Hand von Rechnungen ge-
zeigt, dass unsere Flussspatversuche genügend wiedergegeben
werden durch die Wertepf^are:
jli = 5; V = 0,9,
|ii = 4,5; ^ = 1,0,
^ = 4; v=h2.
Dadurch wird ausser dem Wertepaar der Wibn-Planck'-
schen Gleichung (jü = 5 ; i^ = 1) auch das der Rayleigh'-
schen Formel^)' (jü = 4; v=l) von den „brauchbaren" aus-
geschlossen.
Mit obigen „brauchbaren" Wertepaaren haben wir auch
für die langen Wellen die Isochromaten log £=:f{T) berechnet
und bei 1000® abs. mit den beobachteten zur Coincidenz ge-
bracht. Aus dieser Vergleichung geht hervor, dass von diesen
Paaren das TniESEN'sche (ju = 4,5; 1^=1) der Form der Iso-
chromaten am besten, wenn auch nicht vollkommen, folgt
Weitere Rechnungen haben jedoch gezeigt, dass das dem
LuMMER-jAHNKE^schen Wertepaare (itt = 4, i;=l,2) verwandte
Paar:
die Form noch erheblich besser wiedergiebt als das Thiesen'-
sche. Man kann die Isochromaten durch die beob-
achteten Punkte ohne Zwang so hindurchlegen, dass
sie mit den Isochromaten für fi^A und i^=l,3 auf der
ganzen Länge coincidiren.
Wenn aber auch eine Gleichung die Form der Isochro-
maten richtig wiedergiebt, so braucht sie, falls das beobachtete
Wellenlängengebiet ein beschränktes ist, noch nicht die rich-
tige Spectralgleichung zu sein. Denn aus der Form einer
Isochromate lassen sich auf die Gültigkeit der Spectral-
gleichung nur negative, keine positiven Schlüsse ziehen. Alle
1) Lord Raylbigh, Phil. Mag. 49. p. 539—540. 1900.
Nr. 12 a.] Sitzung vom 2. Februar 1900. 175
Methoden, welche das Verhältnis der absoluten Energien für
die verschiedenen Wellenlängen« nicht zu bestimmen erlauben,
so z. B. die photometrische Methode von Paschen- Wannbb^),
die von Beckmann angewandte RuBtNs-NiCHOLs'sche Methode^
der Reststrahlen, können für sich allein nicht zur Bestätigung
bez. Aufstellung der Spectralgleichung dienen.
Um dieses Verhältnis bei den vorliegenden Versuchen zu
finden, haben wir nur nötig, die Correctionen infolge der Ab-
sorptionen und der Breite des Spaltes bez. des Bolometers
anzubringen. Da der Wasserdampf und die Kohlensäure-
absorptionen als eliminirt gelten können, und die Unterschiede
im ßeflexionsvermögen der Silberspiegel für diese langen Wellen
verschwinden, so bleibt nur die Absorption des Sylvinprismas
übrig. Diese wurde aus den von Bübens und Tbowbridge
(l c.) für das Absorptionsvermögen des Sylvins gegebenen
Zahlen berechnet. Danach sind die beobachteten Energien
zu multipliciren, bei
k = 12,3(1
mit
1,01,
l=18,Bn
>t
1,02,
X^lbfin
))
1,10,
X= 16,5 fi
»
1,16,
;i = i7,9|tt
»
1,35.
Bei der Grösse dieser doch nur angenähert bestimmbaren
Correctionen haben wir die Anbringung derjenigen infolge der
Breite des Spaltes und des Bolometers vorläufig unterlassen,
da ihre Differenzen für verschiedene Temperaturen und Wellen-
längen einige Procente nicht überschreiten.
Bildlich haben wir das mit den^ Sylvinprisma gewonnene
Beobachtungsmaterial f&r die langen Wellen mit demjenigen
verglichen, welches wir früher für die kürzeren Wellen mittels
des Flussspatprismas gefunden hatten.
Da das Gesetz der fünften Potenzen (Gleichung 3) er-
wiesen ist, so kann man mit Sicherheit die maximale Energie
berechnen, welche wir früher bei den Plussspatversuchen für
1) F. Pasohen u. H. Wannbb, 1. c.
2) H. Rubens u. K F. Nichols, Wied. Ann. 60. p. 418. 1897.
176 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12a.
die absolute Temperatur 287® erhalten haben würden. Dieses
Maximum liegt nach GFleichung:
IT=2M0
bei der Wellenlänge X = 10,25 jü.
Es lässt sich aber nicht nur die maximale Energie, sondern
es lassen sich auch die ihr benachbarten Ordinaten der Energie-
Curve bei 287® abs. genau berechnen. Die Form dieser Curve
wird nämlich in der Nähe des Maximums gleichgut von der
WiEN'schen wie von der THiESEN,schen Gleichung etc. dar-
gestellt.
Wir haben nun diese Energiecurve für 287® abs. (Strah-
lung der Klappe gegen flüssige Luft) mit dem Sylvinpri«ma
beobachtet. Wegen der Eigenschaften des Sylvins ist das
Maximum dieser Gurve nicht so genau zu bestimmen, wie die
Energie bei den längeren Wellen. Wir haben daher nicht
das thatsächlich bei 10,3 fjb beobachtete Energiemaximum,
sondern das Curvenstück zwischen 1 1 jtt und ISfi mit der be-
rechneten Curve zur Deckung gebracht. Mit dem auf diese
Weise erhaltenen Reductionsfactor wurden alle Energien der
Sylvinserien multiplicirt und so auf den Maassstab der Fluss-
spatbeobachtungen zurückgeführt.
Hierdurch waren wir in den Stand gesetzt, das Beob-
achtungsmaterial in Form von Energiecurven darzustellen,
welche die Energieverteilung fast ununterbrochen von 0,5 fi
bis 18 ju wiedergeben. Als Beispiel werde hier nur diejenige für
die Temperatur 1650® abs. in Fig. 3 wiedergegeben. In ihr
stellt die ausgezogene Curve bis 1 fi die von uns beobachtete
Isotherme dar; sie ist für 1650® abs. genau identisch mit der
TniESEN'schen, welche bis 18 fi eingezeichnet worden ist. Auf
der Strecke von 12 fi bis 18 fji sind die beobachteten Punkte
eingetragen und durch Kreise © markirt. Ausserdem ist die
RAYLEiGH'sche Isothermo auf der ganzen Strecke, die WiEN'sche
auf dem absteigenden Ast eingetragen. Der aufsteigende Ast
der WiEN'schen fällt mit der beobachteten nahe zusammen. Das
Gebiet der langen Wellen ist mit den gleichet Zeichen in
20facher Vergrösserung besonders wiedergegeben. Hier ist
auch die Formel /i = 4 und v = 1,3 zur Darstellung gelangt
und mit einem Kreuz x markirt.
Nr: 12 a.]
Sitzung vom 2. Februar 1900.
177
Eine bessere üebersicht gewinnt man aus dem tabel-
larisch zusammengestellten Beobachtungsmaterial. Wir be-
gnügent uns hier mit der Wiedergabe der Resultate für einige
^ Fig. 3.
Temperaturen. In Tab. III sind die auf den Maassstab der
Flussspatbeobachtungen reducirten Energien uiiter „beobachtet"
eingetragen und mit den Resultaten der Lummbb- Jahnke' sehen
Spectralgleichung{8) für die Wertepaare fi=b\ v=l (W.Wien),
jtt = 4,5; v=l (Thiesbn) und iti = 4; i^=l,3 zusammengestellt.
178 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12a.
Tabelle HL
Abs.
Temp.
12,3^
13,25 jw
Ibfji
16,5
17,9^
Spectral-
gleichung
0,040
2870 i 0,040
^^^ ^ 0,040
0,039
0,038
0,037
0,037
0,036
0,030
0,031
0,032
0,030
0,023
0,026
0,028
0,026
0,020
0,022
0,024
0,022
beobachtet
^.. = 4; ,^-1,3
Thibsbsn
W.Wien
3730
1 0,099
0,104
0,107
0,107
0,088
0,090
0,095
0,094
0,066
0,070
0,074
0,074
0,050
0,055
0,060
0,060
0,041
0,045
0,049
0,049
beobachtet
TmBSEN
W.WlBN
700
0,49
0,51
0,57
0,47
0,40
0,41
0,45
0,36
0,26
0,27
0,31
0,23
0,18
0,18
0,22
0,16
0,14
0,15
0,17
0,12
beobachtet
(1=4; v=l,S
Thiesen
W. Wien
10950
1,11
1,11
1,24
0,85
0,87
0,86
0,95
0,63
0,52
0,56
0,60
0,38
0,37
0,40
0,42
0,26
0,27
0,29
0,30
0,18
beobachtet
Thiesen
W. Wien
1200*
1,29
1,28
1,41
0,93
1,00
0,99
1,08
0,69
0,59
0,63
0,68
0,42
0,42
0,45
0,47
0,28
0,31
0,38
0,34
0,19
beobachtet
iu = 4; 1^=1,3
Thiesen
W.Wien
1492«
1,78
1,75
1,87
, 1,11
1,35
1,34
1,41
0,81
0,80
0,85
0,87
0,48
0,56
0,60
0,60
0,31
0,41
0,43
0,43
0,22
beobachtet
fjL=4; v^lfi
Thiesen
W.Wien
16500
1,96
2,01
2,11
1,23
1,52
1,53
1,58
0,89
0,92
0,96
0,97
0,52
0,63
0,67
0,66
0,34
0,46
0,48
0,48
0,28
beobachtet
fi=4; i.= l,3
Thiesen
W.Wien
Aus der Tabelle ersieht man, dass für das beobachtete
Gebiet der langen Wellen die LuMMEB-jAHNKE'sche Gleichung
mit j[i=4 und 1^=1,3, welche die Form der Isochromaten
am besten wiedergiebt, auch die Energien dem abso-
luten Betrage nach vorzüglich darstellt. Die Diffe-
renzen zwischen ihr und der Beobachtung bei den Wellen
15 jii, 16,5 ]W und 17,9 jtt deuten darauf hin, dass ausser der
Sylvinabsorption auch noch die Luftabsorption mitwirkt.
Nr. 12a.] Sitzung vom 2. Februar 1900. 179
. Wenn auch die TniESEN'sche Gfteidiung (|ti = 4,5; i/ = 1)
wenigstens für alle praktischen Zwecke it^nerhalb des grössten
Teiles des beobachteten Wellenlängengebietes noch als eine
brauchbare Darstellung zu betrachten ist, so ist sie doch der
LüMMEB-JAHNKE'schen Spcctralglcichung mit ^u = 4 und i/ = 1,3
in Bezug auf die langen Wellen unterlegen.
Die aus der WiEN-PLANCK'schen Formel berechneten Werte
sind in die Tab, III nur aufgenommen um zu zeigen, dass
diese Gleichung auch bei den langen Wellen die schwarze
Strahlung für niedere Temperaturen darstellt, während
sie, wie schon erwähnt, bei den hohen Temperaturen voll-
ständig versagt. Auch unsere Flussspatversuche Hessen
deutlich erkennen, „dass die Abweichung zwischen Theorie
und Beobachtung ujn so kleiner wird, je tiefer die Temperatur
des strahlenden Körpers ist".^)
Die RAYLEiGH'sche Gleichung fällt aus der Betrachtung
für die langen Wellen schon deshalb heraus, weil sie die
beobachteten Energiecurven im Gebiet der kürzeren Wellen
schlechter darstellt als die WiEN'sche. Selbst wenn eine Formel
das Gebiet der langen Wellen noch so gut darstellte, so wäre
sie als Spectralgleichung unbrauchbar, falls sie das praktisch
viel wichtigere, weil an Strahlungsenergie so bedeutend über-
legene, Gebiet der kleineren Wellen nicht wiedergiebt.
Dass die TniESEN'sche Formel, welche wenigstens an-
genähert die langen Wellen darstellt, auch für unsere Fluss-
spatversuche gilt, bedarf unsererseits keines Beweises, da sie
ja diesem Umstände ihre Entstehung verdankt.^)
Wie verhält es sich nun in dieser Beziehung mit dem
Wertepaare jü = 4 und v = 1,3?
Wie wir wissen, stellt ja doch nach Lümmee und Jahnee
die Formel mit jtt = 4 und v = Iß unsere Flussspatversuche
dar, und zwar giebt sie die Energien bei den höheren Tem-
peraturen bis 10 jtt, bei den niederen bis 18 jtt ebensogut wie
die TniESEN'sche wieder.
Aber auch die Formel mit jü = 4 und i; = 1,3 kann als
Ausdruck unserer Flussspatversuche gelten. Ausführliche Rech-
1) 0. LuMMEB u. E. Pbinqsheim, 1. c. p.
2) M. Thibsen, 1. c.
180 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 12 a.
nungen haben gezeigt, dass sie sogar für alle Temperaturen
bis ca. 1000® abs. das beobachtete Gebiet der kürzeren Wellen
besser wiedergiebt, als die mit ihr concurrirenden Wertepaare
(ju = 4,5; V = 1 und jtt = 4; v = 1,2). F'ür die niederen Tem-
peraturen, für welche die Wien' sehe Formel noch als Aus-
druck unserer Beobachtungen gelten kann, zeigt nämlich
die TniESEN'sche merkliche Abweichungen, während
sie bei den höheren Temperaturen unsere Versuche thatsächlich
vollkommen darstellt.
In üebereinstimmung hiermit zeigt die Durchrechnung,
dass von 1200® abs. aufwärts die Formel mit fA=4 und v=l,3
unsere Flussspatbeobachtungen nicht exact wiedergiebt. Dabei
sind jedoch die geringen Abweichungen in Bezug auf Grösse
und Richtung derart, dass sie nach Anbringung der früher
vernachlässigten Correctionen infolge selectiver Reflexion an
den Spiegeln etc. möglicherweise ganz verschwinden.
Wir glauben daher als das Resultat aller unserer Strahlungs-
versuche aussprechen zu dürfen, dass die schwarze Strahlung
innerhalb 1 ju bis 18 ju durch die' Lummbb- Jahnke' sehe Spectral-
gleichung:
I!= CT^'f^X-f^e
arr
mit dem Wertepaare ju = 4 und i/ = 1,3 am besten dar-
gestellt wird.
Vielleicht ist der wahre Wert von v nicht genau 1,3,
sondern etwas kleiner. Jedenfalls liegt er näher bei 1,3 als
bei 1,2. Ueber die genaue Grösse von v sollen spectrobolo-
metrische Versuche im sichtbaren Gebiete des Spectrums eine
Entscheidung treffen.
Druck von Metzger & Wittig ia Leipzig.
Jahrg. 2. ^ Nr. 13.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen G-esellschaft.
Sitzung vom 19. Oetober 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Waebükg.
Der Vorsitzende theilt mit, dass die Gesellschaft auf dem
internationalen Physikercongress in Paris durch die Herren
DU Bois (Berlin), Dbude (Giessen), Lümmeb (Berlin), Voigt
(Göttingen), Warbubg (Berlin) als Delegirte vertreten war.
Er legt ferner den ersten Band der Fortschritte der Physik
für das Jahr lb99 vor, erinnert daran, dass die ersten beiden
Bände auch ohne den dritten zu dem Vorzugspreis von Gesell-
schaftsmitglied em bezogen werden können, und empfiehlt die
Anschaffung der Fortschritte für die Institutsbibliotheken.
Hr. E* Lampe spricht dann
einen Nachruf für Professor Dr. Reinhold Hoppe.
Hr. F. Eurlbaum berichtet nach gemeinsam mit Hrn.
H. Rubens angestellten Versuchen
über die Emission langer Wellen durch den
schwarzen Körper.
Bei der sich an diesen Vortrag anschliessenden lebhaften
Discussion spricht Hr. M. Planck
über eine Verbesserung der WiEN'schen Spectral-
gleichung.
182 Verhandlnngen der Deutschen Physikal. Gesellschaft [Nr. 13.
Aenderung der Redactions-Ordnung
för die
Verhandlnngen der Dentschen Physikalischen
Gesellschaft.
(Beschlossen in der Yorstandssitzung vom 19. October 1900.)
1. In § 3 fallt der letzte Absatz „Bei derjenigen Num-
mer etc." fort.
2. An seine Stelle tritt folgender Satz: „Liegt zwischen
zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen der Gesellschaft ein
grösserer Zeitraum als drei Wochen, so werden zur Veröffent-
lichung der in dieser Zeit bei dem Herausgeber eingehenden
Referate über bereits gehaltene Vorträge nach Bedarf be-
sondere Nummern ausgegeben."
3. Am Schlüsse von § 5 wird hinzugefügt: „Die Aus-
gabe der Separatabzüge erfolgt erst nach Fertigstellung der
betreffenden Nummer der Verhandlungen."
183
Nachruf
für
Professor Dr. Reinhold Hoppe.
Von E. Lampe.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. October 1900.)
(Vgl. oben S. 181.)
Am 7. Juni dieses Jahres verschied in seiner Wohnung
zu Berlin Prof. Dr. Reinhold Hoppe, den Jahren nach wohl
das älteste unserer Mitglieder. Vierzig Jahre Hat er unserer
Gesellschaft angehört; für zweiundzwanzig Jahresberichte der
Fortschritte der Physik, die Jahre 1863 bis 1884 umfassend,
hat er als Mitarbeiter Referate geliefert, zuerst über Aero-
mechanik, Licht und Wärme, sodann aber vom XXII. Bande,
an über Festigkeit und Elasticität. In den Sitzungen hat er
wohl kaum je das Wort ergriffen; gleichwohl bekundete er
sein lebhaftes Interesse an den Verhandlungen durch sein
regelmässiges Erscheinen zu den Sitzungsabenden. Als es ihm
in seinem höheren Alter schwerer wurde, den Vorträgen zu
folgen, beschränkte er seine Anwesenheit mehr und mehr auf
die letzte Viertelstunde, um sich denen anzuschliessen, welche
bei den Nachsitzungen in freier Unterhaltung wissenschaftliche
Gegenstände erörterten. Zuletzt kam er nur noch zu diesen
geselligen Zusammenkünften, sowie zu den Stiftungsfesten,
meistens ein schweigsamer Gast, aber zuweilen doch plötzlich
und lebendig in die Unterhaltung eingreifend.
Ebnst Reinhold (Reginhald) Eduabd Hoppe wurde zu
Naumburg an der Saale am 18. November 1816 geboren als
Sohn des Dompredigers Ebnst August Dankegott Hoppe
und seiner Ehefrau Fbiedebike Wilhelmine, geb. Nitzsch,
der Schwester des Theologen Kabl Immanuel Nitzsch; er ge-
hörte also von väterlicher und von mütterlicher Seite her be-
kannten und hoch geachteten Gelehrtenfamilien an. Unter
184 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
den elf gross gezogenen Kindern des Pfarrhauses war er das
sechste, von den vier Brüdern der dritte. Sein um vier Jahre
älterer Bruder Karl war der Gründer der bekannten Maschinen-
bauanstalt und Eisengiesserei zu Berlin; der um zwei Jahre
ältere Bruder Ernst war Oberförster, und der um neun Jahre
jüngere Bruder Felix Hoppe-Seyler Chemiker und Physiologe,
Professor an der Universität Strassburg. Zweimal wechselte
die Familie noch ihren Wohnsitz; bald nach der Geburt des
kleinen Reinhold zum Superintendenten in Freiburg an der
ünstrut befordert, siedelte der Vater nach dieser Stadt über,
später, am Anfange der dreissiger Jahre, in gleicher Stellung
nach Eisleben. Dort starb jedoch bald nach dem Einzüge in
die neue Stadt die Mutter (19. Febr. 1832), einige Jahre darauf
der Vater (10. Oct. 1835); mit neunzehn Jahren war Reinhold
also des Vaters und der Mutter beraubt. Zuerst auf dem
Gymnasium in Eisleben vorgebildet, genoss er später der Wohl-
that des Unterrichtes auf der Landesschule Pforta, und zuletzt
besuchte er das Gymnasium in Greifswald, wo seine an den
dortigen Superintendenten und Prof. Karl Vogt vermählte
Schwester Laura lebte. Mit dem Zeugnis der Reife des Greifs-
walder Gymnasiums vom 80. August 1838 versehen, bezog
der zweiundzwanzigjährige Abiturient zunächst die Universität
Kiel auf zwei Semester; die beiden folgenden Semester stu-
dirte er in Greifswald, die letzten drei in Berlin, wo er am
24. März 1842 sein Abgangszeugnis nahm. Die Neigung zur
Beschäftigung mit der Mathematik soll bei ihm früh durch
seinen älteren Bruder Karl geweckt sein, der ihn schon in
seinem zehnten Lebensjahre in die Geheiinnisse der Quadrat-
und Cubikwurzelausziehung einweihte.
Nach der Beendigung der Studienzeit wandte sich Rsm-
HOLD , Hoppe der Lehrthätigkeit zu. Das Probejahr erledigte
er am Gymnasium zu Greifswald von Michaelis 1842 bis 1843.
Von Ostern 1846 bis Michaelis 1849 nahm er eine Stelle als
Lehrer in der Erziehungsanstalt zu Keilhau an, in welcher
die FROEBEL'schen Grundsätze der Erziehung zur Anwendung
gebracht wurden. Von Michaelis 1849 bis 1853 versuchte er
sich als Lehrer am KöUnischen Realgymnasium zu Berlin,
das zu jener Zeit unter dem Director August in hoher Blüte
stand. Während dieser Zeit erwarb er sich an der Universität
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 185
ZU Halle den Doctorhut am 25. November 1850. Da seiner
Unterrichtsarbeit der wünschenswerte Erfolg nicht entsprach,
ausserdem seine Forschernatur nach einer freieren Thätig-
keit drängte, habilitirte er sich 1853 als Privatdocent für
Mathematik an der Berliner Universität. Noch einmal ver-
tauschte er den Hörsaal der Universität mit den Klassen eines
Gymnasiums, als er von Ostern 1858 bis 1859 eine Lehrstelle.
am Gymnasium zu Glogau übernahm. Aber auch dieses Mal
versagte seine Natur gegenüber den Ansprüchen der Schule,
und so kehrte er denn 1859 an die Berliner Universität zurück
und gehörte ihr von da an ohne Unterbrechung als Privat-
docent bis zu seinem Tode am 7. Juni 1900 an. Schon bei
seiner Habilitation im Jahre 1853 hatte er sich um die Lehr-
befugnis für Philosophie beworben, ohne sie aber zu erlangen.
Ein zweites Gesuch vom Jahre 1870 hatte keinen besseren
Erfolg; seinem im Jahre 1871 erneuten Antrage wurde dann
endlich auf energische Befürwortung von Tkendelenburg Folge
gegeben. Den Charakter als Professor erhielt er 1870. —
Nach dem Tode Grunebt's 1872 wurde ihm die Redaction
des Archivs der Mathematik und Physik anvertraut, eine
Thätigkeit, die ihm hohe Befriedigung gewährte, weil dadurch
seine Existenz in mehr als einer Beziehung einen Halt ge-
wann, und weil er damit die Gelegenheit erhielt, in einer seiner
Natur zusagenden Art durch Oeffnung des reichen Schatzes
seines Wissens nach aussen zu wirken. Die Pflichten dieser
Schriftleitung hat er bis zu seinem Tode im Alter von
83 ^/a Jahren treu erfüllt. Der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften in Upsala gehörte er als ordentliches Mitglied
an. Dies sind die Daten für den Gang seines Lebens.
Die wissenschaftliche Production des Verschiedenen, die
sich über einen Zeitraum von 55 Jahren erstreckt, ist eine
überaus reiche und vielseitige gewesen. Er war eben nicht
ein einseitiger Mathematiker, sondern sein Geist umspannte
neben allen Gebieten der Mathematik die Physik, die Philo-
sophie, die Sprachforschung und suchte Erholung in der Aus-
übung der Musik; endlich versenkte er sich als echter Sohn
eines evangelischen Pfarrhauses philosophisch in die letzten
Fragen der Beziehungen des Menschen zu Gott. Was alle
seine Schriften kennzeichnet, ist die Selbständigkeit und Ehr-
186 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
lichkeit seines Denkens; überall leuchtet ein abgeschlossenes,
fertiges Wesen hervor, das in sich Genüge gefunden hat. Mag
der Leser sich auch nicht mit ihm in Uebereinstimmung be-
finden, so nötigt der tiefe Ernst, mit dem alle Fragen be-
handelt sind, Achtung vor einem Geiste ab, der nach langer
und unablässiger Gedankenarbeit eine in sich ruhige und be-
firiedigte Klarheit errungen hat und im Besitze einer nicht
mehr zu erschütternden Ueberzeugung eine oft schneidende
Kritik übt
Gehen wir zunächst auf die mathematischen Schriften ein,
so erregt die blosse Anzahl derselben Bewunderung. Im
Archiv der Mathematik hat Hoppe rund 200 Originalartikel
veröffentlicht; dazu treten etwa 50 mathematische Aufsätze in
anderen Zeitschriften, ferner vier selbständig erschienene Ar-
beiten. Wenn man auch aus den Veröffentlichungen im Archiv
viele kleinere Notizen aussondert, die augenscheinlich häufig
zur Füllung eines Heftes geschrieben sind und den Vorlesungs-
heften entnommen sein mögen, so bleiben immer noch genug
übrig, deren Inhalt in der einen oder anderen Hinsicht be-
achtungswert, ja bedeutend ist, und auch jene kleineren Artikel
tragen in vielen Wendungen das Gepräge eines ursprünglich
schaffenden Geistes. Allerdings ist, besqnders in der späteren
Zeit, nicht immer hinreichend darauf Rücksicht genommen,
ob die nämlichen Gedanken nicht auch schon von anderen
Forschem oder gar vom Schreiber selbst ausgesprochen waren.
Bei den Arbeiten, die dem höheren Alter Hoppe's angehören,
liegt es nahe, eine Entschuldigung für ein derartiges Verfahren
in zunehmender Gedächtnisschwäche zu suchen; doch dürfte
der tiefere Grund anderswo liegen. Nachdem er bis- gegen
sein vierzigstes Lebensjahr hin gearbeitet hatte, um einen
festen Standpunkt in seinen wissenschaftlichen Anschauungen
zu gewinnen, beschränkte er sich von dieser Zeit an im wesent-
lichen darauf, seine eigenen Forschungen anzustellen, und er
berücksichtigte dabei kaum noch die grossen Entdeckungen,
die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts von anderen
Forschern gemacht \vurden. Hauptsächlich durch das Studium
der Arbeiten Jacobi's herangebildet, blieb er auf diesem Boden
stehen, und sogar der ihm sehr wohl gesinnte Dibichlet
machte ihm bezüglich einer seiner Arbeiten über Hydrodynamik
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 187
schon 1853 den Vorwurf, der Verfasser besitze keine voll-
ständige Kenntnis von den zahlreichen in der letzten Zeit über
die Integration der LAPLACE'schen Diflferentialgleichung unter-
nommenen Arbeiten. Indem er sich so früh schon in seine
Gedanken einspann, bewahrheitete er den vom alten Goethe
zur Abwehr geschriebenen Ausspruch: „Eilt aber die Raupe
sich einzuspinnen. Nicht kann sie mehr Blättern Geschmack
abgewinnen." Als Einsiedler der Wissenschaft lebend, kümmerte
er sich um die Vorgänge auf dem Gebiete seiner Hauptwissen-
schaft zuletzt so wenig, dass ihm die Namen mancher der
berühmtesten zeitgenössischen Mathematiker ganz fremd blieben.
Die ersten Untersuchungen Hoppe's beziehen sich auf die
Theorie der independenten Darstellung der höheren Diflferential-
quotienten und sind unter diesem Titel in einem Buche 1845
von dem damals neunundzwanzigj ährigen jungen Mathematiker
veröffentlicht worden. Sowohl im Journal für die reine und
angewandte Mathematik als auch in den Mathematischen
Annalen hat er unter demselben Titel zur Ergänzung kleinere
Aufsätze erscheinen lassen. Noch heute gilt jenes Buch als
eine wertvolle und tüchtige Monographie über den Gegenstand.
Mit dieser Veröffentlichung begann Hoppe also die Reihe seiner
Arbeiten aus dem Gebiete der Infinitesimalrechnung sowie der
Differentialgleichungen, von denen bei seiner Habilitation in
Berlin schon einige gedruckt vorlagen. Auf Dieichlet hatten
diese Erstlingsarbeiten von Hoppe einen günstigen Eindruck
gemacht; er erkannte mehrere gute Gedanken in ihnen an,
die zum Teil mit Geschick und nicht ohne Eleganz durch-
geführt wären, und selbst in der oben erwähnten, minder ge-
lungenen Arbeit^ über Hydrodynamik erblickte er die Hand
eines in den Methoden der Analysis geübten Gelehrten.
Mit den Grundlagen der Differential- und der Integral-
rechnung beschäftigen sich mehrere Aufsätze der Jahre 1871
bis 1873. Als die beiden Fundamentalsätze bezeichnet er die
Aussagen : „Unendlich klein ist eine Variable, wenn sie beliebig
klein werden kann. Zwei Constanten, die von einer Variable
unendlich wenig differiren, sind einander gleich.** Hiermit
hofft er, wie in einem Selbstreferate ausgesprochen wird, die
Jahrhunderte lang schwebende Frage über die Möglichkeit
einer exacten Bestimmung des Unendlichen zum Abschluss
188 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. IS.
gebracht zu haben. Eine zusammenfassende Darstellung des
ersten Teiles der Infinitesimalrechnung lieferte er in dem „Lehr-
buch der Differentialrechnung und der Reihentheorie" (1865),
das, wie alle Erzeugnisse der Hoppe' sehen Muse, knapp ge-
schrieben ist, sich daher zur Einführung für bequeme Anfänger
nicht recht eignet und aus diesem Grunde nicht die Verbreitung
gefunden hat, welche es verdient.
Von den übrigen, hierher gehörigen Abhandlungen wollen
wir noch den instructiven Aufsatz nennen: „Erste Sätze von
den bestimmten Integralen, unabhängig vom Differentialbegriff
entwickelt" (1877). Femer sei aus denjenigen Artikeln, welche
den Differentialgleichungen gewidmet sind, eine Notiz im Journal
für Mathematik, Bd. 58 (1861), erwähnt betreffs einer gewissen
partiellen Differentialgleichung, die von Hrn. Fuchs in dem-
selben Bande mit Benutzung eines PoissoN'schen Resultates
behandelt war. Hoppe zeigte, dass die betreffende Abhand-
lung Poisson's gerade für den benutzten Fall einen Fehler
enthielt, der deshalb in die FuCHs'sche Arbeit eingegangen
war; nach einem Verfahren, das den Irrtum Poisson's vermied,
entwickelte er dann die richtige Lösung.
Wenn wir uns mit der vorstehenden kurzen Besprechung
einzelner Untersuchungen Hoppe's aus der Analysis begnügen
müssen, so wollen wir doch hinzufügen, dass er gelegentlich
auch Fragen aus der Algebra, der Zahlentheorie, der Wahr-
scheinlichkeitsrechnung behandelte und sich mit speciellen
Functionen, wie der Gammafunction und den elliptischen
Transcendenten beschäftigte. An dieser Stelle müssen wir
auch der separat erschienenen Tafel zur dreissigstelligen logarith-
mischen Rechnung vom Jahre 1876 gedenken.
Wenden wir uns nun zur Geometrie, zu demjenigen Ge-
biete, dem Hoppe in seinen Forschungen wohl den grössten
Platz eingeräumt hat. Sowohl die analytische Geometrie im
allgemeinen, als auch besonders derjenige Teil, den man jetzt
als Differentialgeometrie bezeichnet, sind bevorzugte Gegen-
stände seiner Untersuchungen^ geblieben. Dagegen hat er sich
für die moderne synthetische Geometrie offenbar nie begeistern
können; dies ist um so auffalliger, als Steineb zu der Zeit,
als Hoppe in Berlin studirte, eine grosse Anziehung auf die
jungen Mathematiker in Berlin ausübte. Gerade diese Be-
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 189
einflussung der Denkweise dürfte der im eigenen Denken schon
erstarkte junge Hoppe jedoch abgelehnt haben.
Aus der Fülle der in den HoppE'schen bezüglichen Ab-
handlungen niedergelegten Gedanken können wir nur einige
hervorheben. In den „Principieh zur Flächentheorie'S die
ursprünglich im Archiv der Mathematik (1876) veröffentlicht
wurden, später dem zweiten Teil des Lehrbuches der analy-
tischen Geometrie (1880) bildeten, werden neben den drei
Fundamentalgrössen erster Ordnung von Gauss als Fundamental-
grössen zweiter Ordnung diejenigen drei Ausdrücke ganz all-
gemein angewandt, die zwar Beigsohi^) schon benutzt hatte,
die aber Hoppe deshalb ganz allgemein einzuführen erklärt,
weil die theoretisch wichtigen geometrischen Eigenschaften und
Bedingungen im einfachsten Connex mit den Werten und
Relationen jener sechs Grössen stehen. In dieser Beziehung
hat sich einer der besten Kenner dieses Gebietes, Hr. Knob-
lauch, in seiner Abhandlung über Fundamentalgrössen in der
Flächentheorie und in seinem Buche „Einleitung in die all-
gemeine Theorie der krummen Flächen" diesem Gebrauche
angeschlossen.
Eine Reihe von Arbeiten dieser Theorie ist ferner dem
Problem des dreifach orthogonalen Flächensystems gewidmet,
für dessen Lösung Hoppe einen Weg ausfindig machte, der
in manchen Fällen zum Ziele führt. So konnte er nach seinem
Verfahren die allgemeinste Lösung der Aufgabe durchführen 2),
orthogonale Flächensysteme zu finden, bei denen die eine
Flächenschar aus Flächen zweiter Ordnung besteht; er traf
in dem Resultate seiner Rechnung mit Schläfli zusammen,
der zwei Jahre vorher dasselbe Thema in einer besonderen
Arbeit behandelt hatte. ^)
In der Curventheorie wählte Hoppe zwei Variabein, die
der Curve selbst eigentümlich angehören und vom Coordinaten-
system unabhängig sind, den Krümmungswinkel t und den
Torsionswinkel &, d. h. diejenigen Winkel, deren Differentiale
die Winkel zweier aufeinander folgenden Tangenten und
1) F. Bbiosghi, Annali di Matematica (2) 1. p. 1. 1867.
2) R. Hoppe, Archiv der Math. 58. p. 87. 1875.
3) L. SchlIpli, Joum. für Math. 76. p. 76. 1873.
190 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
Schmiegungsebenen sind. Die analytische Behandlung geo-
metrischer Gebilde mit Hülfe derartiger Grössen bezeichnet
man jetzt als „geometria.intrinseca**; Hoppe nennt die
Gleichung /"(t, i9') = zwischen jenen beiden Winkeln die
specifische Gleichung der Curve und zeigt, wie man aus
ihr die Eigenschaften der Curve herleiten kann. Diese inte-
ressante Leistung ist ihm offenbar als die wichtigste seiner
Entdeckungen vorgekommen; denn in den von ihm herrühren-
den Notizen für das Verzeichnis der Lehrer an den deutschen
Hochschulen führt er als bemerkenswert einzig seine Auf-
findung neuer Principien der Curventheorie mit Anwendung
des Krümmungs- und Torsionswinkels als unabhängiger Va-
riabein an.
Neben denjenigen Abhandlungen, die in das Gebiet der
krummen Oberflächen und der Raumcurven fallen, wollen wir
aus der grossen Zahl von Aufsätzen geometrischen Inhalts
eine andere Gruppe hervorheben, die der mehrdimensionalen
oder, wie Hoppe besser deutsch sagt, der mehrdehnigen Geo-
metrie angehört. Die betreffenden Speculationen sagten seinen
philosophisch-mathematischen Neigungen besonders zu. Unser
geläufiges Raumsystem von drei Dehnungen bezeichnet er als
ein instinctiv geschaffenes, zur objectiven Gestaltung der Sinnes-
empfindungen gerade ausreichendes und notwendiges Werk
unseres Verstandes, welches durch Uebung in fertige An-
schauung überging. Nur weil der zwingende Anlass zur Ein-
führung von mehr Dimensionen fehlte, empfinden wir wegen
Mangels an Uebung Schwierigkeit im Vorstellen derselben.
Ein ursprünglich begrifflicher Unterschied der verschiedenen
Baumsysteme existirt für ihn nicht, wie denn auch die Formeln
der analytischen Geometrie oft durch einfache Vermehrung
der Coordinatenzahl auf die Geometrie eines Raumes von mehr
als drei Dimensionen hinleiten. Der Nutzen solcher mehr-
dimensionalen Untersuchungen besteht nach seiner Ansicht
darin, dass durch dieselben die Erkenntnis des gesetzmässigen
Portschrittes von zwei zu drei Dimensionen gefordert wird.
Unter den ersten Arbeiten dieser Richtung stossen wir auf die
„Gleichung der Curve eines Bandes mit unauflösbarem Knoten
nebst Auflösung in vierter Dimension" (1879). Dieser Titel
weckt die Erinnerung an jene Epoche, in der Zöllner als
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 191
Ritter für den Taschenspieler Slade auftrat, dessen Auflösung
eines Knotens in einem in sich geschlossenen Faden als
experimenteller Beweis für die reale Existenz der vierten
Dimension gelten sollte. Als Frucht der in den Nachsitzungen
der Physikalischen Gesellschaft gegebenen Vorführungen ähn-
licher Kunststücke ist die Anregung anzusehen, welche Hoppe
zur Abfassung jener Abhandlung dabei erhielt.
Wir wollen die der Geometrie zuzurechnenden Artikel
nicht verlassen, ohne auf die zahlreichen Notizen hinzuweisen,
in denen der gelehrte Redacteur des Archivs durch Behandlung
von zum Teil pädagogischen Fragen aus der elementaren Mathe-
matik der durch den Titel seiner Zeitschrift vorgeschriebenen
Richtung Rechnung trug, die Bedürfnisse der Lehrer an höheren
ünterrichtsanstalten zu berücksichtigen. Endlich sollen auch
diejenigen Arbeiten nicht vergessen werden, in denen der ge-
schickte Analyst die Ergebnisse der höheren Rechnungsarten
und der Functionentheorie , unter anderem der Theorie der
elliptischen Transcendenten, auf Probleme der Geometrie an-
wendet. *
In der analytischen Mechanik, zu der wir jetzt übergehen,
hängen viele Betrachtungen so eng mit der Theorie der
krummen Oberflächen und der Raumcurven zusammen, dass
die Beschäftigung mit den letzteren von selbst auf die ver-
wandten Untersuchungen in der Mechanik führt. Deshalb
wechseln auch bei Hoppe mit den geometrischen Abhandlungen
die mechanischen während der ganzen Periode seines Schaffens
ab. Doch ist ein Unterschied bemerkbar. Während Hoppe
in der Geometrie neben einer überraschenden Zahl von ein-
zelnen speciellen Fragen in seinen grösseren Arbeiten gewisse
principielle Ueberlegungen von allgemeinerer Bedeutung ver-
tieft und dadurch zur Aufstellung neuer Methoden fortschreitet,
bleibt er in der Mechanik bei der Behandlung einer Reihe
einzelner Aufgaben aus den verschiedensten Teilen dieser
Wissenschaft stehen. Die Kinematik, die Statik und die
Dynamik des einzelnen Massenpunktes oder des starren Kör-
pers, die -Hydrostatik und die Hydrodynamik liefern ihm An-
lass, entweder neue Aufgaben mannigfacher Art zu lösen,
oder die Lösungen alter bekannter Probleme auf seine Weise
durchzuarbeiten und zu vereinfachen. Wir erwähnen von der
192 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
letzteren Gattung die Drehung eines starren Körpers um seinen
Schwerpunkt, den freien Fall eines Massenpunktes mit Rück-
sicht auf die Drehung der Erde, den Foucault' sehen Pendel-
versuch. Zu der ersteren gehören aus der ersten Periode
seiner Arbeiten der Ausdruck des Trägheitsmomentes eines
körperlichen Polyeders für eine beliebige Axe und das körper-
liche Raumpendel bei constanter Rotation nebst Anwendung
auf die Stabilität des Kreisels (1855); die Stabilität schwimmen-
der Körper (1846) und der Widerstand der Flüssigkeiten gegen
die Bewegung fester Körper (1854). Die Abhandlungen über
das Dreikörperproblem und die Ausdehnung der KEPLEB'schen
Gesetze, über das Wälzen von Cylindern auf Horizontalebenen,
über die Schwingungen des Bifilarpendels und verschiedene
andere hierher gehörige Arbeiten erschienen zur Zeit der leb-
haftesten Production, als Hoppe eben das sechzigste Lebens-
jahr überschritten hatte, üeberall zeigt er sich als gewandter
Beherrscher der Rechnung, der die Bedingungen der Aufgabe
rasch in Gleichungen umzusetzen und aus diesen letzteren
fassbare Ergebnisse zu folgern versteht. Viele elegante Wen-
dungen der Rechnung und hübsche Schlussweisen sind in diesen
Untersuchungen enthalten, die wegen der allzu knappen Re-
duction wohl wenig gelesen sind.
Der mathematischen Physik gehört endlich eine Gruppe
von Arbeiten Hoppe's an, die zwar nicht zahlreich sind, aber
zu den bedeutenderen unter seinen VeröfiFentlichungen gezählt
werden müssen. Mehrere Abhandlungen beziehen sich auf die
Elasticitätstheorie: die Biegung prismatischer Stäbe (1847),
die Vibrationen einer Saite mit Rücksicht auf den Biegungs-
widerstand (1870), die Deformation einer zMrischen zwei
parallelen Ebenen zusammengedrückten Kugel (1871), die
Biegung eines Ringes durch gleichmässigen Druck von aussen
(1864), die Vibrationen eines Ringes in seiner Ebene (1871).
In dieser letzten interessanten Arbeit bestätigte Hoppe den
damals noch nicht allgemein bewiesenen Satz von de Saint-
Venant, dass die lebendige Kraft eines Systems gleichzeitiger
Vibrationen eines Körpers die Summe der lebendigen Kräfte
aller einzelnen einfach periodischen Vibrationen ist. Auch in
die Molecularphysik, die Optik und die Wärmelehre machte
Hoppe zuweilen einen Ausflug; gelegentlich eines Aufsatzes
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 193
zur Wärmetheorie (1857) geriet er in einen wissenschaftlichen
Streit mit Clausiüs, der in Poggendoeff's Annalen ausge-
kämpft wurde.
Nächst den mathematischen Forschungen Hoppe's, die
wir jetzt verlassen, haben wir seinen philosophischen Arbeiten
einige Aufmerksamkeit zu schenken. Er selbst betrachtete
die Mathematik und die Philosophie als so eng zu einander
gehörig, dass er den Ausschluss der letzteren aus seiner Lehr-
befugnis während der ersten 18 Jahre seiner Privatdocenten-
zeit als eine Beschränkung des Lehrens in der ersteren em-
pfand. Als unabhängiger Denker baute er sich seine Welt-
anschauung nicht mit Hülfe des Studiums der Geschichte der
Philosophie auf, sondern durch eigene Prüfung und Erörterung
der Grundfragen. Seine erste Schrift: „Zulänglichkeit des
Empirismus in der Philosophie" (1852) und seine letzte, die
man wohl als sein philosophisches Testament bezeichnen kann:
„Die Elementarfragen der Philosophie nach Widerlegung ein-
gewurzelter Vorurteile" (1897), stimmen in den Grundan-
schauungen überein. Als Anhänger eines ideal gewendeten
Empirismus erklärte er schon 1852 alle Mathematik als rein
empirisch; dieser Ausspruch erregte damals Anstoss, dürfte
heute jedoch des Beifalles vieler sicher sein. Seine An-
knüpfungspunkte suchte er bei Bacon, Locke, Beekeley,
HüÄtE; die Zielpunkte seiner Kritik waren Kant, Fichte,
Hegel, überhaupt die speculative Philosophie. Diese will er
beseitigen, jene ergänzen. Sein eigenartiges Bestreben ist die
Auflösung der Metaphysik in ein Stück Psychologie. Zu dem
Ende sucht er sechs metaphysische Grundideen genetisch ab-
zuleiten: die Idee der reellen Substanz, der Causalverbindung,
des Baumes, der Zeit, des menschlichen Körpers und des
gemeinschaftlichen Weltbesitzes. In ähnlicher Weise erörtert
seine letzte philosophische Schrift von 1897 Grundbegrifife wie
Thatsache, Erkennen und Handeln, Wirklichkeit und Objectivi-
tät, Substanz und Stoff, Identität, Baum und Zeit, Sein und
Wahrnehmung, Ursache, Hypothese und Anticipation, Ich und
Person, Leib und Geist, Willensfreiheit und Sprache. Das
Ziel der Erkenntnis besteht darin, Thatsachen, d. h. dasjenige,
was ein Mensch unabhängig von seinem Thun und Denken
erlebt, dem menschlichen Geiste zu unterwerfen. Teendelen-
194 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
BURG urteilte über das erste Büchlein, es habe ungeachtet der
von ihm gerügten Mängel seine guten Seitien; es gehe seinen
Weg, sei dem Verfasser ganz eigen, sei einfach geschrieben,
kurz und ohne philosophische Phrase und habe in der Kritik
der speculativen Philosophie vielfach Recht.
Ungefähr ebenso äusserte sich Habms (1870) in einer
Beurteilung der Abhandlung „Ueber die Bedeutung der psycho-
logischen Begriffsanalyse". Interessant ist es hierbei, von be-
fugter Seite zu vernehmen, dass Hoppe's Auffassung des Ver-
hältnisses von Glauben zu Wissen mit Schlbieemacher's An-
sicht übereinstimme; da Hoppe aber seine Auffassung für neu
halte, so scheine er nicht mit der Ansicht Schleiekmacher's
bekannt geworden zu sein, und es sei wohl möglich, dass er
durch eigenes Nachdenken zu seiner Auffassung gelangt sei.
Auch Haems betont die Selbständigkeit des Denkens bei Hoppe,
und bezeichnet manche richtigen Gesichtspunkte, die, obschon
nicht neu, es wohl verdienten, hervorgehoben zu werden.
In der Abhandlung „üebeeweg's Kritik der Bebkelet'-
schen Lehre" (1869), vertritt Hoppe gegen Uebebweg den
Subjectivismus Berkeley's, der die für die vulgäre Auffassung
als reell geltenden Dinge in Vorstellungen (Ideen), in Phä-
nomena des menschlichen Geistes verwandelt, und greift in
scharfsinniger Weise mit ruhiger und sachlicher Polemik
üebeeweg's eigene Lehre an. Der Phänomenalismus Hoppe's
hat, wie Trendelenbueg sagte, nicht die Wissenschaften in
Mitleidenschaft gezogen, weil die Thatsachen seine Basis sind.
Von diesen Thatsachen unterscheide er, was daran erst Arbeit
des Geistes sei, wie z. B. die Objectivität, die durch Verall-
gemeinerung entsteht, den unendlichen Baum im Gegensatz
des thatsächlichen. Seine Lehre habe ethisch keine ungesunden
Consequenzen und erkläre sich, obschon undeutlich, gegen den
Pessimismus, der in der neuesten Zeit die Stimmung der Jugend
vergälle. Wenn ihm seine philosophischen Vorlesungen ge-
längen, so würde er unter den Studirenden eine andere Art
der Betrachtung anregen als die übrigen Lehrer der Philosophie
an der Berliner Universität, einer solchen ähnlich, die in Eng-
land zur Zeit Anhänger besitze.
Wie in der Mathematik, ging also auch in der Philosophie
Hoppe den Weg, den er sich selbst gebahnt hatte, unbekümmert
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 195
darum, ob andere schon eine ähnliche Richtung eingeschlagen
hätten, und ob er als einsamer Wanderer Genossen fände,
die ihm beistimmten. Einer der tüchtigsten Kenner der Kant'-
schen Philosophie, Hr. Michaelis, erklärt in seiner Besprechung
der letzten Hoppe' sehen philosophischen Arbeit diese Schrift
für ein erkenntnistheoretisches Werk von bedeutender Trag-
weite.
Die philosophischen Studien führten Hoppe naturgemäss
auch zum Nachdenken über den Bau. der Sprache, wie ein
Aufsatz „üeber das Problem einer künstlichen Sprache" (1859)
bezeugt. Bekannt ist sein Interesse für das Studium der
deutschen Sprache; als stehender Gast verkehrte er in dem
Hause des Germanisten MüLLENHOFr, und ebenso war er ein
häufiger Besucher des germanistischen Vereins der Studirenden
an der Berliner Universität. Die Vereinfachung der deutschen
Orthographie befürwortete und förderte er mit allen Kräften.
Bei der Vorführung der literarischen Thätigkeit Hoppe' s
können wir nicht an den Recensionen vorübergehen, die er
in den literarischen Berichten seities Archivs 28 Jahre lang
veröffentlicht hat, weil sie einerseits wohl die am meisten ge-
lesenen Erzeugnisse seiner Feder sind, andererseits einen Aus-
fluss seines Denkens darstellen, aus dem seine abgeschlossene
Natur leichter und besser erkannt werden kann, als aus seinen
sonstigen Schriften. Obenan steht ihm das Urteil über die
Principien einer Schrift, und wehe dem Autor, der sich in der
Fassung derselben eine Blosse giebt! Mit scharfem Messer
macht der Kritiker einen Schnitt in das ungesunde Fleisch
und begründet mit dem Endergebnis einer erbarmungslosen
Section sein Verdammungsurteil. Als ein Beispiel möge die
Anzeige der neunten Auflage von Stuem's Cours d^analyse
dienen. Von diesem weit verbreiteten und auch in Deutsch-
land ungemein beliebten Lehrbuch hatte er offenbar noch
nichts gehört, als er es zur Beurteilung erhielt. Mit ernstem
Gesicht berichtet er zuerst über die dem Werke vorausgeschickte
Lebensbeschreibung Stubm's, als ob er zum ersten Male von
diesem Mathematiker gehört hätte. Dann aber wird aus der
vorbereitenden Theorie der Grenzwerte ein Satz herausgegriffen,
der eine Unklarheit enthält. Der Satz wird von allen Seiten
beleuchtet, und die sich an ihn knüpfende SiUBM'sche Er-
196 Verhandlungen der Deutschen Phjsikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
örterung über den Begriff der unendlich kleinen Grössen wird
als rätselhaft und dunkel verworfen. Mithin folgt das Schluss-
urteil: „Das Angeführte zeigt zur Genüge, dass das Buch
den Anfängern der Analysis nicht zu empfehlen ist." Den
eigentlichen Inhalt des Werkes näher zu prüfen, hielt er offen-
bar nach Entdeckung logischer Unklarheiten in den Principien
nicht für nötig; er fragte auch gar nictt danach, warum denn
das Werk, das erst nach dem Tode Stüem^s erschienen war,
zum neunten Male aufgelegt worden war.
Es liegt mir natürlich fem, dieses einseitige Vorgehen,
das ihn mehr als einmal zu grossen Ungerechtigkeiten und
Fehlgriffen verführte, gutheissen zu wollen. Weil er aber bei
diesen Eecensionen durch das Streben nach äusserster Klar-
heit geleitet, in der schroffen Starrheit seiner Natur sich
manche Feinde gemacht hat, so konnte ich diesen Fehler hier
nicht verschweigen, wollte mich aber bemühen, ihn aus der
philosophischen Anlage seines Geistes zu erklären, und wenn
das Wort „tout comprendre, c'est tout pardonner" zugegeben
wird, so werden wir diese Schwäche, die aus einem gewissen
furor philosophicus eines in wissenschaftlichen Dingen starren
und unnachgiebigen Sinnes hervorging, dem stets nach Wahr-
heit suchenden toten Freunde vergeben, vergessen, verzeihen.
Als Leiter des Archivs war Hoppe unermüdlich thätig;
er selbst steuerte in jedem Bande eine grössere Anzahl von
Originalartikeln bei. Man darf wohl sagen, dass er durch die
Kedaction angeregt worden ist, vieles zu schreiben, was er
$onst unbearbeitet hätte ruhen lassen, dass überhaupt die
Schriftleitung des Archivs seinem Alter das zusagende Lebens-
element geworden ist. Je länger er aber diese Thätigkeit
ausübte, um so mehr trat bei ihm der schon berührte Mangel
an Fähigkeit hervor, in fremde Gedanken verständnisvoll ein-
zudringen. Dadurch gelang es besonders im letzten Jährzehnt
manchen gemgrossen und schreibseligen Autoren von kleinem
Wissen und geringem Können, die minderwertigen oder auch
widersinnigen Producte ihrer Feder dem allzu vertrauens-
vollen Leiter des Archivs aufzureden. Wer wollte darüber
aber mit einem achtzigjährigen Greise hadern?
Beim Rückblick auf die gesamte literarische Wirksamkeit
Hoppe's erhalten wir das Bild eines Mannes, der von seiner
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 197
Jugend an, ohne nach äusserem Erfolg zu schielen, in ernstem
Forschen stets die Wahrheit gesucht und darin einen echt
v/issenschaftlichen Geist bekundet hat. In harter Gedanken-
arbeit ringt er sich zu derjenigen Erkenntnis durch, die er
als die einzige, dem Menschen mögliche Stufe des Wissens
ansieht. Das Suchen und Forschen nimmt ihn so gefangen,
dass er darüber die Ansprüche des praktischen Lebens ver-
nachlässigt. Nicht ohne Starrheit im Eigenen, geht er schwer
in fremde Gedanken ein, so beurteilte ihn Tbendelbnbüeg
nach seiner ersten philosophischen Schrift und traf damit sein
innerstes Wesen. Einem Diogenes verglich ihn der Prediger
Witte in der geistvollen und künstlerisch abgerundeten Rede
bei der Trauerfeier auf dem Friedhofe. Wie er lehrte, dass
der Mensch eine Seele sei, die einen Leib habe, so erzog er
sich in der harten und bitteren Schule des Lebens zu einer
staunenswerten Bedürfnislosigkeit, die sich zu einer Miss-
achtung der äusseren Erscheinungsform steigerte. In seine
Gedankenwelt versunken, schritt er wie ein Fremdling dieser
Welt durch das Leben und erweckte wohl den Anschein eines
Träumers, der an der Umgebung wenig teilnähme. Schüchtern
und linkisch erschien zuerst sein Auftreten. Dennoch war er
in der Unterhaltung mit seinen Gedanken bei der Sache, und
wer in seiner Gegenwart einen ihm nicht zusagenden Aus-
spruch that, konnte sicher sein, von ihm ebenso schneidig
zurechtgewiesen zu werden, wie der unachtsame Verfasser
eines Buches wegen des Niederschreibens eines nicht stich-
haltigen Satzes. Aber auch seine Zustimmung zu Ansichten,
die er teilte, konnte er bei solchen Gelegenheiten freudig und
rückhaltlos kundgeben.
Wer Hoppe aus seinen Schriften kennen gelernt hatte
und später seine persönliche Bekanntschaft machte, war immer
zuerst enttäuscht. Der sichere Schriftsteller von klarem Geiste,
der mit aller Entschiedenheit und Furchtlosigkeit das scharfe
Schwert strenger Logik handhabte und in knapper, schlichter
Bede alle Dunkelheiten beseitigte, erschien wie ein Hülfs-
bedürftiger in der menschlichen Gesellschaft, der erst ermutigt
werden müsste, seine Zurückhaltung aufzugeben und seine
Meinung zu äussern.
Aus dem klaffenden Risse zwischen seiner geistigen Be-
198 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft." [Nr. 13.
deutung und der leiblichen Persönlichkeit erklärt sich bei ihm
der Mangel an Erfolg in seinem Lebenslaufe. Obschon seine
Entdeckungen nicht derartig sind, dass sie ihm neben den
ersten führenden Geistern seiner Fächer einen Platz sicherten,
hätten sie wohl hingereicht, ihm den Anspruch auf eine
Professur an einer Hochschule zu verleihen, die andere Ge-
lehrte mit geringeren Leistungen erhielten. Seiner Persönlich-
keit blieb aber wie auf dem Gymnasium, so an der Universität
ein fruchtbarer Erfolg der Lehrthätigkeit versagt. Bei seiner
Geburt hatte die gütige Fee gefehlt, die ihm zu den Gaben
des Geistes Anmut und Beredsamkeit hätte in die Wiege legen
müssen, und da somit die Grazien leider ausbliebe^, so musste
er unter dem Scepter der grimmen !Aväyxrj bis an sein Ende
in bescheidener Stellung ausharren. Ich selbst habe im Sommer
1862 bei ihm das Colleg über elliptische Functionen gehört,
das einen Bestandteil der regelmässigen Folge seiner Vor-
lesungen: Differentialrechnung und Reihen theorie , analytische
Geometrie, Integralrechnung, elliptische Functionen, analytische
Mechanik bildete. Wie verlegen, schob er sich durch die
nur halb geöffnete Thüre; ohne einen Blick auf die Hörer-
schaft zu werfen, bestieg er das Katheder, entnahm der Rock-
tasche das sehr sorgfältig ausgearbeitete Manuscript, wandte
den Hörern den Rücken zu, um, aus den damals schon ver-
gilbt aussehenden Bogen lesend, die Formeln an der Wand-
tafel niederzuschreiben. Der freien Rede gar nicht mächtig,
konnte er in der Eintönigkeit des so gesprochenen Vortrages
die Studenten nicht fesseln. Von den zuerst anwesenden Zu-
hörern — es mochten wohl mehr als ein Dutzend sein —
verliefen sich in den ersten vierzehn Tagen die meisten, und
bald blieb ich mit nur noch einem Hörer zurück, dem Hrn.
Keech; wir beide aber harrten aus, und ich muss bekennen,
dass der Inhalt der nach Jacobi's Muster gehaltenen und von
mir ausgearbeiteten Vorlesung durchaus gediegen war. Die
Vorlesungshefte der sämtlichen CoUegien wird er damals mit
gleicher Sorgfalt ausgearbeitet haben;. denn aUe übernommenen
Pflichten fasste er sehr ernst auf und folgte somit im sittlichen
Handeln dem kategorischen Imperativus von Kant, den er
als Philosophen sonst heftig befehdete. In der Ablieferung
versprochener Arbeiten war er unbedingt zuverlässig; das werden
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 199
alle Redacteure der Fortschritte der Physik erfahren haben,
gerade wie ich als Herausgeber des Jahrbuqhes über die Fort-
schritte der Mathematik, an welchem er seit der Gründung
desselben Mitarbeiter gewesen ist. Da er immer einer der
ersten war, der seine Referate übergab, so konnten seine letzten
Beiträge zu dem gegenwärtig im Drucke befindlichen Bande
noch nach seinem bereits erfolgten Abscheiden den betreffenden
Kapiteln einverleibt werden. Gefällig wie er war, erwies er
sich überhaupt stets zu Dienstleistungen bereit.
Bewundernswert ist die Gelassenheit, mit der sich Hoppe
in der Lebenslage zurecht fand, die er nach freier Wahl zu
tragen hatte. Mit wahrhaft philosophischer Ruhe hat er bis
in das reife Mannesalter hinein alle Nöte des Lebens auf sich
genommen; in seinem Mannesstolze wollte er sein Leben ebenso
selbständig und unabhängig führen, wie er in der Wissenschaft
in voller Freiheit sein Denken geregelt hatte. Unter seinen
Brüdern galt er in leiblicher Beziehung als der am schwächsten
Beanlagte. Trotz aller Entbehrungen, denen er sich unter-
warf, hat er diese Brüder alle überlebt und das Wort bewahr-
heitet, das seiner Philosophie entlehnt sein könnte: „Es ist
der Geist, der sich den Körper baut." Als er später durch
die üebemahme der Redaction des Archivs und durch die
einsichtige Fürsorge der philosophischen Facultät besser ge-
stellt wurde, nahm er am Leben der Gesellschaft einen stärkeren
Anteil. Er freute sich, bei den Naturforscherversammlungen
erscheinen zu könnnn, und übernahm einige Male Vorträge
bei denselben, deren Inhalt stets philosophisch gefärbt war.
Besonders gern suchte er das Gebirge auf, wo es ihm, wie
er sagte, grosses Vergnügen machte, nach mühevollem Steigen
auf den harten Schädel eines solchen stolzen Bergriesen mit
seinen Füssen zu treten. Anspruchslos, wie er war, gab er
auf solchen Reisen einen verträglichen Wandergenossen ab.
Im übrigen kann man nicht sagen, dass er bei seinem ein-
siedlerischen Leben als unverheirateter Mann enge Freund-
schaft mit jemandem geschlossen hätte. Und doch verband
ihn eine treue Anhänglichkeit mit den Kreisen, in denen er
verkehrte. Die Nachsitzungen der Physikalischen Gesellschaft
besuchte er regelmässig bis in den Anfang dieses Jahres hinein,
ebenso die zwanglosen Zusammenkünfte, die im Anschlüsse
200 Verhandlungen der Deutschen Physika!. Gesellschaft. [Nr. 13.
an das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik all-
monatlich stattfinden. So sicher erschien er dort, dass sein
Ausbleiben im Frühjahr als das erste Symptom seiner be-
ginnenden Auflösung betrachtet wurde. In gleicher Weise
trat er geräuschlos bei seinen Verwandten ein, wo er sich an
der Musik ergötzte, und bei befreundeten Familien, in denen
er manchen Abend zubrachte. Aeusserlich konnte es den
Anschein haben, als ob nur eine liebe Gewohnheit den stillen
Greis an die Kreise bände, in denen er seit alter Zeit ver-
kehrte; denn oft genug entfernte er sich, ohne kaum ein Wort
gesprochen zu haben. Wer vermöchte jedoch in die Geheim-
nisse eines so gedankenreichen Geistes zu schauen? Die An-
hänglichkeit an seine Verwandten vrird durch das Testament
bezeugt, in welchem er eine Familienstiftung errichtet hat;
aus ihr sollen vorläufig für directe Nachkommen seiner Eltern
alljährlich zwei Schüler- und zwei Studienstipendien gezahlt
werden. Indem er dabei bestimmt hat, dass das weibliche
Geschlecht ebenso wohl zu berücksichtigen ist wie das männ-
liche, hat er, der im Cölibat Verharrende, einen augenschein-
lichen Beitrag zu seinen Ansichten über die Frauenfrage geliefert.
In häufigerem Verkehr mit Hoppe übersah man bald die
Aeusserlichkeiten, an denen man beim ersten Anblick Anstoss
nehmen konnte. Aus der anfänglichen Duldung erwuchs
Achtung, ja Verehrung auf Grund seiner charaktervollen Natur.
Es blieb der Eindruck seines Denkerhauptes, das Bewusstsein
des Anschauens einer abgeschlossenen Persönlichkeit von aus-
schliesslich wissenschaftlichem Streben, die im Denken und
im Handeln furchtlos alle Consequenzen zog und trug. Die
allgemeine Achtung, in der er stand, zeigte sich bei der Feier,
die veranstaltet wurde, als er sein achtzigstes Lebensjahr
vollendete, und zu der sich die Mathematiker der Hochschulen
Berlins, viele Mitglieder der Physikalischen Gesellschaft und
zahlreiche Freunde des nun Verstorbenen vereinigten. Die
Deutsche Mathematiker- Vereinigung ehrte ihn durch einen
herzlichen Glückwunsch; vom Staate wurde er durch Ver-
leihung des Kronenordens dritter Klasse ausgezeichnet, da ihm
schon früher der rote Adlerorden vierter Klasse verliehen
worden war. Der mathematische Verein der Universität Berlin
veranstaltete ihm zu Ehren einen Festcommers.
Nr. 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 201
Was an ihm sterblich war, ist nun dahin; geblieben ist
die Erinnerung an einen ehrlichen Mann, der durch sein Leben
den Ausspruch widerlegt hat, die Originale seien ausgestorben.
Für ihn tönt der Gesang der Engel: „Wer immer strebend
sich bemüht, den können wir erlösen." Wir haben ihn ge-
schaut als einen iustum et tenacem propositi virum, der trotz
des Mangels äusserer Anerkennung der Fahne der Wissenschaft
treu geblieben ist, und der in der inneren Klarheit das höchste
Glück eines befriedigten Daseins gefunden hat. In dieser Ver-
klärung wird sein Andenken bei allen weiterleben, die mit
ihm in Berührung gekommen sind, und somit fUr immer ge-
segnet sein.
202
lieber eime Verbesserung der Wien^schen Spectral-
gleichung; von M. Planck.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. October 1900.)
(Vgl. oben S. 181.)
Die von Hrn. Küelbaum in der heutigen Sitzung mit-
geteilten interessanten Resultate der von jihm in Geniemschaft
mit Hrn. Rubens auf dem Gebiete der längste^ Spbcliratwelten '^
ausgeführten Energiemessungen haben die zuerst von den Herren
LuMMEE unö PEiNGSHEra auf (^rund ihrer B|eobachtungen auf-
gestellte Behauptung nachdrücklich bestätigt, däs^ das Wien'-
sche Energieverteilungsgesetz nicht die allgemeine Bedeutung
besitzt, welche ihm bisher von mäncKer Seite zugeschrieben
worden war, sondern dass dies Gesetz vielc^iehr höchstens den
Charakter eines Gfeiizgesetzes hat. dessen utJeraus' einfache '
B^orm unreiner Bescnrankung auf kurze Weflenlän^eirbez. tiefe
Temperaturen ihren Ursprung verdankt. ^) Da ich selber die
Ansicht von der Notwendigkeit des WiEN'schen Gesetzes auch
an dieser Sielle vertretet l^aoe, so sei es mir gestattet, hier
kurz darzulegen, wie sich die von mir entwickelte elektro-
magnetische Theorie der Strahlung zu den Beobachtungsthat-
sachen stellt.
Nach dieser Theorie ist das Energieverteilungsgeset^ be-
stimmt, sobald die Entropie 8 eines auf Besträlilung an-
spi*ecnen(ien linearen Resonators als Function seiner Schwin-
gungsenergie U bekannt ist. Ich babe indes schon in meiner
letzleV Arbeit über diesen Gegenstand Hervorgehoben*), dass
der Satz der Entropievermehrung an und fiir sich noch nicht
hinreicht, um diese Function vollständig anzugeben; zur An-
sicht von der Allgemeinheit des WiEN'schen Gesetzes wurde
ich vielmehr durch eine besondere Betrachtung geführt, näm-
lich durch die Berechnung einer unendlich kleinen Entropie-'
Vermehrung eines in einem stationären Strahlungsfelde befind-
1) Auch Hr. Paschen hat, wie er mir brieflich mitteilte, neuerdings
merkliebe Abweichungen vom WiEN'schen Gesetz festgestellt.
2) M. Planck, Ann. d. Phys. 1. p. 730. 1900.
Nr: 13.] Sitzung vom 19. October 1900. 203
liehen Systems von n gleichen Eesonatoren auf zwei verschiedene
Weisen, wodurch sich die Gleichung^) ergab:
dü^.AU^.f{U:, = ndü.AU.flJJ),
wobei
U„ = nU und /■(?/)= -||^,
aus welcher dann das WiEN'sche Gesetz in der Form hervorgeht:
d^ S __ const
In jener Functionalgleichung stellt der Ausdruck auf der
rechten Seite sicher die genannte Entropieänderung dar, weil
sich w ganz gleiche Vorgänge unabhängig voneinander abspielen,
deren Entropieänderungen sich daher einfach addiren müssen.
Dagegen würde ich es wohl für möglich, wenn auch immer
noch für nicht leicht begreiflich und jedenfalls schwer beweis-
bar ansehen, dass der Ausdruck links nicht allgemein die ihm
früher von mir zugeschriebene Bedeutung "besitzt, mit anderen
Worten: dass die Werte von U^, dU^ und A ü^ gar nicht hin-
reichen, um die fragliche Entropieänderung zu bestimmen,
sondern, dass dazu auch U selber bekannt sein muss. Im
Verfolg dieses Gedankens bin ich schliesslich dahin gekommen,
ganz willkürlich Ausdrücke für die Entropie zu construiren,
welche, obwohl complicirter als der WiEN'sche Ausdruck, doch
allen Anforderungen der thermodynamischen und elektromagne-
tischen Theorie ebenso vollkommen Genüge zu leisten scheinen
wie dieser.
Unter den so aufgestellten Ausdrücken ist mir nun einer
besonders aufgefallen, der dem WiEN^schen an Einfachheit am
nächsten kommt, und der, da letzterer nicht hinreicht, um
alle Beobachtungen darzustellen, wohl verdienen würde, darauf-
hin näher geprüft zu werden. Derselbe ergiebt sich, wenn
man setzt ^:
d^8 a
dU^ ü(ß+ ü)
1) 1. c. p. 732.
2) Ich gehe aus von dem zweiten Difterentialquotienten von 8
nach TJ, weil diese Grösse eine einfache physikalische Bedeutung besitzt
(1. c'p. 731.)
204 Verhandlungen der Deutschen Phjsikal. Gesellschaft. [Nr. 13.
Er ist bei weitem der einfachste unter allen Ausdrücken,
welche S als logarithmische Function, von CA liefern (was an-
zunehmen die Wahrscheinlichkeitsrechnung nahe legt) und welche
ausserdem für kleine Werte von U in den obigen WiEN'schen
Ausdruck übergehen. Mit Benutzung der Beziehung
dS _ 1
,. du "■ T^ .
und des WiEN'schen „ Verscniebungs^gesetzes ^) erhält man hieraus
die zweiconstantige Strahlungsformel:
welche, soweit ich augenblicklich sehen kann, den Gang der
seither publicirten Beobachtungszahlen ebenso befriedigend
wiedergiebt, wie die besten bisher aufgestellten Spectral-
gleichimgen, nämlich die von Thiesen^), die von Lummee-
Jahnke^) und die von Lümmee-Pkingsheim.*) (Wird an einigen
Zahlen erläutert.) Ich möchte mir daher erlauben, Ihre Auf-
merksamkeit auf diese neue Formel zu lenken, die ich vom
Standpunkt der elektromagnetischen Strahlungstheorie aus
nächst der WiEN'schen für die einfachste halte.
1) Der Ausdruck des WiEN'schen Verschiebungsgesetzes ist einfach :
wo V die Schwingungszahl des Resonators bedeutet Ich werde dies bei
einer anderen Gelegenheit darlegen.
2) M. Thiesen, Verhandl. d. Deutsch. Physikal. Gesellsch. 2. p. 67.
1900. Dort findet sich auch bemerkt, dass Hr. Thiesen seine Formel
schon aufgestellt hatte, ehe die Herren Lümheb u. Prinosheim ihre Mes-
sungen auf grössere Wellenlängen ausdehnten, was ich hier hervorhebe
weil ich vor dem Erscheinen der citirten Publication eine etwas andere
Darstellung gegeben hatte (M. Planck, Ann. d. Fhjs, 1. p. 719. 1900).
3) 0. LüioiEB u. E. Jahnke, Ann. d. Phys. 3. p. 288. 1900.
4) 0. Lümmeb u. E. Pbingshbih, Verhandl. d. Deutsch. Phjsikal.
Gesellsch. 2. p. 174. 1900.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
13.
JBhrg. 2 Hr. 14.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Sitzung Tom 2. Norember 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Wabbürg.
Hr. J. West spricht in einem von Experimenten begleiteten
Vortrage
über den Telephonographen von Poulsen.
Hr. M. Planck macht dann eine Mittheilang über
einen vermeintlichen Widerspruch des magneto-
optischen Faradayeffectes mit der Thermodynamik.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Prof. Dr. 0. Lehmann in Karlsruhe,
Hr. Dr. E. Tbbesohin in St. Petersburg.
Nach § 32 der Statuten ist Hr. Dr. L. Silbbrstein in
Warschau aus der Gesellschaft ausgeschieden.
206
JSi/n vermet/ntlicher Widerspruch des magneto-
optischen Faradayeffectes tnit der Thermodynamik;
von Max Planck.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 2. November 1900.)
(Vgl. oben S. 205.)
In seiner wichtigen Abhandlung über „Temperatur und
Entropie der Strahlung" hat Hr. W. Wien, im Anschluss an
eine von Helmholtz^) bei der Besprechung seines optischen
Reciprocitätsgesetzes gemachte Bemerkung, eine einfache Vor-
richtung beschrieben 2j, deren Effect nach allem, was bekannt
ist, darauf hinauslaufen würde, dass zwei einander gerade
gegenüber befindliche schwarze Körper von gleicher Temperatur
sich verschiedene Wärmemengen zustrahlen, ohne dass gleich-
zeitig irgend ein anderweitiger als Compensation aufzufassen-
der Vorgang, wie z. B. Absorption strahlender Wärme, statt-
findet. Diese Vorrichtung besteht wesentlich in Folgendem.
Vor jeden der beiden einander bestrahlenden Körper ist ein
„NicoL'sches" Prisma gesetzt, welches von der aus dem Körper
emittirten, parallel gemachten Strahlung die eine Hälfte hin-
durchlässt, die andere Hälfte aber auf den Körper zurückwirft.
Die durchgelassene Strahlung fällt auf das andere Prisma und
wird dort,» je nach der Orientirung seiner Polarisationsebene
zum Hauptschnitt des Prismas, teils reflectirt, teils zum andern
Körper hin durchgelassen. Wenn nun in dem zwischen beiden
Prismen befindlichen diathermanen Medium eine magnetische
Drehung der Polarisationsebene stattfindet, so kann man es
leicht einrichten, dass das eine Prisma von der durch das
Medium kommenden Strahlung einen grösseren Bruchteil hin-
durchlässt als das andere. Nehmen wir z. B. an, der Haupt-
schnitt des 2. Prismas sei gegen den des ersten um 45^
gedreht, in einem ein für allemal fixirten Sinn, und die mag-
netische Kraft bewirke eine Drehung der Polarisationsebene
ebenfalls mm 45^ in demselben Sinn, dann wird die ganze
1) H. V. Helmholtz, Wissensch. Abb. 2. p. 136. 1883.
2) W. Wien, Wied. Ann. 52. p. 143. 1894.
Nr. 14.] Sitzung vom 2. November 1900. 207
Strahlung, die vom I.Körper her durch das I.Prisma gegangen
ist, auch durch das 2. Prisma hindurchgehen. Dagegen wird
die vom 2. Körper durch das 2. Prisma gesandte Strahlung, deren
Polarisationsebene gegenüber dem Hauptschnitt des 1. Prismas
das Azimut 45*^ besitzt, beim 1. Prisma mit dem Azimut 90^
ankommen, weil der Sinn der magnetischen Drehung unabhängig
ist von derFortpflanzungsrichtungder Strahlung,und infolge dessen
dort total reflectirt werden. Hieraus folgert nun Hr. W.Wien, dass
der 1. Körper dem 2. Körper mehr Wärme zustrahlt, als der
zweite dem ersten, was dem zweiten Hauptsatz widerspricht;
er berechnet weiter die Grösse des entsprechenden negativen
„Verwandlungswertes" und sucht die Compensation desselben
in einer bisher unbekannten Wirkung, nämlich entweder in
einer besonderen Absorption der Strahlung durch das magneti-
sirte Medium, oder in einer Zerstörung der Magnetisirung
durch die Strahlung. Wesentlich dieselben üeberlegungen hat
Hr. Wien neuerdings in sein Pariser Eeferat über die theo-
retischen Gesetze der Strahlung aufgenommen.
Als ich vor kurzem daran ging, den geschilderten Ge-
dankengang weiter zu verfolgen, um womöglich zu einer neuen
interessanten Beziehung zu gelangen, und zu diesem Zweck
die Wärmemengen berechnete, welche sich die beiden Körper
gegenseitig zustrahlen, fand ich zu meinem Erstaunen, dass,
wenn man nur die Rechnung vollständig durchführt, der
FAEADAY'sche Effcct in keinem Falle zu einem Widerspruch
mit der Thermodynamik Anlass giebt, und dass das „WiEN'sche
Paradoxon", wie es auch genannt worden ist, lediglich auf
einer unzulänglichen Betrachtungsweise beruht.
Bleiben wir zunächst bei dem oben gewählten speciellen
Beispiel stehen, so wird allerdings die von dem 2. Körper
durch das ihm vorgelagerte 2. Prisma gesandte Strahlung ver-
möge der magnetischen Drehung ihrer Polarisationsebene vom
1. Prisma vollständig reflectirt. Sie fällt aber nicht, wie bei
der WiEN'schen Berechnung angenommen ist, durch das 2. Prisma
auf den 2. Körper zurück, sondern da sie bei der Eückkehr
vom 1. zum 2. Prisma abermals eine Drehung ihrer Polari-
sationsebene um 45^ erleidet, so langt sie beim 2. Prisma mit
dem Azimut 135*^ an, wird infolge dessen dort total reflectirt,
kehrt mit dem Azimut 180^ zum 1. Prisma zurück und geht
208 Verhandlungen der Deutschen Physika!. Gresellschaft. [Nr. 14.
nun ohne Schwächung durch dasselbe hindurch zum 1. Körper.
Schliesslich empfängt also der 1. Körper vom 2. genau ebenso-
viel Wärme, als der 2. vom 1., nur dass dabei zwei totale
Reflexionen stattßnden.
Im allgemeinen Falle, wenn der Hauptschnitt des 2. Prismas
gegen den des 1. das Azimut 6 besitzt, und wenn die magne-
tische Drehung der Polarisationsebene a beträgt, führt eine
entsprechende Rechnung zu ganz demselben Resultat, voraus-
gesetzt, dass man die unendlich vielen Hin- und Herreflexionen
der polarisirten Strahlung zwischen den beiden Prismen ge-
bührend berücksichtigt. Betrachten wir nämlich ein von dem
1 . Prisma kommendes, durch das magnetisch-active diathermane
Medium auf das 2. Prisma fallendes paralleles Strahlenbüschel,
so ist zu unterscheiden, ob die Strahlung vom 1. Prisma re-
flectirt ist, oder ob sie durch das 1. Prisma hindurchgegangen
ist. Im ersten Falle wird am 2. Prisma der Bruchteil
cos^ (6 — c^) == ^2
reflectirt, im zweiten Falle aber der Bruchteil
sin2(€- a) = Q^,
sodass
Für die Reflexionen am 1. Prisma wenden wir die ent-
sprechende Bezeichnung an. War die auf das 1. Prisma fallende
Strahlung vom 2. Prisma reflectirt, so wird vom 1. Prisma
der Bruchteil
cos2(€ + a) = pj
reflectirt; war sie aber durch das 2. Prisma hindurchgegangen,
so wird vom 1. Prisma der Bruchteil
sin2(€ + «) = (>/
reflectirt, sodass wieder:
Nun berechnen wir, welcher Bruchteil der ganzen Wärme-
menge ^, die in einer beliebigen kleinen Zeit von dem
1. Körper in der Richtung zum 2. Körper emittirt wird.
Nr. 14.] Sitzung vom 2. November 1900. 209
zum 2. Körper hingelangt. Bei der ersten Reflexion am
1. Prisma wird die Hälfte ql2 reflectirt, die andere Hälfte 7/2
durchgelassen. Hiervon wird am 2. Prisma g'/2 p^' reflectirt,
der Rest ql2 q^ ^um 2. Körper durchgelassen. Die reflectirte
Strahlung g'/2 q^' kehrt zum 1. Prisma zurück. Dort wird der
Betrag ^/2 p^'p^ reflectirt, welcher wieder auf das 2. Prisma
fällt. Hier wird der Betrag ql2 q^ q^ q^ zum 2. Körper durch-
gelassen, der Rest 7/2 Q2 Q\Q2 ^^^ ^* Prisma zurückreflectirt
etc. Somit ergiebt sich für die ganze durch das 2. Prisma
auf den 2. Körper fallende Strahlung:
- 1^2 + i?i?"(i + 9,92 + p;?5 + . . .)
2 ^2 -t- 2 1 - ^ ^
und mit Einsetzung von 1 — Pa statt q'^i
_ j^ gl + g» - 2 ei g« ,
2 1 - gl g2
Eine Controle für die Richtigkeit der Rechnung ergiebt
die Bestimmung der auf den 1. Körper zurückfallenden Strahlung.
Hier erhält man durch die entsprechende Betrachtung:
-f + -i-929'x +-Y9Ah 92 Pi + -{-92 91 Pa 9i (>a(^' + • • •
= -f + lPi>2(l+(>iP2 + p:p2 + --0
== JL I g g'l g2
2 "^ 2 1-9,9,
und mit Einsetzung von 1— (>i imd 1 — (>2 statt g^ und (»g':
^ J 2-gi--g«
2 1 - gl gs
Dieser Ausdruck zu dem obigen addirt ergiebt 7, d. h.
die ganze von dem 1. Körper emittirte Wärme, wie es sein
muss.
210 Verhandlungen der Deutschen Phjsikal. Gesellachaft. [Nr. 14.
Berechnet man nun weiter die vom 2. Körper dem 1. zu-
gestrahlte Wärme, unter der Annahme, dass beide Körper die
gleiche Temperatur besitzen , so findet man . genau denselben
Ausdruck wie oben, wie schon daraus zu erkennen ist, dass
jene Grösse ihren Wert nicht ändert, wenn man p^ und q^
miteinander vertauscht Es strahlen sich also die beiden
Körper thatsächlich gleichviel Wärme zu, und der zweite Haupt-
satz der Thermodynamik giebt hier keinerlei Anlass, irgend ein
neues, bisher unbekanntes Phänomen zu postuliren.
Dmok Ton Metzger & Wittig in Leipzig.
JOirg. 2. Nr. 15.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft,
Sltzang Tom 16. IK^OTember 1900.
Vorsitzender: Hr. E. Wakbueg.
Hr. E. Warburg spricht in einem von Demonstrationen
begleiteten Vortrag
über die Wirkung der Strahlung auf die Funken-
entladung.
Hr. H. Boas macht dann
eine Bemerkung zur Wirkung der SpRBNGEL'schen
Quecksilberluftpumpe.
Hr. F. Neesen bespricht endlich unter Hinweis auf eine
grosse Anzahl im Vortragssaale ausgestellter Oelgemälde
die während der dänischen Expedition, welche
unter Leitung von Adam Paulsen im Winter 1899/1900
nach Island zur Erforschung der Nordlichterschei-
nungen entsandt war, vom Maler Grafen Moltke auf-
genommenen Bilder und die allgemeinen vorläufigen
Ergebnisse.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. L. Rellstab, Privatdocent in Braunschweig,
Hr. F. HoFEMANN, Berlin W., Potsdamer Str. ^9.
212
lieber die Wi/rhwng
der Strahlwng auf die Funkenentladung;
von E. Warburg.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. November 1900.)
(Vgl. oben S. 211.)
§ 1. Hr. SwTNGEDAUw^) hat kürzlich meine Erklärung
von der Wirkung der Strahlung auf die Funkenentladung ^
für falsch erklärt. Er gründet diese Behauptung auf einen
Versuch, dessen Klarstellung der Hauptzweck dieser Mitteilung
ist. Doch erlaube ich mir, meine Anschauungen von der Sache
im. Zusammenhang darzulegen, da es zur Zeit möglich ist,
dieselben schärfer, als in meiner ersten diesbezüglichen Mit-
teilung zu präcisiren.
§ 2. Es ist zweckmässig, zwei Fälle zu entscheiden. Die
Funkenstrecke bestehe aus zwei blanken Metallkugeln Ä und B^
Ä sei zur Erde abgeleitet, B werde zu wachsendem Potential
geladen.
I. Fall: das Potential von B wird langsam erhöht.
Ist 1. die Funkenstrecke gegen wirksame Strahlen ge-
schützt, so macht die Verzögerung — d. h. das Zeitintervall
zwischen dem Anlegen des Potentials und dem Auftreten des
Funkens — wenn gross, wie bei den meisten trockenen Gasen
und kleinen Schlagweiten, die exacte Bestimmung des
Funkenpotentials schwer bez. unmöglich.
Steht dagegen 2. die Funkenstrecke unter dem Einfluss
von wirksamen Strahlen — ultravioletten, Eöntgen-^ oder
Becquerelstrahlen*) — hinreichender Intensität, so wird eine
Verzögerung nicht beobachtet, d. h. der Funke tritt ein,
1) R. SwYNQEDAüw, Journal de physique 9, p. 488. 1900. Vgl. auch
E. BicHAT et R. SwYNQEDAuw, SuF Ics ph^nom^ncs actino^lectriques produits
par les rayons violets. Rapport pour le congi'^s international de physique,
Paris 1900.
2) E. Warburq, Wied. Ann. 69. p. 1. 1856.
3) H. Starke, Wied. Ann. 66. p. 1009. 1898.
4) J. Elster, Verhandl. d. Deutsch. Physikal. Gesellsch. 1. p. 7. 1900.
Nr. 15.] Sitzung vom 16. November 1900. 213
sobald das Potential von B auf einen gewissen, mit grosser
Schärfe bestimmbaren Wert gesteigert ist, und dieser Wert ist
unabhängig von der Natur der angewandten Strahlung.
3. In einigen Fällen findet man das Funkenpotential ein
wenig kleiner mit als ohne Bestrahlung, wie z. B. in Luft bei
kleinen Schlagweiten, in anderen Fällen verschwindet diese
Differenz gänzlich, wie z. B. nach Versuchen des Hrn. Obgleb
in Wasserstoff bei 660 mm Druck und 6 mm Schlagweite.
Daraus schliesse ich, dass diese Differenz keine grössere Be-
deutung hat als der Unterschied, welchen man zwischen dem
Schmelz- und Erstarrungspunkt bei unterkühlbaren Flüssig-
keiten beobachten kann, und ich betrachte die bei bestrahlter
Funkenstrecke gefundenen Werte des Funkenpotentials als die
normalen, d. h. von passiven Widerständen nicht beeinflussten
Werte dieser Grösse.
Nach diesen Auseinandersetzungen ist in dem vorliegenden
Fall I die einzige Wirkung der Bestrahlung die Aufhebung
der Verzögerung, eine Herabsetzung des Funkenpotentials durch
die Bestrahlung findet nicht statt.
§ 3. Anders verhält es sich scheinbar in gewissen Fällen,
in welchen (Fall II) das Potential der Elektrode B schnell
gesteigert wird, wie z. B., wenn sie, vorher an Erde gelegt,
plötzlich mit der inneren Belegung einer geladenen Flasche
verbunden wird. Man findet in diesem Falle unter Umständen,
dass bei ultravioletter Bestrahlung der Funke bereits eintritt,
wenn das Flaschenpotential erheblich kleiner ist, als das nach I
bestimmte Funkenpotential. ^) Hr. Swyngedauw erklärt diese
Erscheinung nach dem von ihm aufgestellten Satze, dass durch
die ultraviolette Bestrahlung das Funkenpotential herabgesetzt
werde, und zwar um so mehr, je schneller es beim Anlegen
erhöht werde.
Doch muss man in Betracht ziehen, dass bei diesen Ver-
suchen die Funkenstrecke sich beim Anlegen an die Flasche
unter gedämpften Oscillationen lädt, bei welchen die Potential-
differenz der Elektroden zeitweise einen höheren Wert als das
Flaschenpotential annimmt. Kann die Capacität der Funken-
strecke gegen die der Flasche und für die erste Halbschwingung
1) E. Wabbubq 1. c. Die dort gegebene Erklärung im Ansehluss an
einen von Ilrn. J^umann ^usgeßprocheQeDi Satz trifit nicht zu.
214 Verhandlungeti der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 15.
auch die Dämpfung vernachlässigt werden^ so ist die maximale
erreichte Potentialdifferenz geradezu doppelt so gross als das
Flaschenpotential. Von vornherein bleibt also die Möglichkeit
offen, dass die von Hrn. S^yngedauw angenommene Herab-
setzung des Funkenpotentials nur eine scheinbare ist, indem
die Potentialdifferenz der Elektroden zeitweise auf einen Wert
steigt, welcher das normale Funkenpotential thatsächlich er-
reicht oder überschreitet. Dass die Sache sich in der That
so verhält, zeigen die folgenden Versuche.
§ 4, Zwei Flaschen, eine grosse J^ (Capacität 0,0067 Mf.)
und eine kleine J^ (Capacität 0,000328 Mf.) sind mit ihren
äusseren zur Erde abgeleiteten Belegungen verbunden. In
diese Leitung kann ein regulirbarer elektrolytischer Wider-
stand' und eine Inductionsspule vom Selbstpotential 42100 cm
eingeschaltet werden. Die innere Belegung von J^ ist zunächst
an Erde gelegt; durch Auslösen einer Feder wird sie isolirt
und an die innere Belegung von J^ angelegt. Mit den Be-
legungen von e/g sind die Metallkugeln ^) der Funkenstrecke
verbunden, welche in der Regel durch Bogenlicht, das durch
Quarzlinsen concentrirt ist, bestrahlt wird.
Ist
(1) . ' w^<4.L.{x^-^x^),
wo w den Widerstand, L das Selbstpotential des Kreises be-
zeichnet, x^ und x^ die reciproken Werte der Capacitäten der
Flaschen 1 und 2 vorstellen, so lädt sich 2 unter gedämpften
Oscillationen, und zwar ist
(2) F,= r,{l-r^(cos^... + ^.|.sin^..)},
WO
W
V^ ist der Endwert von Tg,
(3) r, = r.
Xj + Xj
1) Ich benutzte Eisen-, Messing- und Zinkkugeln von 2,6 cm Durch-
messer; sie wurden zuerst mit Putzpomade, dann mit Wiener Kalk und
Alkohol behandelt. Die Ergebnisse wurden durch das Material wenig
beeinflusst, Zink eignet sich vielleicht am besten.
Nr. 15.] Sitzung vom 16. November 1900. 215
wo V das Potential ist, auf welches 1 ursprünglich geladen
war. Der grösste Wert, welchen f^ annimmt, ?2, max.? wird
zur Zeit y/2 erreicht, und ist
(4) r2.r^^=f,[\+e~^].
Sind Spule und elektrolytischer Widerstand ausgeschaltet,
so besteht die Leitung aus ungefähr 5 m 0,7 mm starken
Kupferdrahts und besitzt, als gerader Draht betrachtet, nach
Lord Ratleigh und Stefan ein Selbstpotential gleich 6270 cm
für schnelle Oscillationen. Daraus ergiebt sich die Schwin-
gungszahl pro Secunde
m = 1 = 3,6. 10«;
der Widerstand für diese Schwingungen
w = 1,2 AM, - = 0,0265, ^^^l. = i 99 .
§ 5. Mit dieser Anordnung machte ich folgende Versuche,
bei welchen Eisenkugeln verwandt wurden. Zink und Messing
ergaben entsprechende Eesultate.
1. Spule und Widerstand sind ausgeschaltet, das nach
§ 2 bestimmte normale Funkenpotential ist 4190. Es genügt
nun, Jj auf .2920 Volt zu laden, damit beim plötzlichen An-
legen an c/g, wie vorhin beschrieben, die Flaschen sich durch
die bestrahlte Funkenstrecke entladen. In der That ist in
diesem Falle
K = -^. r= 0,95 r= 0,95.2920 = 2770 Volt,
^a, max = 1,99 . 2770 = 5500 Volt,
um 1310 Volt höher als das normale Funkenpotential.
2. Ich brachte nun durch Einschalten von elektrolytischem
Widerstand den Widerstand des Kreises auf 306 i3. In diesem Fall
vollzog sich die Ladung von Jg aperiodisch, da die Ungleichung (1)
bereits für w = 283 £1 zu bestehen aufhört. Nunmehr musste
ich e/j auf 4365 Volt laden, wenn beim Anlegen an J^ Ent-
ladung durch die bestrahlte Funkenstrecke eintreten sollte.
1) Für constanten Strom ist der Widerstand 0,218 i2.
216 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 15.
In der That ist der hier nicht überschrittene Endwert
von F^
?; = 0,95.4365 = 4150 Volt,
innerhalb der Fehlergrenzen gleich dem normalen Funken-
potential. Gleichwohl vollzog sich die Ladung der Flasche J^
auch in diesem Falle ausserordentlich schnell, man kann be-
rechnen, dass beim Beginn der aperiodischen Ladung, welchem
man hier nahe ist, der definitive Wert F^ bereits nach 3 Millionstel
Secunde bis auf 1 Proc. erreicht ist. Nach dem § 3 citirten Satz
des Hrn. Swyngedauw hätte also die Funkenentladung bereits
für ein Potential von J^ kleiner als 4365 Volt eintreten müssen.
3. Darauf wurde auch die Inductionsspule hinzugeschaltet
und dadurch die Selbstinduction des Kreises auf 48400 cm
gesteigert, infolge dessen man trotz des Widerstandes von
306 £2 wieder in das Gebiet der Oscillationen zurückkehrte.
Es genügte nun, J^ auf 3950 Volt zu laden, um beim Anlegen
an /g einen Funken in der bestrahlten Funkenstrecke zu er-
m = ir= 1,19.10«,
zielen. Hier ist
= 3,16.10-7,
^^^^^ = 1,264,
F^ == 3950 . 0,95 = 3760 ,
^2,max = 4750,
600 Volt höher als das normale Funkenpotential.
4. Eine Herabsetzung des Funkenpotentials durch die
Bestrahlung findet also auch in dem Fall II, in welchem die
Potentialdiflferenz der Elektroden schnell gesteigert wird, nicht
statt. Als ich aber die Bestrahlung durch Bogenlicht wegliess,
blieb in der EegeP) auch die Funkenentladung aus, solange
der Endwert F^ der Potentialdiflferenz der Elektroden das nor-
male Funkenpotential nicht erreichte. Das entspricht ganz
den Angaben des Hrn. Bjerknes^), welcher bei HEßTz'schen
Schwingungen das zeitweise Eintreten einer Potentialdiflferenz
1) Nur bei frisch geputzten Zinkkugeln trat auch ohne Bestrahlung
die Funkenentladung schon bei etwas kleineren Werten von V^ ein.
2) V. Bjerknes, Bihang tili Kongl. svenska Vetenskabs. Akademiena
Handlingar 20. 1894/95.
Nr. 15.] Sitzung vom 16. November 1900. 217
von 7000 Volt nötig fand, um eine Funkenentladung herbei-
zuführen, für deren Einleitung 2080 Volt unter gewöhnlichen
statischen Verhältnissen genügt hätten.
Also auch in dem Fall II setzt die Bestrahlung lediglich
die Verzögerung herab, welche hier zur Funkenbildung kleiner
als die Zeit sein muss, während deren die das Funkenpoten-
tial übersteigende Potentialdiflferenz der Elektroden besteht,
also kleiner als ungefähr Ya Millionstel Secunde.
§ 6. Ich verzeichne hierunter noch die Ergebnisse einiger
Versuche mit verschiedenen Widerständen des Kreises. V be-
deutet immer das kleinste Potential der Flasche 1, welches
zur Funkenbildung hinreichte.
L = 48 400 cm, x^ + Xj = 32 . 10", -^— = 0,95, V^ = 4130 Volt.
Xj +X2
wm^ m.10-6 Ö.IO» ^^ F(Volt) V, Fg^^ ^^^ _„„ - F,
254 1,22 0,881 1,348 8730 3540 4740 610
152 1,27 0,637 1,538 3410 3240 4990 860
48 1,29 2,02 1,826 3190 3030 5540 1410
Der maximale, bei den Oscillationen erreichte Potential-
unterschied Ta.max. ist also stets grösser, als das normale
Funkenpotential Vq, die Differenzen ?^,max. — ^o ^^^^ ^^ gross,
dass sie Beobachtungsfehlern nicht zugeschrieben werden können.
Daraus folgt, dass auch bei der angewandten ultra-
violetten Bestrahlung eine VerzögeruDg übrig blieb, welche
nicht kleiner war, als 0,4 Millionstel Secunde. Hierin liegt
wohl auch der Grund davon, dass wenn man durch Ausschalten
der kleinen Flasche J^ die Schwingungszahl auf einen sehr
hohen Wert bringt, Effecte der beschriebenen Art nur bei
sehr gut geputzten Elektroden eintreten.
§ 7. Als Gesamtergebnis dieser Versuche kann man hin-
stellen, dass die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die
Funkenentladung lediglich in einer Herabsetzung der Ver-
zögerung, nicht in einer Herabsetzung des Funkenpotentials
besteht, mag die Potentialdifferenz langsam oder schnell an
die Funkenstrecke angelegt werden. Dieses Ergebnis steht in
vollem Gegensatz zu den Behauptungen des Hm. Swyngedauw.
Berlin, Physik. Institut, im November 1900.
218
JDie während der dänischen Eocpedition,
welche unter Leitung von Adam JPaulsen im
Winter 1899J1900 nach Island zur Erforschung
der Nordlichterscheimu/ngen entsandt war, vom
Maler Grafen Moltke aufgenommenen Bilder und
die allgemeinen vorläufigen Ergebnisse;
von F. Neesen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. November 1900.)
(Vgl. oben S. 211.)
Es konnten dank der Liebenswürdigkeit von Hrn. Pauls^j,
Director des meteorologischen Institutes in Kopenhagen, eine
grössere Zahl von einzig dastehenden Abbildungen der Ge-
sellschaft gezeigt werden. Die Bilder sind direct an Ort und
Stelle gemalt worden; da die Lichterscheinungen zu rasch
wechseln, um farbige Skizzen aufzunehmen, wurden Bleistift-
skizzen angefertigt und in diesen die Farben eingeschrieben.
Hiernach sind dann unmittelbar darauf die Oelgemälde, Aqua-
relle und ausführlicheren Bleistiftzeichnungen gemacht.
Ein Gemälde giebt die reguläre Nordlichterscheinung mit
mehrfachen ausgespannten Bögen und aus diesen hervor-
schiessenden Strahlen; die anderen zeigen die seltsamsten
flammenartigen Wallungen der leuchtenden Massen. Fast stets
ist das Licht weiss, mit farbigen Stellen an den Rändern;
eine Abbildung giebt ein stark grünlich gefärbtes weisses Licht-
band, das zum Zenith emporzüngelt. Ein anderes Gemälde
zeigt Strahlen, welche wie bei einem Feuerrade in Feuer-
werken von einem Centrum ausgehen, aber nicht radial ver-
laufen, sondern eine doppelte Krümmung haben. Eine rotirende
Bewegung dieser Strahlen um das Ausgangscentrum findet nach
den Angaben der Herren Grafen Moltke und La Cour, dem
Physiker der Expedition, nicht statt. Innerhalb der Strahlen
ist indessen stetige Bewegung, Auf- und Niederwallen, plötz-
liche Lichtblitze etc.
Ueber die allgemeinen Ergebnisse ist von Hrn. Paulsen
dem internationalen Physiker-Congress in Paris ein vorläufiger
Nr. 15.] Sitzung vom 16. November 1900. 219
Bericht abgestattet, welcher durch briefliche Mitteilung an den
Vortragenden in einigen Punkten ergänzt wurde.
Der Bericht giebt zuerst die Ergebnisse der photogra-
phischen Spectralbeobachtungen. Die Platten zeigten Linien
und ein continuirliches Spectnim zwischen 407 und 470 fifi.
Letzteres gehört nach der brieflichen Mitteilung dem Nordlicht
nicht an, sondern rührt von dem Mondlicht her. Das eigent-
liche Nordlichtspectrum, die Linien, ist identisch mit dem
Kathodenlichte des Stickstoffs. Prof. Scheine» hat darauf
bezügliche vergleichende Messungen an den Platten vorgenommen
und hierbei folgende Abstände der sieben hellsten Linien von
der hellsten Linie (392 fifji) in mm erhalten:
421 fifi
Nordlicht-
KathodenHcht-
spectrum
spectrum
-4,40
-4,41
+ 1,61
+ 1,62
+ 2,41
+ 2,41
+ 5,57
+ 5,60
+ 6,39
+ 6,40
+ 10,05
+ 10,11
Die Linien des Nordlichtes sind etwas verwaschen.
Auch die relativen Intensitäten der Linien beider Spectren
stimmen nach Scheiner's Ansicht, soweit es beurteilt werden
konnte.
Der Bericht enthält gleichfalls eine solche von Hm. La Coub
ausgeführte Vergleichung, wobei die Uebereinstimmung aller-
dings etwas weniger genau ist; indessen war der angewandte
Apparat nicht so empfindlich wie der SoHEiNEß'sche.
Ueber die atmosphärische Elektricität sind an 53 Tagen
regelmässige Messungen angestellt, indessen nur an 11 Tagen
unter guten Bedingungen. Meistens störten Stürme und Schnee-
treiben die Beobachtungen. Der Schnee wurde z. B. von
den längs der Abhänge des Berges Sullur, auf welchem Be-
obachtungen erfolgten, aufsteigenden Luftströmen aufgewirbelt.
Die letzteren erzeugten einen luftverdünnten Raum, in welchen
die absteigende Luft hineinströmte. Es machten sich die hier-
durch hervorgerufenen Luftdruckschwankungen an dem Registrir-
barographen so bemerkbar, dass während Stunden die Curve
in einen breiten Klecks auslief. Als Sammler für das Potential
220 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gresellschaft. [Nr. 15.
wurde eine mit radioactivem Pulver bestreute Platte angewandt,
welche sich vorzüglich bewährte.
Das Luftpotential wuchs von 8 Uhr Morgens bis zwischen
12 und 1 Uhr Nachmittags, von da an ein regelmässiges
Sinken bis 2 Uhr Nachts, der letzten Beobachtungsstunde.
Die zeitliche Lage des Minimums wird auf zwischen 3 und
4 Uhr Morgens geschätzt.
In Bezug auf die Geschwindigkeit der Abnahme elek-
trischer Ladungen stellte sich sowohl an dem niedrigsten Be-
obachtungsort (50 m) wie an dem höchsten (1200 m) entschieden
ein rascheres Abnehmen von negativer Ladung heraus; die
grössere Höhe begünstigte anscheinend diesen Unterschied aber
nur sehr wenig.
Der Einfluss auf die Declinationsnadel war bei ruhigen
Nordlichtbogen sehr gering, bei auftretenden Wallungen grösser.
Immerhin waren auch hier die beobachteten Störungen (3^ im
Maximum) sehr klein gegen die bei einer früheren Expedition
nach der Westküste von Grönland gefundenen von mehr wie 10 ^
Allerdings spielten sich die in Island beobachteten Licht-
erscheinungen in sehr grossen Höhen ab; so wurde eine solche
von 400 km beobachtet. Der ruhige Bogen stand senkrecht
auf dem magnetischen Meridian. Daher auch sein geringer
Einfluss. Es ergiebt dieses die bemerkenswerte Folgerung,
dass die elektrische Entladung derartig verläuft, dass ein
positiver Strom von Westen nach Osten vorhanden ist. Denn
Entladungen von wechselnder Richtung sind wohl nicht an-
zunehmen, weil sonst überhaupt keine Einwirkung auch bei
den eintretenden Wallungen zu erwarten waren.
Das Centrum der Coronabildungen, welches einzelne Bilder
sehr deutlich wiedergeben, steht im Schnitt der magnetischen
Erdaxe mit dem Himmelsgewölbe.
Druck von Metzger A Wittig in Leipzig.
Jahrg. 2. Nr. 16.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen G-esellschaft,
Sitznns^ vom 30. l^ovember 1900.
Vorsitzender: Hr. 0. Lummer.
Hr. 0. Lummer trägt vor:
Geschichtliches über das DRAPE»'sche Gesetz und
den schwarzen Körper.
Der Vortrag giebt im Wesentlichen einen Auszug aus dem
für den Internationalen Congress für Physik zu Paris 1900
geschriebenen Rapport: „Sur le rayonnement des corps noirs",
soweit dieser sich mit dem Dra.pe»' sehen Gesetze und der
Verwirklichung der schwarzen Strahlung beschäftigt. Der In-
halt wird in den „Annalen der Physik" veröffentlicht werden.
Hr. A. Grleiclien bespricht dann
eine Erweiterung der LAPLAOE'schen Extinctions-
theorie des Sternenlichtes.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. S. Simon, Charlottenburg, Spreestrasse 43.
Hr. Dr. A. Lindemann, Berlin NW., Gerhardstrasse 7.
222
Erweiterung der Laplace' sehen
MxUnetionstheorie des Sternenlichtes;
von Alexander Gleichen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 30. November 1900.)
(Vgl. oben S. 221.)
1. Sinleitende Bemerkungen.
Die Atmosphäre der Erde denken wir uns im Normalzu-
stand concentrisch geschichtet, wobei Dichte l und Brechungs-
exponent fi nach der Erdoberfläche hin beständig zunehmen.
Ein Lichtstrahl, der aus dem Unendlichen kommend die Atmo-
sphäre durchdringt, beschreibt die „Lichtcurve". Zieht man
durch einen Punkt P dieser Curve eine Tangente und ausser-
dem den Radiusvector r^ nach dem Mittelpunkt der Erde M
und nennt i den spitzen Winkel, den beide miteinander bilden,
so ist bekanntlich das Product fjL r^ sin i für alle Punkte der
Curve dieselbe constante Grösse, wo fi den Brechungsexpo-
nenten an der betreflfenden Stelle darstellt.
In Fig. 1 sei nun ABC die Lichtcurve, und zwar B die
Eintrittsstelle in die Atmosphäre, sodass also das Stück AB
Nr. 16.] Sitzung vom 30. November 1900. 223
als gerade Linie angesehen werden muss. MN und MN^ sind
die Eadiivectores in den Punkten B und 67, wo M den Erd-
mittelpunkt bedeutet. Der oben definirte Winkel i geht für
die Eintrittsstelle in den Winkel A B N^ = a und für Punkt
C in die scheinbare Zenithdistanz NCQ = z über, wo die
Gerade CQ Tangente an die Lichtcurve in C ist. Schliess-
lich wird noch der Winkel AQK = &, den diese Tangente mit
der verlängerten Ä B bildet , als Refraction im Punkte C be-
zeichnet. Schliesslich werde noch bezeichnet der Erdradius
MG mit (>, die Strecke MB mit Ä, Br.echungsexponent an der
Erdoberfläche mit (Xq. Bildet man jetzt das oben angegebene
Product für die beiden Punkte B und 6', so erhält man, wenn
man den Brechungsexponenten im leeren Raum gleich der
Einheit setzt, die Gleichung:
(1) R^ina = iIq,q sin z,
die wir weiter unten verwenden werden.
2. Die Iiaplaoe'sche iExtinctionstheorie.
Nehmen wir an, längs der Lichtcurve ABC werde eine
gewisse Lichtmenge transportirt, die bei C in das Objectiv
eines Femrohres resp. Photometers gelange, und setzen dabei
voraus, dass SC die optische Axe dieses Instrumentes sei,
dann gelangt man zu den von Laplace zuerst entwickelten
sogen. Extinctionsgleichungen, die auch heute noch allgemein
in Gebrauch sind, durch folgende Annahmen:^) An irgend einer
Stelle der Lichtcurve erleidet die Helligkeit / einen Verlust
dJ^ der proportional ist der dort herrschenden Dichte X und
dem Elemente ds Aqx Lichtcurve, über das hier der Trans-
port stattfand, sowie schliesslich noch der Helligkeit selbst.
Dann hat man
(2) dJ= ^ A.J.l ds,
wo A eine von den Integrationsvariabein unabhängige Grösse ist.
Integrirt man 2) über die ganze Lichtcurve, setzt die
Helligkeit im leeren Raum = J, an der Oberfläche der Erde
1) Vgl. z. B. Seeliqek, Akad. d. Wissensch. zu München 21. 1891.
224 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 16.
e/g und setzt ferner das ebenfalls über die ganze Curve aus-
gedehnte Integral
(3) e-f = ß,
SO hat man:
(4) /, = /. ß.
Die Integration von fi und die Darstellung dieser Grösse
für verschiedene Zenithdistanzen z in Gleichungen und Ta-
bellen bilden bekanntlich den Inhalt der LAPLACE*8chen Ex-
tinctionstheorie.
In neuerer Zeit^) schreibt man ß gewöhnlich in der
Form p^j wo p der sogenannte Transmissionscoefficient ist,
d. h. der Quotient eZ/J^, wenn J^ die Helligkeit für die
Zenithdistanz 2: = ist und / eine nach der Laplace' sehen
Theorie festzustellende Grösse bedeutet. Nebenbei bemerkt
ist nach den besten Beobachtungen des astrophysikalischen
Institutes zu Potsdam p = 0,835, während nach den allerdings
nicht ganz einwandsfreien Messungen von Langley p = 0,6
circa ist.
Demnach hat man nach (4)
(5) J^-^J.f-
3« Erweiterung der Theorie.
Die an der Lichtcurve entlang transportirte Lichtmenge
ist beim Zutritt ins Femrohr über die ganze als kreisförmig
vorausgesetzte Objectivöffnung verteilt. Denkt man sich nun
alle ins Femrohr dringenden Strahlen rückwärts verfolgt, so
werden sie einen gekrümmten Strahlenkörper darstellen, der
im leeren Raum zu einem Cylinder degenerirt, und dessen
Axe bez. Schwerlinie die oben angegebene Lichtcurve ist
An der Eintrittsstelle ins Fernrohr ist der axensenkrechte
Querschnitt des Strahlenkörpers ein Ejreis und fällt mit der
ObjectivöfiEhung zusammen, an allen anderen Stellen hat er eine
andere — im allgemeinen — elliptische Gestalt. Denkt man
sich nämlich durch die Fernrohraxe und den Zenith eine
1) Vgl. z. B. G. Müller u. P. Kempp, Public, d. Afitrophysik.
Observ. zu Potsdam Nr. 38. 1898.
Nr. 16.] Sitzung vom 30. November 1900. 225
Ebene gelegt (Meridionalebene), so werden hierdurch eine An-
zahl von Strahlen, die ins Objectiv dringen, herausgeschnitten
und zwar verlaufen die Lichtcurven dieser Strahlen vollständig
in dieser Ebene, sind jedoch nicht streng parallel, insbesondere
.bilden die Strahlen, die an dem oberen und unteren Rand-
punkte des Objectives einfallen, infolge der verschiedenen
Brechungen in der Atmosphäre einen,, wenn auch kleinen
Winkel miteinander. Denkt man sich ferner durch die optische
Axe des Fernrohres eine zweite Ebene, die auf der ersteren
senkrecht ist (Sagittalebene), so werden auch die Strahlen
dieser Ebene nicht streng parallel sein und werden ausserdem,
wenn man dem Strahlenkörper folgt, von Punkt zu Punkt
andere Einfallsebenen haben. Der Strahlenkörper hat infolge
dessen veränderliche Dicke. Gegenüber dem Querschnitt im
leeren Raum wird nun eine Verengung oder Erweiterung
Vermehrung oder Verminderung der Helligkeit an der be-
trefifenden Stelle zur Folge haben. Auf diesen Umstand nimmt
die Theorie von Laplaoe keine Rücksicht und es scheint bis-
jetzt unbekannt zu sein, wie stark dieser Einfiuss sich auf
die Resultate der photometrischen Messungen wird geltend
machen können. Es sei schon hier bemerkt, dass dieser Ein-
fiuss von ganz anderer Art ist, wie der der Absorption, indem
durch ihn die Helligkeit in der Nähe des Zeniths vermehrt,
nach dem Horizont hin dagegen vermindert wird. In der
Theorie von Laplaoe wird gewissermaassen stillschweigend die
Voraussetzung gemacht, dass der Strahlenkörper überall con-
stante Dicke habe.
4. Aufstellung der strengen Differentialgleichung.
In Fig. 2 sei ein Stück des Strahlenkörpers von der
Länge ds an einer beliebigen Stelle der Atmosphäre dargestellt.
Die einfallende Lichtmenge L haben den Quer-
schnitt q, die austretende L + dL den Quer-
schnitt q + dq. Dann ist zunächst
(1) dL= - ÄL,Xds,
wo die Grössen Ä, l, ds A\q oben angegebene
Bedeutung haben.
226 Verhandlungen der Deutschen Physikal. GeseUschaft. [Nr. 16.
Die Helligkeit / des eintretenden Lichtes ist die durch
die Flächeneinheit dringende Menge; also hat man.
(2) e7=^
und analog für die Helligkeit des austretenden Lichtes
L-¥dL
(3) J+dJ^
q + dq
Eliminirt man aus diesen drei Gleichungen die Grössen
L und dL und unterdrückt das Glied dJ.dq^ so erhält man:
(4) ^ + ^=_4;irf,.
Wenn man über die ganze Lichtcurve integrirt und den
Querschnitt des Strahlenkörpers im leeren Raum mit q, an
der Erdoberfläche mit q^ bezeichnet und bedient sich der in
§ 2 eingeführten Bezeichnungen, so erhält man:
oder auch:
(5) '^. = T-P'
Um den durch die Brechung hervorgerufenen Defor-
mationen des Strahlenkörpers Rechnung zu tragen, hat man
also die nach der Theorie von Laplace erhaltenen Helligkeiten
nur mit dem Factor q/q^ zu multipliciren, wo q^ die Oeffnung
des Fernrohres bez. Photometers und q der ^Querschnitt des
zugehörigen Strahlenkörpers im leeren Räume ist.
6. Der Correctionsfaotor q/q,.
Der Factor q/q^ lässt sich nun in aller Strenge herleiten,
wenn man nur die gewiss zutreffende Annahme macht, dass
die den Strahlenkörper constituirenden Strahlen unter sich sehr
kleine Winkel bilden. Besonders auffallend ist dabei folgendes.
Der Wert q/q^ ist für eine vorgeschriebene Zenithdistanz
z nur abhängig von dieser Zenithdistanz und von der Grösse
der Refraction &, die bei dieser Zenithdistanz vorhanden ist,
sowie von den Aenderungen dieser beiden Grössen und schliess-
Nr. 16.]
Sitzung vom 30. November 1900.
227
lieh noch von dem Brechungsexponenten der Luft fi^ an der
Oberfläche der Erde. Im übrigen zeigt sich q/q^ von jeder
besonderen Annahme über die Höhe und die Constitution der
Atmosphäre, also damit von jeder Refractionstheorie unabhängig.
Wie wir weiter zeigen werden, ergiebt sich nämlich:
(1)
fi^ sin X
.sin(.^.^)(x + ^|)
Die Form dieses Ausdruckes gestattet es, ihn unmittelbar
aus einer der vorhandenen Tabellen für die Refractionen aus-
zuwerten. Im Folgenden sind die BESSEL'schen Refractions-
tafeln zu Grunde gelegt. Die angegebenen Zahlen sind die
reciproken Werte des Correctionsfactors :
Zenith-
Qz
distanz
Q
90^
1,20695
S9^ 30'
1,16666
SS'»
1,12861
88<» 30'
1,09719
88<>
1,07491
87° 30'
l,tf6144
87°
1,05071
86<» 30'
1,03999
86<>
1,03335
85" 30'
1,02969
85«
1,02503
84'» 30'
1,02155
84<'
1,02089
Zenith-
?«
distanz
^
83« 30'
1,01622
83«
1,01439
82«
1,01123
. 81«
1,00907
80«
1,00741
70«
1,00142
60«
1,00017
50«
0,999759
40«
0,999565
30«
0,999454
20«
0,999399
10«
0,999379
0«
0,999099
6. Discussion der Tabelle.
Die Zahlen der Tabelle geben den axensenkrechten Quer-
. schnitt des Strahlenkörpers an der Erdoberfläche, wenn man
den Querschnitt im leeren Raum gleich der Einheit setzt. Für
einen im Horizont stehenden Stern ist der Correctionsfactor
1,20695
= 0,829,
228 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 16.
das heisst, die Helligkeit ist circa 17 Proc. geringer als
die Grösse, welche man aus der uncorrigirten Laplaoe' sehen
Formel erhalten würde. Mit abnehmender Zenithdistanz nähert
sich dieser Factor schnell der Einheit; bei 59^ circa wird er
streng der Einheit gleich; in diesem Falle sind also die beiden
Querschnitte gleich. In der Nähe des Zenithes findet dann eine
allerdings sehr minimale Helligkeitszunahme statt.
Von der Existenz und noch weniger von der Grösse des
Factors qjq^ hatte man wohl bisher kaum eine Vorstellung.
Hätte er sich in der ersten Decimalstelle um einige Einheiten
kleiner ergeben, was doch a priori nicht zu erkennen war, so
wäre dadurch das ganze System der modernen Astrophoto-
metrie berührt, indem die unter verschiedenen Zenithdistanzen
gemessenen Helligkeiten nicht in die richtige Beziehung zu
einander gebracht wären. Ein Blick auf die Tabelle lehrt
den Einfluss dieses Factors genau erkennen. Die Helligkeit
im Horizont wird um ca. 17 Proc. geändert. Setzt man die
theoretische Helligkeit, die ein Stern im Zenith hätte, gleich
der Einheit, und nimmt man an, dass die Helligkeitsmessungen
in verschiedenen Zenithdistanzen noch zwei Decimalen dieser
Einheit genau ergäben, so macht der Einfluss des Factors
sich geltend auf die Helligkeiten zwischen z = 80^ und z = 90^.
Sollte es in der Zukunft einmal erreicht werden, durch ver-
feinerte Messungen auch noch eine dritte Decimale zu be-
stimmen, so würde der Factor für alle Messungen zu berück-
sichtigen sein, mit Ausnahme der um ;2: = 60^ herum befindlichen
Indifferenzzone.
7. Herleitung des Ausdruckes für qjq».
Der Kreis um M mit dem Radius MB ^ R (Fig. 3) stelle
einen Schnitt durch die Atmosphäre, der Kreis mit dem Radius
NC^Q den entsprechenden durch die Erde dar. Ein Lichtstrahl
aus dem leeren Raum nehme den Weg AB, beschreibe die
Lichtcurve bis C, welche im Punkte C zur Tangente die Gerade*
CB hat. Die letztere bildet mit MN den Winkel 2: = Zenith-
distanz und mit der verlängerten AB den Winkel t9' = Re-
fraction. Wir verbinden nun B und C geradlinig miteinander,
und setzen
Nr. 16.]
Sitzung vom 30. November 1900.
229
^MBC =/9,
^BCN =/?'.
Schliesslich ist noch durch M eine J^arallele zm AB ge-
gezogen und es sind von B und C darauf die Lote ^
BT^R^ma
und
CU=^ Q sin {z + 1?-)
gefällt.
Wir betrachten jetzt ein in Richtung AB \\ Ä' B' parallel-
strahlig einfallendes sehr dünnes Lichtbündel. Die Haupt-
ebene sei die Papierebene. Ein zweiter Strahl des Bündels
4
^:f^^i^
?/ ay
1-^
A^s^
/*'
«.it> y^
v>. -*•/»'
^
~^
/
^
f
^5^>.
im Hauptschnitt lege den Weg A' B' geradlinig, dann ge-
krümmt den Weg B' JD' zurück. CD' sei Tangente an die
Lichtcurve im Punkte C Wii: verbinden B' C geradlinig und
man verlängert B' C\ bis sie die verlängerte Strecke B C
in S schneidet. Der hypothetische Punkt S entspricht einem
virtuellen Vereinigungspunkt.
Wir stellen jetzt folgende Punkte fest:
a) Die Strecke B S = b ist gegeben durch den Ausdruck
(la)
b = JRcosß ,^ "
^ dp— da
wie auf folgende Weise gezeigt werden kann.
230 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 16.
Da die beiden Parallelen AB und Ä' ff mit den Rich-
tungen MN^ und MN^' die Winkel cc und a — da bilden,
so bilden die beiden letzteren Richtungen miteinander den
Winkel da, sodass man also hat: -^S MB'= da
Da ferner die Jpeiden letztgenannten Richtungen M N^
und MN^' mit den Richtungen SBC nnäSffC die Winkel ß
und ^—(//S bilden, so hat man auch ^BSff^^dr^dß'-da.
Das Bogenelement Bff kann man nun einmal aus dem
Dreieck BSB\ das andere Mal aus dem gleichschenkligen
Dreieck MBB' ausdrücken und erhält durch Gleichsetzung:
bdt jy ,
= IC da,
C08|9
woraus der Wert (la) folgt.
b) Der Flächeninhalt der kleinen Ellipse, in welcher "das
einfallende Bündel die Atmosphäre schneidet, kann proportional
gesetzt werden dem Product def beiden kleinen Strecken BB'
und einer auf Bff und der Papierebene senkrecht stehenden
zweiten kleinen Strecke, die wir als „kleinen Durchmesser"
der Ellipse bezeichnen wollen. Dieser kleine Durchmesser ist
proportional der Strecke BT=Rsma, was man aus einer
kleinen Drehung der Figur um die Axe MT erkennt. Analog
hat die Ellipse, in welcher das betrachtete Bündel die Erd-
oberfläche schneidet, die grosse Axe CC und als kleine Axe
eine Strecke, die dem Lote CU =^ ()sm{z + &) proportional
ist. Betrachten wir an der Stelle B verschieden geneigte
Schnitte unseres Bündels, die aber immer senkrecht auf der
Papierebene stehen sollen, so sind demnach die kleinen Axen
derselben immer constant, während die grossen Axen ihrer
Neigung entsprechend verändert werden. Einer in der geo-
metrischen Optik ganz gewöhnlichen Auffassungsweise zufolge
gehen durch die Endpunkte der kleinen Axe die beiden das
Bündel seitlich begrenzenden sogenannten Sagittalstrahlen.
Wegen des symmetrischen Verlaufes dieser beiden Strahlen
müssen sie sich im Punkte D (bez. J)') auf der Geraden UM
nach der Brechung schneiden.
c) Nennt man bei B die ursprüngliche grosse Axe Bff=zv,
bei C entsprechend v und legt man bei B und C Schnitte
Nr. 16.] Sitzung vom 30. November 1900. 231
senkrecht zur Richtung B C, nennt die neuen grossen Axen u
und Uj so ist:
u = V cos ß y
u ^ zj'cos ß' .
Legt man dann durch B einen Schnitt senkrecht zur Ein-
fallsrichtung AB^ und durch C einen senkrecht zu CD^ d. h.
also senkrecht zur Visionsrichtung eines Beobachters in 6',
und nennt die grossen Axen dieser Schnitte w und w\ so ist:
tu = ü cosa,
w = V cos z ,
Hieraus folgt:
cos « . cos ß' _^ w u'
cos % . cos f^ w' u
Aus der Fig. 3 ersieht man nun, dass infolge ähnlicher
Dreiecke ist:
u' _ ÖS
u '^ BS'
Nennt man BC = e, so hat man also:
u' __ e + b
u h
Also ist:
^ -(•+!)■
cos % . cos ß
cos a . cos ^
Nennen wir also q und q^ die Schnitte des Lichtbtindels
beim Ein- und Austritt der Atmosphäre, und zwar senkrecht
zur Lichtbewegung in diesen Punkten, so sind w und w'
die in der Meridionalebene liegenden grossen Axen dieser als
elliptisch angenommenen Schnitte. Um das Verhältnis der
Querschnitte in diesen beiden Punkten zu erhalten, d. h. in
B und in C, muss man das Verhältnis w' jw multipliciren mit
dem Verhältnis der kleinen Axen dieser Schnitte, die sich
im sagittalen Teile des Bündels befinden. Dieses letztere
Verhältnis ist aber, wie eben ausgeführt, durch den Quotienten
sin{2: + i9')/sinoj ausgedrückt, sodass man erhält:
,Tv ^* — ^ /l j_ ^^ sin (« + i9-) cos j& cos I?
^ ^ q ~' R \ h ) sin a cos a cos ^
Unsere Aufgabe ist jetzt, den Ausdruck qjq durch die
Grössen z und ß- auszudrücken.
232 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 16.
Aus dem Dreieck BCM folgt:
M\ sin (|?'-|9)
(2) (>sin/9'= Äsiii/9.
Nach dem Grundgesetz der Refractionstheorie ist ferner,
wie in der Einleitung erwähnt:
(3) sin« = "l^jU^sinr,
wo iiq der Brechungsexponent im Punkte C ist.
Aus der Fig. 3 erhält man schliesslich noch leicht:
(4) ß'-ß^ß^ + z-a,
Durch Diflferentiation von (2), (3) und (4) folgt ferner:
(5) (jcosß' aß" = R cos ßccß,
(6) cos ada = -^* fi^cosz dz ,
(7) dß^'-dß^di^ -{- dz^da.
Diese sieben Gleichungen müssen zur Reduction des Aus-
druckes (I) benutzt werden. Dies kann auf folgende Weise ge-
schehen.
Aus b in (7) folgt:
Eliminirt man hieraus mittels (5) die Grösse dß\ so wird,
wenn man die nachstehende Gleichung noch durch Gleichung (6)
dividirt:
(8)
\ Q eosß , ) da ^ \ B ^ cosn 1
cos a Q _
Wir setzen nun vorübergehend:
,Q. R cos /? _ - __ sin^' cos/g __ - _ 8in(|g'--|g) _
^ ' ^ cos/?' "" sin |9 ' QOQ^ ~~ sin /^. cos /^' ~ 7o'
^^^' 8in,9'co8(? P'
,^^. . q COS» .. sin a C08 x sin {% — « ) _.
^ ' Ä "•* cos« sm*cos« sin»coB«
Nr. 16.] Sitzung vom 80. November 1900. 233
Ferner ist:
b sin p> R cos ß da
wenn man den oben angegebenen Wert für
b =
R cos ßda
dß-da
einführt.
Nach Gleichung (2) ist dann unter Berücksichtigung von (10) :
^^ b '^ sinß'.cosß [da )^^'\da )'
Mittels Gleichung (9) und (11) kann man Gleichung (8)
nun schreiben:
/iQN dß d%
(13) q,^= ^_^ •
Unter Berücksichtigung dieser Gleichung wird (12):
/ d& \ (d& \
b P'\q^,{l-r) ^j-P (/o.(l-^)
und
j (\
P^— +pr-pqo+Pq(,r + qo-q^r
1+«= ö*
b so-a-»-)
Dividirt man diese Gleichung durch p .q.r, so wird :
('^t)
(1-^) ^ J_..^^ + Jl.__L + 1 + J__ A.
Beachtet man nun, dass zwischen/? und q^ die identische
Gleichung
V--^=l
P Qo
besteht, so wird der letztere Ausdruck:
also ist
V b) p qo dx p qo \dz )
234 VeriuuidlmigCT der Deataehen PhjaikaL GeseDBcbalt [Nr. 16.
und mit Berücksichtigang von (9), (10), (11) und (2):
(14) 1 + 4 = ^.«Li^^ .(l + 4^).
Setzt man diesen Au^ulruck ein in den Ansdrock (I) für
9zl^j9 so wird
q B.mnn .f*o V ^^ )
und zufolge Gleichung (3):
q liiänx \ dx )'
Druck TOD MetEger A Wittig in Leipzig.
Jahrgr- 2.
Hr. 17.
Verhandlungen
der
Deutschen Physikalischen G-esellschaft.
Stitzang Tom 14. December 1900.
Vorsitzender: Zuerst Hr. E. Warburg, dann Hr. 0. Lummer.
Der Vorsitzende macht der Gesellschaft davon
Mitteilung, dass sie in letzter Zeit zwei langjährige
auswärtige Mitglieder durch den Tod verloren hat:
und
Anton Oberbeck,
Professor der Physik an der Universität in Tubingen
Eduard Eetteler,
Professor der Physik an der Akademie in Münster.
Die Anwesenden erheben sich zu ehrendem Ge-
dächtnis der Verstorbenen.
Hr. M. Planck spricht zuerst
über das sogenannte WiEN'sche Paradoxon
und darauf
zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung
im Normalspectrum.
236 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 17.
Hr. H. Blesselhorst berichtet dann
über die bisherigen Bestimmungen der Wärmeleitung.
Als Mitglieder werden in die Gesellschaft aufgenommen:
Hr. Dr. E. Gbüneisen, Charlottenburg, Kantstr. 148,
Hr. Dr. Fe. Dolezalek, Charlottenburg, Cauerstr. 34,
Hr. Dr. F. Bidlingmaieb, Potsdam, Meteorologisch-magnet.
Observatorium.
237
Zur Th^eorie des Gesetzes
der JEnergieverteilung im Normalspectrum;
von M. Planck.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 14. December 1900.)
(Vgl oben S. 235.)
M. H.! Als ich vor mehreren Wochen die Ehre hatte,
Ihre Aufmerksamkeit auf eine neue Formel zu lenken, welche
mir geeignet schien, das Gesetz der Verteilung der strahlenden
Energie auf alle Gebiete des Normalspectrums auszudrücken ^),
gründete sich meine Ansicht von der Brauchbarkeit der Formel,
wie ich schon damals ausführte, nicht allein auf die anscheinend
gute Uebereinstimmung der wenigen Zahlen, die ich Ihnen
damals mitteilen konnte, mit den bisherigen Messungsresultaten ^,
sondern hauptsächlich auf den einfachen Bau der Formel und
insbesondere darauf, dass dieselbe für die Abhängigkeit der
Entropie eines bestrahlten monochromatisch schwingenden Re-
sonators von seiner Schwingungsenergie einen sehr einfachen
logarithmischen Ausdruck ergiebt, welcher die Möglichkeit
einer allgemeinen Deutung jedenfalls eher zu versprechen
schien, als jede andere bisher in Vorschlag gebrachte Formel,
abgesehen von der WiEN'schen, die aber durch die Thatsachen
nicht bestätigt wird.
Entropie bedingt Unordnung, und diese Unordnung glaubte
ich erblicken zu müssen in der Unregelmässigkeit, mit der
auch im vollkommen stationären Strahlungsfelde die Schwin-
gungen des Eesonators ihre Amplitude und ihre Phase wechseln,
sofern man Zeitepochen betrachtet, die gross sind gegen die
Zeit einer Schwingung, aber klein gegen die Zeit einer Messung.
Die constante Energie des stationär schwingenden Resonators
1) M. Planck, Verband!, der Deutschen Physikal. Gesellscb. 2.
p. 202. 1900.
2) Inzwischen haben die Herren H. Rubens und F. Kurlbaüh
(Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin vom 25. October 1900,
p. 929) für sehr lange Wellen eine directe Bestätigung gegeben.
238 VerhandluDgeD der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 17.
ist danach nur als ein zeitlicher Mittelwert aufzufassen, oder,
was auf dasselbe hinauskommt, als der augenblickliche Mittel-
wert der Energien einer grossen Anzahl von gleichbeschaffenen
Resonatoren, die sich im nämlichen stationären Strahlungsfelde
weit genug entfernt voneinander befinden, um sich nicht gegen-
seitig direct zu beeinflussen. Da somit die Entropie eines
Resonators durch die Art der gleichzeitigen Energieverteilung
auf viele Resonatoren bedingt ist, so vermutete ich, dass sich
diese Grösse durch Einführung von Wahrscheinlichkeitsbetrach-
tungen, deren Bedeutung für den zweiten Hauptsatz der Thermo-
dynamik Hr. L. BoLTZMANN^) zuerst aufgedeckt hat, in die
elektromagnetische Theorie der Strahlung würde berechnen lassen
müssen. Diese Vermutung hat sich bestätigt; es ist mir
möglich geworden, einen Ausdruck für die Entropie eines mono-
chromatisch schwingenden Resonators, und somit auch für die
Verteilung der Energie im stationären Strahlungszustand, d. h.
im Normalspectrum, auf deductivem Wege zu ermitteln, wobei
es nur nötig wird, der von mir in die elektromagnetische
Theorie eingeführten Hypothese der „natürlichen Strahlung"
eine etwas weitergehende Fassung zu geben als bisher. Ausser-
dem aber haben sich hierbei noch andere Beziehungen ergeben,
die mir für weitere Gebiete der Physik und auch der Chemie
von erheblicher Tragweite zu sein scheinen.
Indessen liegt mir heute nicht sowohl daran, jene Deduction,
welche sich auf die Gesetze der elektromagnetischen Strahlung,
der Thermodynamik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung stützt,
hier systematisch in allen Einzelheiten durchzuführen, als viel-
mehr daran, Ihnen den eigentlichen Kernpunkt der ganzen
Theorie möglichst übersichtlich darzulegen, und dies kann
wohl am besten dadurch geschehen, dass ich Ihnen hier ein
neues, ganz elementares Verfahren beschreibe, durch welches
man, ohne von einer Spectralformel oder auch von irgend einer
Theorie etwas zu wissen, mit Hülfe einer einzigen Natur-
constanten die Verteilung einer gegebenen Energiemenge auf
die einzelnen Farben des Normalspectrums, und dann mittels
einer zweiten Naturconstanten auch die Temperatur dieser
1) L. BoLTZHAMN, namentlich Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch.
zu Wien (II) 76. p. 373. 1877.
Nr. 17.] Sitzung vom 14. December 1900. 239
EnergiestraUung zahlenmässig berechnen kann. Es wird Ihnen
bei dem anzugebenden Verfahren manches willkürlich und um-
ständlich erscheinen, aber ich lege hier, wie gesagt, nicht
Wert auf den Nachweis der Notwendigkeit und der leichten
praktischen Ausführbarkeit, sondern nur auf die Klarheit und
Eindeutigkeit der gegebenen Vorschriften zur Lösung der
Aufgabe.
In einem von spiegelnden Wänden umschlossenen diather-
manen Medium mit der Lichtfortpflanzungsgeschwindigkeit c be-
finden sich in gehörigen Abständen voneinander eine grosse Anzahl
von linearen monochromatisch schwingenden Resonatoren, und
zwar N mit der Schwingungszahl v (pro Secunde), N' mit der
Schwingungszahl i^', N" mit der Schwingungszahl v" etc., wobei
alle N grosse Zahlen sind. Das System enthalte eine gegebene
Menge Energie: die Totalenergie E^^ in erg, die teils in dem
Medium als fortschreitende Strahlung, teils in den Resonatoren
als Schwingung derselben auftritt Die Frage ist, wie sich
im stationären Zustand diese Energie auf die Schwingungen
der Resonatoren und auf die einzelnen Farben der in dem
Medium befindlichen Strahlung verteilt und welche Temperatur
dann das ganze System besitzt.
Zur Beantwortung dieser Frage fassen wir zuerst nur die
Schwingungen der Resonatoren ins Auge, und erteilen ihnen
versuchsweise bestimmte willkürliche Energien, nämlich den
N ResonBitoren v etwa die Energie E^ den N' Resonatoren i/
die Energie E' etc. Natürlich muss die Summe:
E+W + E"+...^E^
kleiner sein als E^. Der Rest E^ - E^ entfällt dann auf die
im Medium befindliche Strahlung. Nun ist noch die Verteilung
der Energie auf die einzelnen Resonatoren innerhalb jeder
Gattung vorzunehmen, zuerst die Verteilung der Energie E
auf die N Resonatoren mit der Schwingungszahl «/. Wenn E
als unbeschränkt teilbare Grösse angesehen wird, ist die Ver-
teilung auf unendlich viele Arten möglich. Wir betrachten
aber — und dies ist der wesentlichste Punkt der ganzen Be-
rechnung — E als zusammengesetzt aus einer ganz bestimmten
Anzahl endlicher gleicher Teile und bedienen uns dazu der
Naturconstanten A = 6,55 . 10-27 ^erg x sec]. Diese Constante
240 Verhandlungen der Deutschen Physika!. Gesellschaft. [Nr. 17.
mit der gemeinsamen Schwingungszahl v der Eesonatoren
multiplicirt ergiebt das Energieelement € in erg, und durch
Division von U durch e erhalten wir die Anzahl P der Energie-
elemente, welche unter die N Resonatoren zu verteilen sind.
Wenn der so berechnete Quotient keine ganze Zahl ist, so
nehme man für P eine, in der Nähe gelegene ganze Zahl.
Nun ist einleuchtend, dass die Verteilung der P Energie-
elemente auf die N Resonatoren nur auf eine endliche ganz
bestimmte Anzahl von Arten erfolgen kann. Jede solche Art
der Verteilung nennen wir nach einem von Hm. Boltzmann für
einen ähnlichen Begriff gebrauchten Ausdruck eine „Complexion^f.
Bezeichnet man die Resonatoren mit den Ziffern 1, 2, 3 . . .
bis Ny schreibt diese der Reihe nach nebeneinander, und setzt
unter jeden Resonator die Anzahl der auf ihn entfallenden
Energieelemente, so erhält man für jede Gomplexion ein Symbol
von folgender Form:'
123456789 10
7 38 11 9 2 20 4 4 5
Hier ist iV=10, P=100 angenommen. Die Anzahl aller
möglichen Complexionen ist offenbar gleich der Anzahl aller
möglichen Ziflfernbilder, die man auf diese Weise, bei be-
stimmtem N und P, für die untere Reihe erhalten kann. Um
jedes Missverständnis auszuschliessen, sei noch bemerkt, dass
zwei -Complexionen als verschieden anzusehen sind, wenn die
entsprechenden Ziflfernbilder dieselben Ziflfern, aber in ver-
schiedener Anordnung, enthalten. Aus der Combinationslehre
ergiebt sich die Anzahl aller möglichen Complexionen zu
iV^.(iV^+ l).(iV^+2)...(iV^+ P- 1) _ (N-hP- 1)!
1. 2 . 3 ... P " (N- 1)\ PI
und mit genügender Annäherung
^ (iV + P)^+^
Dieselbe Rechnung führen wir bei den Resonatoren der
übrigen Gattungen aus, indem wir für jede Resonatorgattung
die Anzahl der bei der für sie angenommenen Energie möglichen
Complexionen bestimmen. Die Multiplication aller so erhal-
tenen Zahlen ergiebt dann die Gesamtzahl JR der bei der ver-
Nr. 17.] Sitzung vom 14. December 1900. 241
Suchsweise vorgenommenen Energieverteilung in allen Reso-
natoren zusammengenommen möglichen Complexionen.
So entspricht auch jeder anderen willkürlich vorgenomme-
nen Energieverteilung E, E\ W, . . . eine in der angegebenen
Weise zu bestimmende Zahl 91 von möglichen Complexionen.
unter allen Energieverteilungen nun, welche bei constant gehal-
tenem Eq^ E+ E'+ E"+ . . . möglich sind, giebt es eine
einzige ganz bestimmte, für welche die Zahl der möglichen
Complexionen ^^ grösser ist als für jede andere; diese Energie-
verteilung suchen wir auf, eventuell durch Probiren; denn sie
ist gerade diejenige, welche die Resonatoren im stationären
Strahlungsfelde annehmen, wenn sie insgesamt die Energie ^^
besitzen. Dann lassen sich alle Grössen E^ E\ E" . . . durch
die eine Grösse E^ ausdrücken. Durch Division von E durch iV,
von E' durch N' etc. erhält man dann den stationären Wert
der Energie U^ , Uy^ , Uyl» ... eines einzelnen Resonators einer
jeden Gattung, und daraus auch die räumliche Dichtigkeit der
dem Spectralbezirk v bis v -{- dv angehörenden strahlenden
Energie im diathermanen Medium:
Uyav= — 3 — Uydv,
wodurch auch die in dem Medium enthaltene Energie be-
stimmt ist.
Von allen angeführten Grössen erscheint jetzt nur noch
Eq als willkürlich gewählt. Man sieht aber leicht, wie auch
noch Eq aus der gegebenen totalen Energie E^ zu berechnen
ist. Denn wenn der gewählte Wert von E^ etwa einen zu
grossen Wert von E^ ergeben sollte, so ist er entsprechend zu
verkleinern, und umgekehrt
Nachdem so die stationäre Energieverteilung mit Hülfe
der einen Gonstante h ermittelt ist, findet man die entsprechende
Temperatur iSh in Celsiusgraden mittels einer zweiten Natur-
constanten k = 1,346. 10-^^ [ergrgrad] durch die Gleichung:
1 __ . dlog%
Das Product Alogifto ist die Entropie des Systems der Reso-
natoren; sie ist die Summe der Entropien aller einzelnen
Resonatoren.
242 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 17.
Es würde nun freilich sehr umständlich sein, die ange-
gebenen Eechnungen wirklich auszuführen, obwohl es gewiss
nicht ohne Interesse wäre, an einem einfachen Fall einmal
den so zu erreichenden Grad von Annäherung an die Wahr-
heit zu prüfen. Viel directer zeigt eine allgemeinere, genau
an der Hand der gegebenen Vorschriften ausgeführte durchaus
mühelose Rechnung, dass die auf solche Weise bestimmte
normale Ekiergieverteilung im durchstrahlten Medium dargestellt
wird durch den Ausdruck:
Snhv* dv
Uydv =
C» h.
e^'' -1
welcher genau der von mir früher angegebenen Spectralformel
entspricht:
Die formalen Abweichungen sind bedingt durch die Unter-
schiede in der Definition von tt^ und JS^. Die obere Formel
ist insofern etwas allgemeiner, als sie für ein ganz beliebiges
diathermanes Medium mit der Lichtfortpflanzungsgeschwindig-
keit c gilt. Die mitgeteilten Zahlenwerte von k und k habe
ich aus dieser Formel nach den Messungen von F. Kuelbaum^)
und von 0. Lummeb und E. Peingsheim^) berechnet.
Ich wende mich noch mit einigen J^urzen Bemerkungen
zu der Frage nach der Notwendigkeit der angegebenen De-
duction. Dass das für eine Eesonatorgattung angenommene
Energieelement 6 proportional sein muss der Schwingungs-
zahl Vy lässt sich unmittelbar aus dem höchst wichtigen
Wien 'sehen sogenannten Verschiebungsgesetz folgern. Die
Beziehung zwischen u und U ist eine der Grundgleichungen
der elektromagnetischen Strahlungstheorie. Im übrigen basirt
die ganze Deduction auf dem einen Satz, dass die Entropie
eines Systems von Resonatoren mit gegebener Energie pro-
portional ist dem Logarithmus der Gesamtzahl der bei dieser
1) F. KuBLBAüM, Wied. Ann. 65. p. 759. 1898 (aSiqo - ^o =
0,0781 Watt ; cm«).
2) O. LuiofEB u. E. Pringsheim, Verhandl. d. Deutsch. PhyBik.
Geaellsch. 2. p. 176. 1900 (A„ ^ = 2940 gi x grad).
[Nr. 17. Sitzung vom 14. December 1900. 243
Energie möglichen Gomplexionen, und dieser Satz lässt sich
seinerseits zerlegen in zwei andere: 1. dass die Entropie des
Systems in einem bestimmten Zustand proportional ist dem
Logarithmus der Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes, und
2. dass die Wahrscheinlichkeit eines jeden Zustandes propor-
tional ist der Anzahl der ihm entsprechenden Complexionen,
oder mit anderen Worten, dass irgend eine bestimmte Com-
plexion ebenso wahrscheinlich ist als irgend eine andere be-
stimmte Complexion. Der 1. Satz kommt, auf Strahlungs-
Yorgänge angewandt, wohl nur auf eine Definition der Wahr-
scheinlichkeit eines Zustandes hinaus, insofern man bei der
Energiestrahlung von vornherein gar kein anderes Mittel be-
sitzt, um die Wahrscheinlichkeit zu definiren, als eben die Be-
stimmung der Entropie. Hier liegt einer der Unterschiede
gegenüber den entsprechenden Verhältnissen in der kinetischen
G-astheorie. Der 2. Satz bildet den Kernpunkt der ganzen
vorliegenden Theorie; sein Beweis kann in letzter Linie nur
durch die Erfahrung geliefert werden. Er lässt sich auch als
eine nähere Präcisirung der von mir eingeführten Hypothese
der natürlichen Strahlung auffassen, die ich bisher nur in der
Form ausgesprochen habe, dass die Energie der Strahlung
sich vollkommen „unregelmässig^^ auf die einzelnen in ihr ent-
haltenen Partialschwingungen verteilt.^) Ich beabsichtige die
hier nur angedeuteten üeberlegungen nächstens an anderer
Stelle ausführlich mit allen Bechnuugen mitzuteilen, zugleich
mit einem Rückblick auf die bisherige Entwicklung der Theorie.
1) M. Planck, Ann. d. Phys. 1. p. 78. 1900. Wenn Hr. W. Wdsn
in seinem Pariser Rapport (II, p. 38, 1900) über die theoretischen Ge-
setze der Strahlung meine Theorie der irreversibeln Strahlungsvorgänge
deshalb nicht beledigend findet, weil sie nicht den Nachweis erbringe,
dass die Hypothese der natürlichen Strahlung die einzige ist, welche zur
Irreversibilität fuhrt, so verlangt er nach meiner Meinung von dieser Hypo-
these doch wohl etwas zu viel. Denn wenn man die Hypothese beweisen
könnte, so wäre es eben keine Hypothese mehr, und man brauchte eine
solche überhaupt gar nicht erst aufzustellen. Dann würde man aber auch
nichts wesentlich Neues aus ihr ableiten können. Von demselben Stand-
punkt aus müsste doch wohl auch die kinetische Grastheorie als unbe-
friedigend erklärt werden, weil der Nachweis noch nicht erbracht ist,
dass die atomistische Hypothese die einzige ist. welche die Irreversibilität
erklärt, und ein entsprechender Vorwurf durfte mehr oder minder alle
nur auf inductivem Wege gewonnenen Theorien treffen.
244 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellachaft. [Nr. 17.
Zum Schluss möchte ich noch auf eine wichtige Con-
sequenz der entwickelten Theorie hinweisen, die zugleich eine
weitere Prüfung ihrer Zulässigkeit ermöglicht. Hr. Boltz-
MANN*) hat gezeigt, dass die Entropie eines im Gleichgewicht
befindlichen einatomigen Gases gleich ist coÄlog^ß^, wobei
5ß(j die Anzahl der bei der wahrscheinlichsten Geschwindig-
keitsverteilung möglichen Complexionen (die „Permutabilität"),
R die bekannte Gasconstante (8,31.10^ für = 16), co das
für alle Substanzen gleiche Verhältnis der Masse eines wirk-
lichen Molecüles zur Masse eines g-Molecüles darstellt. Sind
nun in dem Gase auch strahlende Resonatoren vorhanden, so
ist nach der hier entwickelten Theorie die Entropie des ganzen
Systems proportional dem Logarithmus der Zahl aller mög-
licher Complexionen, Geschwindigkeiten und Strahlung zusammen-
genommen. Da aber nach der elektromagnetischen Theorie
der Strahlung die Geschwindigkeiten der Atome vollkommen
unabhängig sind von der Verteilung der strahlenden Energie,
so ist die Gesamtzahl der Complexionen einfach gleich dem
Producte der auf die Geschwindigkeiten und der auf die Strah-
lung bezüglichen Zahlen, mithin die Gesamtentropie, wenn f
einen Proportionalitätsfactor bedeutet:
Der erste Summand ist die kinetische, der zweite die Strah-
lungsentropie. Durch Vergleichung mit den vorigen Aus-
drücken erhält man hieraus:
oder
ß, = A= 1,62.10-24,
d. h. ein wirkliches Molecül ist das 1,62. 1 0-^4 fache eines
g-Molecüles, oder: ein Wasserstoffatom wiegt 1,64. lO-^^g^
da H = 1,01, oder: auf ein g-Molecül eines jeden Stoffes gehen
1/^ = 6,175.1028 wirkliche Molecüle. Hr. 0. E. Meyee»)
berechnet diese Zahl auf 640 . 10^*, also nahe übereinstimmend.
1) L. BoLTZMAKN, SitzuDgsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien
(II) 76. p. 428. 1877.
2) 0. E. Meteb, Die kinetische Theorie der Grase, 2. Aufl. p. 337.
X899.
Nr. 17.] , Sitzung vom 14. December 1900. 245
Die Losohmidt' sehe Constante 9?, d. h. die Anzahl Gas-
molecüle in 1 ccm bei 0^ C. und 1 Atm. Druck ist;
1018200
Ä.273.ft)
5^ JVIÖZVV rjQ JQ19
Hr. Dbude») findet 3? = 2,1 . lO^».
Die BoLTZMANN-DBüDE'sche Constante a, d. h. die mittlere
lebendige Kraft eines Atomes bei der absoluten Temperatur 1
ist*
a = |.ß,Ä = |A = 2,02. 10-16.
Hr. Dbude») findet a = 2,65 . lO-iß.
Das Elementarquantum der Elektricität e, d. h. die elek-
trische Ladung eines positiven einwertigen Ions oder Elektrons
ist, wenn e die bekannte Ladung eines einwertigen g-Ions
bedeutet:
<? == 6 tt> = 4,69 . lO-iö elektrostatisch.
Hr. F. EiCHAEz») findet 1,29. lO-i^^ Hr. J. J. Thomson*)
neuerdings 6,5. 10-^^.
Alle diese Beziehungen beanspruchen, wenn die Theorie
überhaupt richtig ist, nicht annähernde, sondern absolute Gültig-
keit. Daher fallt die Genauigkeit der berechneten Zahlen
wesentlich mit derjenigen der relativ unsichersten, der Strah-
lungsconstanten k, zusammen, und übertrifft somit bei weitem
alle bisherigen Bestimmungen dieser Grössen. Ihre Prüfung
durch directere Methoden wird eine ebenso wichtige wie not-
wendige Aufgabe der weiteren Forschung sein.
1) P. Deüde, Ann. d. Phys. 1. p. 578. 1900.
2) 1. c
3) F. RicHABz, Wied. Ann. 52. p. 397. 1894.
4) J. J. Thomson, Phil. Mag. (5) 46. p. 528. 1898.
246
Hi/ne Bemerl&u/ng mir Wi/tk/u/ng
der SprengeV sehen Queehsilberluftpwmpe;
van H. Boas.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. November 1900.)
(Vgl. oben S. 211.)
Beobachtet man eine SpREKGEL'sche Fallrohrpumpe wäh-
rend des Betriebes, so sieht man bei höherem Gasdruck das
Quecksilber in einzelnen Kolben in das Fallrohr eintreten und
sich gleich einer intermittirenden Säule nach abwärts bewegen.
Mit zunehmender Verdünnung werden die Gassäulen, welche
das Quecksilber trennen, immer kürzer, bis endlich nach
Erreichung eines gewissen Verdünnungsgrades das Quecksilber
ähnlich einem ununterbrochenen Strahl in das Fallrohr hinein-
stürzt. Eine Eolbenbildung ist absolut nicht mehr wahr-
nehmbar, während doch die Entleerung ruhig weiter fort-
schreitet. Die Ansichten über den Grund der Pumpenwirkung
in diesem Stadium waren verschieden.
Einesteils nahm man an, dass der Quecksilberstrahl die
Gase nun mechanisch mit sich fortrisse, anderenteils, und der
letzteren Ansicht neigte der Verfasser stets zu, nahm man an,
dass trotzdem eine vollkommene Eolbenbildung einträte, die
infolge der Schnelligkeit der Bewegung vom Auge nicht mehr
wahrgenommen werden konnte. War die erste Ansicht richtig,
so musste es immerhin befremdlich erscheinen, dass mit der
Pumpe so hohe Verdünnungsgrade erreicht werden können,
sie hatte den Nachteil, dass sie weder für eine zweckmässige
Construction der Pumpe noch für die rechnerische Feststellung
ihres Wirkungsgrades irgend einen brauchbaren Anhalt bot,
sie fusste lediglich auf dem Eindruck des Auges.
Die zweite Ansicht hatte zwar die Beobachtung gegen
sich, daflir aber neben praktischen Vorteilen den Vorzug einer
Nr. 17.]
Sitzung vom 16. November 1900.
247
zwanglosen Erklärung der Pumpenwirkung. Berechnet man
nach den Fallgesetzen die Geschwindigkeit, die ein Queck-
silbertropfen in dem Augenblick hat, wo er in die enge Fallröhre
eintritt, so gelangt man zu Werten, die eine Wahrnehmung
des wahren Vorganges als ausgeschlossen erscheinen lassen.
Bei einem zum Versuch heran-
gezogenen Modell betrug jene Ge-
schwindigkeit z. B. 1,97 Meter
pro Secunde. Allein die Fest-
stellung des wahren Vorganges hat
sowohl ein wissenschaftliches, als
auch praktisches Interesse und es
ist zu verwundem, dass trotz der
vielseitigen Anwendung der Pumpe
niemand die Frage experimentell
zu beantworten versuchte. Beim
Lichte des Funkens einer Ley-
dener Flasche sieht man auch bei
höchstem Vacuum in den Fall-
rohren das Quecksilber in ein-
zelnen Kolben mit dazwischen
liegenden Gasräumen in den Fall-
rohren. Diese Beobachtung habe
ich nun photographisch fixirt und
damit die Frage zu Gunsten der
zweitgenannten Ansicht entschie-
den. Die Aufnahme ist an einer
sechsrohrigen Pumpe ausgeführt
und zwar im Maassstabe 1 : 2. Die
Fallrohre haben eine lichte Weite
von 3 — 4 Millimeter. Zur Zeit
der Aufnahme herrschte in der
Pumpe das erreichbar höchste
Vacuum, so hoch, dass an einem angeschmolzenen Ent-
ladungsrohr die Funken aussen herumschlugen. Die Auf-
nahme wurde derart vorgenommen, dass hinter die Pumpe
ein Schirm aus Pausleinwand gestellt wurde. Dieser Schirm
wurde durch vier in Reihe geschaltete Funkenstrecken beleuchtet
und gab über die ganze Länge der Fallrohre ein einiger-
248 Verhandlungen der Dentechen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 17.
maassen gleichmässiges Licht. Die Funkenstrecken waren in
den Kreis einer Leydener Flaschenbatterie geschaltet, die
unter Zwisdienschaltung einer Funkenstrecke mittels eines
Inductors mit Gleichstrom allmählich geladen wurden. Da die
Aufnahme mit weiter ObjectivöflFnung vorgenommen werden
musste, so erscheinen nicht alle Fallrohre gleichmässig scharf,
allein man sieht an einzelnen doch deutlich die im ßohre
stehenden Quecksilberkolben.
249
lieber eine Migenschaft ei/nes Systems von Wellen-
normalen; von A. Gleichen.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 16. Februar 1900.)
(Vgl. oben S. 41.)
In der nachstehenden Figur ist ein sogenanntes astigma-
tisches Strahlenbündel dargestellt, d. h. die allgemeinste De-
formation eines gewöhnlichen „Kegelbündels'*, wie sie durch
Reflexion und Brechung im allgemeinen hervorgebracht wird.
Unter „Kegelbündel" verstehen wir hier ein unendlich dünnes
Strahlensystem, dessen einzelne Strahlen sämtlich durch den-
selben Punkt gehen. PF ist die Axe des Bündels, i\ und F^
ist der erste und zweite Bildpunkt auf derselben. F[F^F['
und F^F^F^' sind die sogenannten Brennlinien des Bündels,
durch welche alle Strahlen hindurchgehen und welche sowohl
.' ^
zur Bündelaxe als aufeinander senkrecht stehen. Um sich
von der Form dieses Bündels Rechenschaft zu geben, unter-
sucht man gewöhnlich axensenkrechte Schnitte an verschie-
denen Stellen.^)
Diese Deformation eines gewöhnlichen Bündels ist zuerst
von Stübm 2) näher bestimmt worden und dann später in zahl-
reichen, die geometrische Optik betreflFenden Arbeiten discutirt
worden. Unter der Voraussetzung einfach brechender Medien
können wir jeden Strahl als Wellennormale auffassen. Das
Bündel selbst bildet dann ein System von solchen Wellen-
normalen und die zugehörige Orthogonalfläche bildet die Welle
1) Vgl. z. B. S. CzAPSKi, „Theorie der optischen Instrumente'^ p. 20.
Breslau 1898.
2) Sturm, Journal de Liouville 3. 1838,
250 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gresellschaft. [Nr. 17.
selbst oder doch ein Stück derselben, welches gefuhrt von
diesen Normalen vorwärts eilt und dabei Grösse und Krümmung
beständig ändert. Wir betrachten also nicht Querschnitte,
sondern Stücke von Wellenflächen, wodurch wir im stände
sind, auch den Begriff der „Krümmung'^ in die Betrachtung
hineinzuziehen, was bisher wohl noch nicht geschehen ist. Sei
P etwa der Punkt, in welchem die Axe aus einem brechenden
Medium austritt und seien M' PM'* und W PN" die Bogen-
elemente der beiden Hauptkrüpimungslinien der Wellenfläche
in diesem Punkte, die ja bekanntlich im allgemeinen auf-
einander senkrecht stehen. Femer denken wir uns durch die
benachbarten Punkte M\ M'\ N', N" die Bogenelemente der
zugehörigen^ Erümmungslinien gelegt. Um dann überhaupt das
SxuBM'sche Bündd. als allgemeingültig anzunehmen, müssen wir
uns mit der angenäherten Annahme begnügen:
q R parallel 8 ^ und BT parallel Q S.
Sei nun das Wellenstück bis zu dem Punkte F vor-
gedrungen, der zwischen den Brennpunkten F^^ und F^, d. h.
innerhalb der „astigmatisclien Differenz"
F^F^^2J
sich irgendwo befindet, dann ist ersichtlich, dass die Mittel-
punkte der ersten und zweiten Krümmung dieses Wellenstückes
sich in /^ und F^ befinden, also entgegengesetzte Richtung
haben. Das Wellenstück ist also „sattelförmig" gekrümmt.
Liegt der Punkt F dagegen ausserhalb der astigmatischen
Differenz, so sind die beiden Hauptkrümmungen gleichgerichtet.
Das betrachtete Bündel sei nun charakterisirt durch die
Grösse 2 J der astigmatischen Differenz und durch die Haupt-
strahlungswinkel :
WF^ M" = (p^ und N'F^ N" = (p^.
Bezeichnet man ferner die Bogenelemente der beiden
Hauptkrümmungen des Wellenstückes bei F mit d^ und d^ und
die Länge der Hauptkrümmungsradien selbst r^ und r^, sodass
also F^F^^Vy^ und F^F=r^ ist, so hat man:
Nr. 17.] Sitzung vom 16. Februar 1900. 251
Dann ist der Flächeninhalt X des Wellenstückes bei F ge-
geben durch:
(1) 'l = Vi . 9^2 • ^1 • ^3 = 9^1 • 9^2 '•i (2 ^ - ^"i) .
Das Krümmungsmaass k der Fläche ist:
(2) Ä = ^!- = ^;p«..
Suchen wir den Punkt F, für den das Wellenstück die kleinste
Krümmung hat, so niuss X ein Maximum sein. Dies geschieht
nach Gleichung (1), wenn r^=r^ = ~ ist
Den so charakterisirten Punkt, der in der Mitte zwischen
F^ und jPg liegt, nennen wir den „Pol" des Bündels. Bei ihm
hat das Wellenstück die kleinste Krümmung und die grösste
Fläche. Ausserdem teilt er das ganze Bündel in zwei Teile,
von denen der eine convergentes, der andere divergentes Licht
enthält, d. h. im ersten Falle geht das Bündel zu kleineren,
im anderen zu grösseren Querschnitten über. Seine Lage ist
ferner unabhängig von den Winkeln gp^ und gpg, d. h. von der
Oeffnung des Bündels.
Bisher hatte man der Stelle sogenannter „kleinster Ver-
wirrung" besondere Beachtung geschenkt. Diese ist dadurch
charakterisirt, dass für sie d^ = d^, also
^ = -?i- und r, + r, = 2 J
ist; ihre Lage ist von den OeflFnungswinkeln (p^ und (p^ ab-
hängig.
Eine weitere wichtige Eigenschaft des Poles folgt aus der
nachstehenden Betrachtung.
Geht von einem Flächenelement dq eine Strahlung unter
einem Emanationswinkel a und zwar durch einen Kaum-
winkel d(o aus, so nimmt man im allgemeinen an, dass die
ausgestrahlte Lichtmenge dF ist:
(3) c?Ä'= c.dqf(a)dfo,
wo c eine Constante und f{a) eine Function von cc bedeutet, die
für eine gegebene Bündelrichtung auch als constant aufzufassen
ist. Diese Lichtmenge wird nun längs des Bündels trans-
portirt und wird sich auch, nachdem dieses astigmatisch de-
formirt ist, in den verschiedenen Querschnitten, bez. auf den
Wellenflächenstücken wiederfinden. Um die Intensität im
252 Verhandlungen der Deutschen Physikal. Gesellschaft. [Nr. 17.
astigmatischen Bündel an einer bestimmten Stelle zu bestimmen,
müssen wir d E durch den Querschnitt X dieser Stelle dividiren.
Wir wollen dieses für zwei Stellen thun mit den Querschnitten
Xq und A. Dann wird
/o = -^ und /«-p'
woraus
(4) «^=^0-4'
folgt.
Die durch X^ charakterisirte Stelle des Bündels habe vom
Pol die Entfernung j/J^ + 1 ; ihre Krümmungsradien sind also:
^A^+ 1 + A und yj2+ 1 - A.
Ihre Fläche ist also nach (1):
Die durch X charakterisirte Stelle habe vom Pol die Ent-
fernung r; ihre Krümmungsradien sind also r+A und r — A,
und ihr Inhalt A = (r^— A^cpitp^» Demnach wird (4):
Wird J=:0, geht das Bündel also in ein gewöhnliches
„Kegelbündel" über, so ist in Gleichung (5) die bekannte That-
sache dargestellt, dass die Intensität des Lichtes mit dem
Quadrat der Entfernung abnimmt. Ferner sieht man, dass
in jedem Bündel die Lichtabnahme nach diesem Gesetz er-
folgt, wenn r sehr gross gegen A ist; der Pol ist dabei als
Convergenzpunkt des Bündels aufzufassen.
Es wird sich empfehlen, bei Intensitätsberechnungen
Formel (5) in den Fällen zu Grunde zu legen, wo man die
Existenz astigmatischer Deformationen annehmen muss, ohne
jedoch ihre Grösse beurteilen zu können. In diesen Fällen
kann man für eine gegebene Bündelrichtung A als eine Con-
stante auffassen, die sich zugleich mit J^ durch Messung der
Grösse / für verschiedene r auf indirectem Wege bestimmen
lässt. Solche Fälle können bei unvollkommen reflectirenden
Oberflächen eintreten, insbesondere auch bei Helligkeitsmes-
sungen der Planeten, deren Licht schon infolge des Einflusses
der eigenen Atmosphäre astigmatisch ist.
253
Mitgliederliste
der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Im Jahre 1900 verlor die Gesellschaft durch Tod:
Prof. Dr. E. B. Chbistoffel, Prof. Dr. R. Hoppe, Prof. Dr. G. Karsten,
Prof. Dr. E. BLetteler, Prof. Dr. A. Oberbege.
Am Ende des Jahres 1900 waren Mitglieder der Gesellschaft:
A. Berliner Mitglieder.
1. Herr Dr. M. Altschul*), N., Brunnenstrasse 109.
2. „ F. S. Archenhold, Treptow, Sternwarte.
3. „ Prof. Dr. H. Aron, W., Lichtensteinallee 3 a.
4. „ Dr. L. Arons, SW., Königgrätzerstrasse 109.
5. „ Dr. E. AscHKiNAss, W.^ Kurfürstendamm 22.
6. „ Prof. Dr. R. Assmann, Beinickendorf W., Scharnweberstr. 15a.
7. „ 0. Baschin, W., Schinkelplatz 6.
8. „ Frhr. v. Beaülieü, Charlottenburg, Joachimsthalerstrasäe 6.
9. „ Dr. U. Behn, NW., Beichstagsufer 7/8.
10. „ Dr. W. Bein, W., Emserstrasse 25.
11. „ Dr. G. Benischke, Pankow, Parkstrasse 8.
12. „ Prof. Dr. P. Benoit, W., Neue Winterfeldstrasse 54.
13. „ A. Berberich, SW., Lindenstrasse 91.
14. „ Prof. Dr. W. v. BEzold, W., Lützowstrasse 72.
15. „ Prof. Dr. K Blasiüs, Charlottenburg, Knesebeckstrassc 96.
16. „ A. Blümel, so., Melchiorstrasse 22.
17. „ H. Boas, SW., Dessauerstrasse 38.
18. „ Prof. Dr. H. du Bois, NW., Schiff bauerdamm 21.
19. „ A. Du Bois-Beymond, NW., Schiff bauerdamm 29 a.
20. „ Prof. Dr. R. Börnstein, Wilmersdorf, Landhausstrasse 10.
21. „ Prof. Dr. H. Böttger, NW. Lessingstrasse 10.
22. „ Dr. F. Bremer, NW., Schleswiger Ufer 16.
23. „ Dr. W. Brix, Steglitz, HohenzoUernstrasse 1.
*) Berlin ist in dem Verzeichniss weggelassen.
254 Mitgliederliste.
24. Herr Prof. Dr. E. Bbodhün, Grunewald, Hubertusbad erstr. 22.
25. „ Dr. C. Beodmann, NW., Paulstraase 13.
26. „ Prof. Dr. E. Budde, NW., Alt-Moabit 89. m
27. „ Dr. F. Caspast, W., Joachimsthalerstrasse 43. m
28. „ W. B. V. CzüDNOCHowsKi, W., Klopstockstrasae jf 8.
29. „ Dr. R. Defregoee, W., Bayreutherstrasse 7.
30. „ Dr. Denizot, Charlottenburg, Charlottenburger-Ufer 9.
31. „ Dr. H. DifissELHOEST, Charlottenburg, Phys.-Techn. Reichsanstalt.
32. „ Dr. W. DiTTENBEROEE, Charlotteuburg, Phys.-Techn. Reichsanstalt.
33. „ Dr. F. DoLEZALEE, Cbarlottenbur^, Cauerstrasse 34.
34. „ Dr. B. Donath, Charlottenburg, Stuttgarterplatz 16.
35. „ Prof. Dr. E. v. DEYOALSKi, W., Kurfürstenstrasse 40.
36. „ Dr. A. Ebeling, W., Würzburgerstrasse 20.
37. „ Prof. Dr. Th. W. Engelhann, NW., Neue Wiihelmstrasse 15.
38. „ F. Eenecke, SW., Königgrätzerstrasse 112.
39. „ Dr. C. Fäebee, S., Fichtestrasse 30.
40. ., Prof. Dr. K. Feussnee, Charlottenburg, Leibnizstrasse 1.
41. „ Prof. Dr. R. Finkenee, W., Schaperstrasse 18.
42. „ Reg.-Rat Dr. A. Feanke, W., Lützowstrasse 71.
43. „ Dr. A. Feanke, SW., Hagelsbergerstrasse 23.
44. „ Dr. F. Feankbnhäuseb, Friedenau, Hauffstrasse 13.
45. „ J. FeiedlIndee, W., Regentenstrasse 8.
46. „ Dr. G. Feeund, NW., unter den Linden 69.
47. „ Prof. Dr. 0. Feölich, Charlottenburg, Grolmannstrasse 68.
48. „ Prof. Dr. L. Fuchs, W., Rankestrasse 14.
49. „ R. FuEss, Steglitz, Düntherstrasse 7/8.
50. „ Dr. H. Geestmann, W., Knesebeckstrasse 70/71.
51. „ Dr. W. Giese, W., Bülowstrasse 80.
52. „ Dr. A. Gleichen, S., Hasenheide 93.
53. „ Prof. Dr. E. Goldstein, W., Motzstrasse 66.
54. „ Dr. Th. Geoss, Westend, Elisabethstrasse.
55. „ Prof. Dr. L. Geunmach, W., Wormserstrasse 6 a.
56. „ Dr. E. Geüneisen, Charlottenburg, Kantstrasse 148.
57. „ Prof. Dr. E. Gumlich, Charlottenburg, Schlüterstrasse 71.
58. „ Prof. Dr. P. GttssPELDT, NW., Beethovenstrasse 1.
59. „ W. Hansch, S., Prinzenstrasse 71.
60. „ Dr. E. Hantzschel, W., Gleditschstrasse 43.
61. „ Prof. Dr. E. Hagen, Charlottenburg, Siemensstrasse 7.
62. „ H. Hahn, Grunewald, Bismarckallee 24.
63. „ G. Hansemann, W., Maassenstrasse 29.
64. „ Prof. Dr. G. Haück, W., Bülowstrasse 6.
65. „ Dr. F. V. Hefnee-Alteneck, W., Hildebrandstrasse 9.
66. „ P. Heitchen, Charlottenburg, Bismarckstrasse 77.
67. „ Prof. Dr. G. Hellmann, W., Margarethenstrasse 2/3.
68. „ Prof. Dr. R. Heyne, W., Zietenstrasse 3.
Mitgliederliste. 255
69. Herr Prof. Dr. J. Hibschwald, Grronewald, Kunz Buntschuhstr. 16.
70. „ Prof. J. H. van'tHopp, Charlottenburg, ühlandstrasse 2.
71. „ F. Hoffmann, W., Potsdamerstrasse 9.
72. „ Dr. H. Hohnhorst, SW., Bellealliancestrasse 80.
73. „ Prof. Pr. L. Holbosn, Charlottenburg, Schlossstrasse 3.
74. y, Dr. K. HoLLEFBEUND, S.j Alexandrinenstrasse 36.
75. „ Dr. W. HowE, Westend, Kastanienallee 4.
76. „ M. Ikl6, W., Genthinerstrasse 27.
77. „ Prof. Dr. W. Jaeger, Friedenau, Handjerystrasse 90.
78. „ Dr. E. Jahnke, Wilmersdorf, Pariserstrasse 55.
79. „ Beg.-Rat Dr. K. Kahle, Westend, Akazienallee 20.
80. „ Prof. Dr. S. Kalischeb, W., Ansbacberstrasse 14.
81. „ Prof. G. Kiesel, 0., Langestrasse 31.
82. „ 0. Kiewel, W., Schinkelplatz 6.
83. „ Prof. Dr. A. König, NW., Flemmingstrasse 1.
84. „ Dr. A. Köpsbl, Charlottenburg, Grolmannstrasse 15.
85. „ Prof. Dr. F. Kötteb, S., Annenstrasse 1.
86. „ Prof. Dr. M. Koppe, 0., Königsbergerstrasse 16.
87. „ Prof. Dr. F. Kohlbausch, Charlottenburg, Marchstrasse 25 B.
88. „ Prof. Dr. G. Kbech, S., Brandenburgstrasse 43.
89. „ Prof. Dr. V. Kbemseb, NW., Spenerstrasse 34.
90 „ Prof. Dr. 0. Kbigab-Menzel, W., Siegismundstrasse 3.
91. „ Prof. Dr. F. Küblbaüm, Cbarlottenburg, Kantstrasse 188.
92. „ Prof. Dr. E. Lampe, W., Kurflirstenstrasse 139.
93. „ Prof. Dr. H. Landolt, NW., Albrechtstrasse 14.
94. „ Prof. Dr. J. Lange, NO., Elisabethstrasse 57/58.
95. „ Dr. E. Less, NW., Bachstrasse 11.
96. „ Dr. L. Levy, W., Blumenthalstrasse 17.
97. „ C. Libbenow, W., Fasanenstasse 51.
98. „ Prof. Dr. 0. Liebeeich, NW., Neustfidtische Kirchstrasse 9.
99. „ Prof. Dr. St. Lindeck, Charlottenburg, Goethestrasse 77.
100. „ Dr. A. Lindemann, NW., Gerhardstrasse 7.
101. „ Prof. Dr. E. Loew, SW., Grossbeerenstrasse 1.
102. „ Prof. Dr. 0. Lummeb, Charlottenburg, Friedrich-Karlplatz 14.
103. „ Dr. F. F. Maetens, S., Urbanstrasse 178.
104. „ Capitän z. See a. D. Mensing, W., Kurfärstenstrasse 99.
105. „ Dr. C. Michaelis, Potsdam, Schützenplatz Ic.
106. „ Ministerialdirector a. D. Dr. P. Micke, W., ELleiststrasse 15.
107. „ Dr. R. MüLLEB, SW., Blücherstrasse 35.
108. „ Prof. Dr. H. Munk, W., Matthäikirchstrasse 4.
109. „ Dr. R. Nahbwold, S., Bockstrasse 9/10.
110. „ Prof. Dr. F. Neesen, W., Ansbacberstrasse 31.
111. Frl. Dr. Elsa Neumann, W., Potsdamerstrasse 10.
112. Herr Prof. Dr. A. Paalzow, W., Wilhelmstrasse 50.
113. „ Prof Dr. M. Planck, W., Achenbachstrasse 1.
256 Mitgliederliste.
114. Herr Prof. Dr. F. Poske, SW., Halleschestrasse 21.
115. „ Prof. Dr. E. Peinosheim, NW., Flensburgerstrasse 14.
116. „ Prof. Dr. A. Raps, SW., Yorkstrasse 66.
117. „ Prof. Dr. 0. Reichel Charlottenburg, Bismarekstrasse 126.
118. „ Dr. L. Rellstab, W., Grrossgörschenstrasse 6.
119. „ Dr. £. RicHTEB, Charlottenburg, Knesebeck Strasse 90.
120. „ Dr. H. RoHEBEOK, NW., Karlstrasse 24.
121. „ Prof Dr. 0. Rosenbach, W., Victoriastrasse 20.
122. „ Prof. Dr. H. Rubens, W., Knesebeckstrasse 29.
123. „ Prof. Dr. Fe. Rüdobff, Charlottenburg, Marchstrassc 7e.
124. „ Dr. K. Scheel, Wilmersdorf, Güntzelstrasse 48.
125. „ Dr. R. ScHELSKE, NW., Beethovenstrasse 3.
126. „ Dr. E. ScHENCK, Charlottenburg, Kantstrasse 27.
127. „ Prof. M. ScHLEOEL, W., Bellevuestrasse 15.
128. „ Prof. Dr. Ebich Schmidt, W., Paris^rstrasse 9.
129. „ Prof. Dr. J. Scholz, NW., Klopstockstrasse 1.
130. „ Prof. Dr. P. Scholz, Steglitz, Ficht^strasse 34.
131. „ Dr. R. Scholz, Charlottenburg, Kantstrasse 147.
132. „ Dr. 0. ScHÖNEOCK, NW., Jagowstrasse 10.
133. „ Prof. F. Schotte, SW., Grossbeerenstrasse 27 a.
134. „ Prof. Dr. B. Schwalbe, NW., Georgenstrasse 30/31.
135. „ Dr. G. Schwalbe, NW., Wilhelmshavenerstrasse 41.
136. „ Reg.-R. a. D. R. Seebold, Charlottenburg, Fasanenstrasse 13.
137. „ Frhr. v. Seheee-Thoss, W., Hohenzollemstrasse 11.
138. ,j Prof. Dr. G. Sieben, Gross-Lichterfelde, Sternstrasse 9.
139. „ Prof. Dr. A. Siebeet, Gross-Lichterfelde, Bellevuestrasse 30.
140. „ Hauptmann v. Siqsfeld, Schöneberg, Herbertstrasse 2.
141. „ WiLH. v. Siemens, W., Thlergartenstrasse 10.
142. „ Dr. S. Simon, Charlottenburg, Spreestrasse 43.
143. „ Prof. Dr. W. Sklaeek, W., Landgrafenstrasse 7.
144. „ Prof. Dr. A. Slaby, Charlottenburg, Sophienstrasse 4.
145. „ Dr. P. Spies, Potsdam, Militärwaisenhaus.
146. „ Dr. H. Staeke, NW., Reichstagsufer 7/8.
147. „ Prof. Dr. K. Steeckee, W., Keithstrasse 20.
148. „ Prof. Dr. M. Thiesen, Friedrichshagen, Ahorn- Allee 10.
149. „ Prof. H. Thueein, N., Chausseestrasse 40.
150. „ Dr. Fr. Vettin, SW., Bemburgerstrasse 24.
151. „ Prof. Dr. R. Viechow, W., Schellingstrasse 10.
152. „ Prof. Dr. E. Waebueo, NW., Neue Wilhelmstrasse 16.
153. „ Reg.-Rat Dr. C. L. Webeb, SW., Yorkstrasse 19.
154. „ Prof. Dr. W. Wedding, Gross-Lichterfelde, Wilhelmstrasac 2.
1 55. „ Prof. Dr. B. Weinstein, Charlottenburg, Kantstrasse 148.
156. „ Dr. K. VON Wesendonck, W., Wilhelmstrasse 66.
157. „ J. West, SW., HHllosche Strasse 20.
158. „ Prof. Dr. H. F. Wiebe, Charlottenburg, Goethestrasse 87.
Mitgliederliste. 257
159. Herr Prof. Dr. W. Wolpf, Charlotten bürg, Uhlandstrasse 193.
160. „ Dr. B. A. Worinqer, Grunewald, Hagenstrasse 3.
161. „ ß. WüBTZEL, NW., Philippstrasse 6.
162. Versuchsabteilung der Verkehrstruppen, W., Wilhelmstrasse 101.
B. Auswärtige Mitglieder.
163. Herr Prof. Dr. R. Abegg, Breslau, Kaiser Wilhelmstrasse 70.
164. „ M. Abramcztk, Strassburg i. E., Physik. Institut.
165. „ Dr. M. Abraham, Göttingen, Nicolausbergerweg 17.
166. „ Prof. Dj. K. Ingström, üpsala.
167. „ Dr. R. Apt, Köln-Ehrenfeld, Gesellschaft „Helios".
168. „ Dr. E. VAN Aübel, Gent, chauss^e de Courtrai 136.
169. „ Prof. Dr. F. Auerbach, Jena.
170. „ Dr. 0. Berg, Freiburg i/B., Physik. Institut.
171. „ Dr. G. Bbrthold, Ronsdorf.
172. „ Dr. F. BiDLiNGMAiER, Potsdam, Meteor. - Magn. Observatorium.
173. „ Prof. Dr. L. Boltzmann, Leipzig, Leplay Strasse 9
174. „ Prof. Dr. F. Braun, Strassburg L E., Physik. Institut.
175. „ Prof. Dr. H. Bruns, Leipzig, Stephanstrasse 3.
176. „ Prof. Dr. F. Burckhardt, Basel.
177. „ Prof. Dr. 0. Chwolson, St. Petersburg, W. 0. 8. Linie 19.
178. „ Dr« A. CoBHN, Göttingen, Obere Karspüle 16 a.
179. „ Dr. S. CzAPSEi, Jena.
180. „ Dr. A. Dahms, Leipzig, Thalstrasse 35.
181. ., Dr. A. Day, Washington, Harvardstreet 1358.
182. „ Prof. Dr. C. Dietbrici, Hannover, Techn. Hochschule.
183. „ Prof. Dr. E. Dorn, Halle a. S., Paradeplatz 7.
184. „ Prof. Dr. P. Drude, Giessen, Nahrungsberg 8.
185. „ Prof. H. DuPOUR, Lausanne, Universität.
186. „ Prof. Dr. H. Ebert, München, Techn. Hochschule.
187. „ Dr. J. Edler, Potsdam, Leipzigerstrasse 9 a.
188. „ Prof. Dr. J. Elster, Wolfenbüttel, Lessingstrasse 7.
189. „ Dr. R. Emden, München, Techn. Hochschule.
190. „ Prof. Dr. M. Eschbnhagen, Potsdam, Meteor.-Magn. Observ.
191. „ Dr. FelgentrIgbr, Potsdam.
192. „ Dr. K. Fischer, München, Theresienstrasse 43.
193. „ Prof. Dr. C. Fromme, Giessen.
194. „ Prof. Dr. J. Gad, Prag.
195. „ Dr. A. Galle, Potsdam, Geodät. Institut.
196. „ Prof. H. Geitel, Wolfenbüttel.
197. „ Dr. J. Ritter von Geitler, Prag, II, 1594 Physik. Institut
198. „ Prof. Dr. D. Goldhammer, Kasan.
199. „ Prof. Dr. L. Gratz, München, Arcisstrasse 8.
200. „ Prof. Dr. 0. Grotrun, Aachen, Theresienstrasse 13.
Dr. S. GuGOENHEiHEB, Nürnberg, Kaiserstrasse 23.
Prof. Dr. S. Günther, München, Akademiestrasse 5.
Director L. Hackeb, Brandenburg a/H.
Dr. A. Haqbnbach, Bonn, Physik. Institut.
Prof. Dr. E. Hagenbach-Bisghoff, Basel.
Prof. Dr. W. Hallwaghs, Eh-esden-Altstadt, Müncheneratr. 2.
Prof. Dr. Hermann Hammerl, Innsbruck.
H. Haüswaldt, Magdeburg-Neustadt.
Dr. Heoker, Potsdam, Geodät. Institut.
Prof. Dr. A. Hetdweiller, Breslau, Moritzstrasse 7.
Prof. Dr. F. Himstedt, Freiburg i. B., Goethestrasse 8.
Dr. A. W. Hoppmann, Köln -Ehrenfeld, Gesellschaft „Helios"
Prof. Dr. D. Hurmuzescü, Jassy.
Prof. Dr. Georg W. A. Kahlbaum, Basel
Dr. W. Ejlüpmann, Göttingen, Physik. Institut.
Prof. Dr. H. Ejlyser, Bonn.
Prof. Dr. J. KiEssLiNO, Hamburg.
Prof. Dr. L. v. Klegei, Krakau, Karmelickastrasse 44.
Prof. Dr. F. Klein, Göttingen.
Dr. 0. Knoblauch, Leipzig, Kaiser-Wilhelmstrasse 51.
Prof. Dr. K. R. Koch. Stuttgar, Techn. Hochschule.
Prof. Dr. W. Kohlrausch, Hannover, Techn. Hochschule.
Prof. Dr. W. König, Greifswald, Physik. Institut.
Dr. J. Königsbergee, Freiburg i. B., Physik. Institut.
Dr. A. Korn, München, Hohenzollemstrasse la.
Prof. Dr. H. Kronecker, Bern.
Dr. H. KRttss, Hamburg, Adolfsbrücke 7.
Dr. KttHNEN, Potsdam, Geodät Institut
Prof. Dr. V. von Lang, Wien, IX. Türkenstrasse 3.
Prof. Dr. E. Lecher, Prag II 1594, Physik. Institut.
Prof. Dr. 0. Lehmann, Karlsruhe, Techn. Hochschule.
Prof. Dr. Th. Liebisch, Göttingen, Wilhelm-Weberstr. 17.
Prof. Dr. C. Linde, Thalkirchen bei München.
Prof. Dr. H. A. Lorentz, Leiden.
Dr. LttDELiNG, Potsdam, Meteor.-Magn. Observatorium.
Dr. K. Luyken, Potsdam, Französischestrasse 1.
Prof. Dr. K. Maok, Hohenheim bei Stuttgart.
Dr. A. Mahlke, Magdeburg, Amdtstrasse 39.
Dr. M. Maier, Schautling bei Deggendorf.
Dr. E. Marx, Frankfurt a. M., Parkstrasse 38.
A. Meiner, Leipzig, Rossplatz 17.
Dr. G. Melander, Helsingfors.
Dr. Ernst Meyer, Breslau, Vorwerk 10.
Prof. Dr. G. Meyer, Freiburg i. B., Dreisamstrasse 3.
Mitgliederliste.
259
246. Herr Prof. Dr. 0. E. Meyeb, Breslau, Göppertstrasse 1.
247. „ Dr. W. Meyer, Meran, Villa Erica.
248. „ Prof. Dr. G. MiE, Karlsruhe, Techn. Hochschule.
249. „ Dr. James Moses, Wien Vin/1 Laudou^assc 25.
250. „ Prof. Dr. A. Müttrich, Eberswalde.
251. „ Prof. Dr. W. Neenst Göttingen, Herzberger Chaussee 13.
252. „ Prof. Dr. C. Neumahn, Leipzig, Querstrasse 10/12.
253. „ Dr. A. Nippoldt, Potsdam, Meteorol.-Magnet. Observatorium.
254. „ Prof. Dr. A. v. OETTmaEN, Leipzig, Mozartstrasse 1.
255. „ Prof. Dr. W. Ostwald, Leipzig, Linn^strasse 3.
256. „ Prof. Dr. J. Peenet, Zürich-Hottingen, Hofetrasse 84.
257. „ Prof. Dr. L. Pfaundler, Graz.
258. „ Dr. A. Pplüger, Bonn, Physik. Institut.
259. „ Prof. Dr. ß. Pictet, Adr. in Berlin, W., Bendlerstrasse 14.
260. „ E. Prümm, Braunschweig, Physik. Institut.
261. „ Prof. Dr. C. Pulprich, Jena.
262. „ Dr. K. Prytz, Kopenhagen, Falkoneergaardsvej 12.
263. „ Prof. Dr. G. Quincke, Heidelberg, Friedrichsbau.
264. „ Prof. Dr. G. Recknagel, Augsburg.
265. „ Dr. W. Reiss, Schloss Könitz (Thüringen).
266. „ Ingenieur Renisch, Essen a. Ruhr.
267. „ Prof. Dr. F. Richarz, Greifswald.
268. „ Prof.. Dr. E. Riecke, Göttingen.
269. „ Dr. R. Ritter, München.
270. „ Prof. Dr. W. Röntqen, München, Aeussere Prinzregen tenstr.
271. „ Dr. M. V. Rohr, Jena, Wagnergasse 11.
272. „ Prof. Dr. J. Rosenthal, Erlangen.
273. „ Prof. Dr. R. Rühlmann, Doebeln i. Sachsen.
274. „ Prof. Dr. C. Runge, Hannover, Techn. Hochschule.
275. „ Prof. Dr. J. Scheiner, Potsdam, Astrophysikal. Observatorium.
276. „ Dr. R. Schenck, Marburg i. H., üniversitätsstrasse.
277. „ Prof. Dr. K. Schering, Darmstadt, Grünerweg 10.
278. „ Dr. A. Schmidt, Gotha, Herrnwiesenweg.
279. „ Prof. Dr. Schubert, Eberswalde, ForstaJtademie.
280. „ Dr. A. Schulze, Heidelberg, Rohrbachstrasse 20.
281. „ Dr. H. Siedentopf, Jena, Oberer Löbdergraben 11.
282. „ Prof. Dr. P. Silow, Warschau, Universität^
283. „ Prof. Dr. A. Sprung, Potsdam, Meteorol.-Magnet. Observ.
284. „ Dr. W. Starck, Greifswald, Physik. Institut.
285. „ Dr. JoH. Stare, Göttingen, Herzberger Chaussee 19.
286. „ Dr. R. Straubel, Jena, Beethovenstrasse 2.
287. „ Prof. Dr. V. Strouhal, Prag, Clementinum.
288. „ Dr. R. Süring, Potsdam, MeteoroL-Magnet. Observatorium.
289. „ B. Tepelmann, Braunschweig, vor der Burg 18.
290. „ S. Tereschin, Petersburg, Nicolaewskay a 40.
\
260 Mitgliederliste.
291. Herr Prof. Dr. W. von üljanin, Kasan.
292. „ Dr. UsENEB, Kiel, Feldstrasse 26.
293. ,, Dr. Veillon, Basel^ Physik. Institut
294. „ Prof. Dr. H. C. Vogel, Potsdam, Astrophysik. Observat.
295. „ Prof. Dr. W. Voigt, Göttingen.
296. „ Prof. Dr. P. Volkmann, Königsberg i. Pr. Tragheim, Kirehenstr. 1 1 .
297. „ Prof. Dr. A. Voller, Hamburg, Physik. Staatslaboratorium.
298. „ Prof. Dr. R. Wachsmüth, Rostock, Prinzenstrasse 4.
299. „ Prof. Dr. H. Wehes, Braunschweig, Techn. Hochschule.
300. „ Prof. Dr. H. F. Weber, Zürich, Techn. Hochschule.
301. „ Prof. Dr. L. Weber, Kiel, Physik. Institut.
302. „ Dr. A. Wehnelt, Erlangen, Luitpoldstrasse 6.
303. „ Prof. Dr. E. Wiechebt, Göttingen.
304. „ Prof. Dr. 0. Wibdebürg, Leipzig, Leplaystrasse 7
305. „ Prof. Dr. E. Wiedemann, Erlangen.
306. „ Prof. Dr. M. Wien, Aachen, Techn. Hochschule.
307. „ Prof. Dr. W. Wien, Würzburg, Physik. Institut.
308. „ Prof. Dr. 0. Wiener, Leipzig, Thalstrasse 35.
309. „ Prof. Dr. J. Wilsino, Potsdam, Astrophysikal. Observatorium.
310. „ Prof. Dr. A. Winkelmann, Jena.
311. „ Dr. Wright, München, Giselastrasse 28.
312. „ Prof. Dr. A. Wüllner, Aachen, Techn. Hochschule.
313. „ Prof. Dr. W. v. Zahn, Leipzig-Plagwitz, Carl-Heinestrasse 33.
314. „ Dr. ZiEQLER, Dresden, Techn. Hochschule.
315. Die mathem. - physik. Sammlung des bayrischen Staates (Director:
Prof. Dr. Groth in München).
316. Herr Prof. Dr. Adami, Bayreuth.
317. „ Prof, Dr. A. Brill, Tübingen.
318. „ Prof. Dr. W. Dietrich, Stuttgart.
319. „ Prof. Dr. P. Groth, München, Kaulbachstrasse 62.
320. „ Dr. B. Hecht, Königsberg i. Pr., Ziegelstrasse 12.
321. „ Prof. Dr. Hutt, Beruburg.
322. „ Dr, W. MtfLLER-ElRZBACH, Bremen.
323. „ Prof. Dr. F. Pockels, Heidelberg.
324. „ Director Dr. F. Roth, Leipzig, Universitfitsstrasse 26.
325. „ Dr. B. von Tietzen-Hennig, Posen.
Druck von Metzger & Wittig in I^pzig.
öJ-».^>^.<t ^^
n :
I
. ! •